Identifizierung: Wer kann helfen?

Die Suche nach dem Gentleman, der wohl keiner war

| 27.04.2022 19:15 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Die fotografische Gesichtsrekonstruktion: So soll der unbekannte Tote ausgesehen haben. Bild: Polizei
Die fotografische Gesichtsrekonstruktion: So soll der unbekannte Tote ausgesehen haben. Bild: Polizei
Artikel teilen:

Zu dem unbekannten Toten, der 1994 vor Helgoland entdeckt wurde, gibt es neue Hinweise. „The Gentleman“, wie er genannt wurde, war er wohl doch nicht.

Helgoland - Die Polizei bittet erneut um Hilfe bei der Identifizierung eines Toten, der im Juli 1994 westlich von Helgoland entdeckt wurde. Denn mittlerweile wurde sein Gesicht fotografisch rekonstruiert. Das Bild wird jetzt veröffentlicht. Bislang gab es nur eine Zeichnung. Der Bundesgrenzschutz hatte den Leichnam des Mannes im Sommer 1994 geborgen. Er hatte schon lange im Wasser getrieben. Die Obduktion ergab seinerzeit, dass der Mann durch Gewalteinwirkung auf den Kopf und den Oberkörper gestorben war. Die Leiche wurde dann wohl mit Gewichten beschwert ins Meer geworfen – vielleicht vor Wangerooge. Wie lange sie im Wasser lag, bevor die Besatzung des Küstenwachschiffes „Bredstedt“ sie westlich von Helgoland treiben sah, ist unklar.

27 Jahre später wurde der unbekannte Tote exhumiert, um ihn noch einmal rechtsmedizinisch zu untersuchen. Wie die Polizei am Mittwoch mitteilte, ist es gelungen, ein vollständiges DNA-Profil zu isolieren. Damit bestehe jetzt die Möglichkeit eines Vergleichs mit entsprechenden Daten aus nationalen und internationalen Datenbanken. Damit hat man begonnen. Um herauszufinden, um wen es sich bei dem wahrscheinlich ermordeten Mann handelt, haben die Ermittler in Wilhelmshaven seit Anfang des Jahres Hilfe. Mit im Boot sind die Polizeiakademie Niedersachsen, die britischen Universitäten Staffordshire und Plymouth Marjon, der Human Remains Service Ireland sowie Locate International. Die fotografische Gesichtsrekonstruktion etwa wurde in Großbritannien erstellt.

Krawatte von Marks&Spencer

Besonders auffällig scheint die Krawatte des vermutlich Ermordeten zu sein. Viele der inzwischen mehr als 50 eingegangenen Hinweise auf den Toten beziehen sich darauf. Die Herkunft der Krawatte ist nun geklärt. Sie wurde für das britische Unternehmen Marks &Spencer für den englisch- und französischsprachigen Vertriebsraum produziert, der reichte damals bis Kanada. Ob die Krawatte auch speziell von bestimmten Organisationen genutzt wurde, ist aber noch unklar. Bekannt war schon aus früheren Untersuchungen, dass der Unbekannte zum Zeitpunkt seines Todes etwa zwischen 45 und 50 Jahre alt gewesen sein und einen Bezug nach Großbritannien haben dürfte.

Beschwert war die im Wasser treibende Leiche mit Schuhleisten aus Gusseisen. Auch hierzu erhofft sich die Polizei weitere Hinweise. Die Details dazu: Die Leisten sind etwa 24,5 Zentimeter lang, 8 Zentimeter breit und 6 Zentimeter hoch. Geprägt sind sie mit den Buchstaben „A J K“. Es handele sich nicht um ein Paar, aber sie wurden für dieselbe Schuhgröße hergestellt und wahrscheinlich für Reparaturarbeiten an Damenschuhen genutzt. „AJK“ war das Warenzeichen von A J Jackson aus Kingswood, Bristol. Das Unternehmen existierte vom späten 19. Jahrhundert bis zur Mitte der 60er Jahre. Um 1964/65 wurde Jackson von der Firma Cheaneys übernommen, auch die gibt es nicht mehr. Vermutlich stammen die Leisten aus den 20er oder 30er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Der linke Schuhleisten, mit dem die Leiche beschwert war. Foto: Polizei
Der linke Schuhleisten, mit dem die Leiche beschwert war. Foto: Polizei

Doch kein reicher Mann

Die Polizei fragt nun: Wer erkennt anhand der fotografischen Gesichtsrekonstruktion eine Ähnlichkeit zu einer Person, die möglicherweise vermisst wird? Wer kann Hinweise zu folgenden Fragen geben: Wo kamen diese Schuhleisten zum Einsatz? Wo wurden sie Anfang der 1990er Jahre vermisst? Welche Verbindung lässt sich zwischen diesen Schuhleisten und dem unbekannten Toten herstellen?

Von der Annahme, bei dem aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes schon als „The Gentleman“ bezeichneten Unbekannten könne es sich um einen reichen Mann gehandelt haben, sind die Ermittler inzwischen abgerückt. Die Krawatte sei ein Massenprodukt und die teuren Schuhe seien bereits repariert gewesen. „Daher ist nicht zwingend vorauszusetzen, dass der Tote wohlhabend gewesen sein muss“, so die Polizei. Es sei zumindest nicht auszuschließen, dass die Schuhe in gebrauchtem Zustand in seinen Besitz gelangt sein könnten.

Hinweise in dieser Sache erbittet die Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland schriftlich unter der E-Mail Adresse unbekannter-toter-vor-helgoland@pi-whv.polizei.niedersachsen.de oder telefonisch unter der Rufnummer 04421/9420.

Ähnliche Artikel