Berlin (dpa)
Lisa Paus soll neue Familienministerin werden
Nachdem Anne Spiegel über ihr Verhalten in der Flutkatastrophe gestolpert war, musste eine neue Familienministerin her. Die Grünen haben ein paar Tage gesucht - nun sind sie fündig geworden.
Die Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus soll neue Bundesfamilienministerin werden. Das wurde der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag aus Parteikreisen bestätigt.
Zuvor hatten mehrere andere Medien darüber berichtet. Paus soll damit die Nachfolge von Anne Spiegel übernehmen, die am Montag ihren Rücktritt angekündigt hatte.
Die beiden Grünen-Chefs Ricarda Lang und Omid Nouripour wollten die neue Ministerin bei einer Pressekonferenz um 15 Uhr vorstellen. Offiziell bestätigt wurde die Entscheidung für Paus von der Partei bislang nicht.
Spiegel ist noch geschäftsführend im Amt, bis Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihr die Entlassungsurkunde überreicht hat und Paus vereidigt und ernannt ist.
Paus gehört linkem Parteiflügel an
Die 53-jährige Diplom-Volkswirtin Paus gehört dem linken Parteiflügel an. Paus kommt ursprünglich aus dem nordrhein-westfälischen Rheine, lebt aber seit längerem in Berlin, wo sie auch im traditionell linken Grünen-Landesverband aktiv ist. Seit 2009 sitzt sie im Bundestag. Paus hat jahrelange Erfahrung in der Finanz- und Wirtschaftspolitik gesammelt, gilt aber auch als einer der führenden Köpfe hinter dem grünen Konzept für eine sogenannte Kindergrundsicherung.
Deren Einführung wird auch für die neue Familienministerin das wichtigste Projekt sein. Sie ist eines der zentralen Vorhaben der Ampel-Koalition. In der Kindergrundsicherung sollen die bisherigen finanziellen Unterstützungsleistungen des Staates für Kinder gebündelt und durch einen Grundbetrag für alle Kinder ab der Geburt ersetzt werden. Wegen der Komplexität des Themas - es geht um Kindergeld, Hartz IV, Steuerfragen und vieles mehr - wurde zunächst eine Arbeitsgruppe mit Fachleuten aus dem Familienministerium und den Bundesministerien für Finanzen, Justiz, Arbeit, Bildung und Wohnen gebildet. Sie soll die Details erarbeiten.
Spiegel hatte ihren Rücktritt angekündigt, nachdem bekanntgeworden war, dass sie kurz nach der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer in einen vierwöchigen Familienurlaub gefahren war. Sie war damals rheinland-pfälzische Umweltministerin und damit für das Krisenmanagement mit verantwortlich.
Parteichefin Lang hatte klar gemacht, dass eine Frau auf Spiegel folgen solle und Kompetenz eine wichtige Voraussetzung sei. Für die Grünen ist allerdings auch die Zugehörigkeit zu einem der Flügel, Realos oder Linke, ein wichtiges Kriterium. Drei der fünf grünen Bundesminister sind nun auch künftig Realos, zwei gehören damit ebenso wie Spiegel dem linken Flügel an.
Nach dem quälenden Rückzug Spiegels, die noch am Sonntagabend versucht hatte, ihr Amt mit einem hochemotionalen Auftritt zu retten, war die Grünen-Führung auf der Suche nach einer linken Kandidatin mit Berlin-Erfahrung. Spiegel hatte zwar in Rheinland-Pfalz bereits Ministerien geführt, kam aber als Neuling in den Berliner Politikbetrieb - und dann gleich als Bundesministerin. Paus hat zwar keine Erfahrung mit der Leitung eines Ministeriums, kennt aber die Berliner Politik seit langem.
Die Suche nach einer Kandidatin wurde dadurch erschwert, dass die Grünen mit dem Einzug in die Bundesregierung bereits zahlreiche Stellen zu besetzen hatten, von der Fraktions- und Parteiführung über Ministerämter bis hin zu Staatssekretärsposten.
Paus als Finanzexpertin bekannt
Schon als Abgeordnete im Berliner Landesparlament war Paus als Finanz- und Wirtschaftsexpertin geachtet. Kompetent bei Zahlen, fleißig, das waren Stichworte, die auch aus anderen Parteien zu hören waren. Gerade bei Haushaltsberatungen fällt schnell auf, wenn sich Politiker nicht auskennen mit Details. Zehn Jahre war Paus seit 1999 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, 2009 gelangte sie über einen Listenplatz erstmals in den Bundestag.
So bekannt wie andere Berliner Grünen-Bundespolitiker wie etwa Renate Künast war Paus bislang nicht. Innerhalb ihrer Partei war die leidenschaftliche und kompetente Politikerin aber stets anerkannt. 2017 wurde sie dann Berliner Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl - ebenso wie 2021, als sie in den Fraktionsvorstand gewählt wurde.
Paus kann sehr schnell reden und ist bei Themen, die ihr am Herzen liegen, manchmal schwer zu stoppen. Das räumt sie auch selbstkritisch ein. Ihr etwas sprödes Auftreten unterscheidet sie sicher von großen Sympathieträgern der Grünen wie Außenministerin Annalena Baerbock, Wirtschaftsminister Robert Habeck oder Kulturstaatsministerin Claudia Roth - die aber auch polarisieren. Im persönlichen Gespräch oder bei Partei-Partys gewinnt Paus aber durch Interesse und einen hintergründigen Humor, der sich erst auf den zweiten Blick zeigt.
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