Was Sie heute wissen müssen Grandios: Finale in Wembley | Stolz: Ostfriesen und ihre Fahne | Elendig: Suche nach Facharzt

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 28.07.2022 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Na klar, seit gestern Abend gibt es eigentlich nur noch ein Thema, das EM-Finale der deutschen Fußballfrauen am Sonntag gegen England. Vorbei die Zeiten, als chauvinistische Sportredakteure Fußball spielende Frauen bestenfalls belächelten. Der 2:1-Sieg gegen die Französinnen gestern Abend zur besten Sendezeit war ein grandioser Erfolg. So viel Einsatz, so viel Teamgeist, ein tolles Fußballspiel. „Mega spannend und mega anstrengend“, wie Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg im Interview sagte. Da können sich unsere Jungs wirklich eine Scheibe abschneiden. Jetzt kann England kommen. Die Revanche für Wembley 1966.

Es geht um Identität, um Stolz. Zwei Themen, die auch Ostfriesen gut kennen. Die Randlage, die Geschichte, die Sprache, die Vornamen, all das identifiziert Ostfriesen - und natürlich die Fahne. Seit stolze Ostfriesen in Moormerland die Diskussion angestoßen haben, dass die schwarz-rot-blaue Flagge vor öffentlichen Gebäuden aufgezogen wird, ist diese nun auch nach Uplengen und Rhauderfehn übergeschwappt, jeweils als Initiative von Gemeinderäten der Moin-Fraktion. Für die drei Gemeinden aus dem Landkreis Leer lohnt vielleicht ein Blick nach Ihlow im Landkreis Aurich. Dort hängt seit Beginn des Ukraine-Kriegs ein Ensemble aus Deutschland-, Europa, Ukraine- und Ostfriesland-Flagge. „Ich sehe im Moment auch keine rechtlichen Hürden, das weiter so zu machen“, so Bürgermeister Arno Ulrichs. Tobias Rümmele, Wahl-Ostfriese mit unverkennbar badischen Wurzeln (sobald er den Mund aufmacht), berichtet.

In Ihlow passieren auch lustige Sachen. Ein 18-Jähriger, der von einer Radarfalle geblitzt worden war, kehrte zehn Minuten später zurück, um das Gerät zu stehlen oder zu sabotieren. Ist aber blöd gelaufen. Denn der Alarm ging los, die Polizei war sofort da, und der Temposünder hat nun noch mehr Stress.

Nicht erwischen ließen sich hingegen jene geschichtskundigen Menschen, die am Kanonen-Denkmal in Emden ihre eigene, kolonialzeit-kritische Infotafel anbrachten. Darin wird an die Verschleppung von 30.000 Sklaven erinnert, die von einer deutschen Festung in Ghana aus durchgeführt und mit eben solchen Kanonen gesichert wurde. Die Tafel wurde - der Amtsschimmel wiehert - entfernt, auch wenn der zuständige Historiker keine Probleme damit hat: „Im Grund ist es das, was ich geschrieben habe, nur mit anderen Worten.“ Gordon Päschel hat mit Aiko Schmidt vom Ostfriesischen Landesmuseum gesprochen.

Ein anderes Thema war für Emden gestern aber weitaus wichtiger. Der norwegische Schiffbauer Fosen Yard will an seinem neuen und zweiten deutschen Standort in Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern) Expeditions-Kreuzfahrtschiffe bauen und spätestens bis zum Herbst entsprechende Projekte an Land ziehen. „Das Ziel ist es, im September einen Vertrag zu haben“, sagte Unternehmenschef Anders Straumsheim der Nachrichtenagentur dpa. Und was passiert mit dem Standort Emden? Das weiß im Moment keiner. Die Suche nach einem Investor läuft, die Mitarbeiter bekommen noch für einschließlich August Insolvenzgeld, und auch das Wirtschaftsministerium hat Hilfe zugesagt. Heiko Müller erläutert den aktuellen Sachstand.

Am Dienstag erst berichteten wir, wie ein Emder via Facebook eine Lügengeschichte über den angeblichen Missbrauch seines behinderten Sohns verbreitete, gestern nun sorgte eine Falschmeldung auf Facebook für Aufregung in Collinghorst. Ein Mädchen sei entführt worden, hieß es da. Völliger Blödsinn, wie ein Anruf von Elke Wieking deutlich machte. „Glauben Sie mir, wenn ein Mädchen in Collinghorst entführt worden wäre, wüssten wir das“, sagte Frauke Bruhns, Sprecherin der Polizeiinspektion Leer/Emden.

Wer bei akuten Beschwerden in Ostfriesland einen Facharzt braucht, ist wahrlich nicht zu beneiden. Klar, da gibt es die Rufnummer 116117, eine Vermittlungsstelle der Kassenärztlichen Vereinigung. Aber wer weiß schon, dass auch die nur sofort hilft, wenn der Patient einen zwölfstelligen (ja ernsthaft) Code des überweisenden Hausarztes vorlegen kann, mit dem dieser die Eilbedürftigkeit belegt? Den hatte der Schmerzpatient aber nicht, der sich Hilfe suchend an die Redaktion gewandt hatte. Gabi Boschbach erzählt eine Geschichte, über die man schmunzeln könnte, wenn sie nicht so traurig wäre.

Vor drei Jahren verbrachte ich ein paar Urlaubstage in Ghanas Hauptstadt Accra - oh, noch mal Ghana in diesem Newsletter. Im Zentrum der Stadt ist ein riesiger Markt. Und was gibt es dort gefühlt an jedem fünften Stand? Richtig, abgelegte Kleidung von uns Wohlstandsbürgern aus Europa. Auch aus Ostfriesland. 628 Tonnen Altkleider wurden allein im Landkreis Leer im vorletzten Jahr in Containern gesammelt - und zum Teil bei armen Menschen entsorgt, die bei den einheimischen Produzenten aber nichts mehr kaufen. Wie alles mit allem zusammenhängt, dröselt Tobias Rümmele auf.

Wo wir gerade beim Thema sind: Heute ist der sogenannte „Earth-Overshoot-Day“, der Erdüberlastungstag. Alles, was die Menschen ab morgen verbrauchen, geht zulasten unseres Planeten, denn wir haben genutzt, was nachhaltig zur Verfügung steht. Was bedeutet das? Diese und viele weitere Fragen stellte Andreas Ellinger dem Studenten David Nelles. Gemeinsam mit seinem Kommilitonen Christian Serrer gab er das Erklär-Buch „Kleine Gase – Große Wirkung“ heraus, das ein Bestseller wurde, ebenso wie der Nachfolger „Machste dreckig – Machste sauber“. Was schön ist an diesem Interview und weshalb ich Ihnen wirklich empfehle, es zu lesen: Nelles ist ein absolut positiv denkender Mensch.

Was heute wichtig wird:

  • Weil ihr E-Rollstuhl nicht in den Reisebus konnte, war für Renate Nuss der Tagesausflug gestorben. Die Bunderin hätte gerne Unterstützung. Was haben andernorts Seniorenbeiräte auf den Weg gebracht? Vera Vogt fragt nach.
  • In Leer wird über die Umbenennung der Bavinkstraße diskutiert. Bernhard Bavink war Nazi-Vordenker. Doch was käme eigentlich auf die Anwohner zu und wie viele Kosten würden ihnen entstehen? Michael Kierstein hat nachgefragt.
  • Viele Apotheker in Ostfriesland beklagen Engpässe bei Medikamenten und pharmazeutischen Wirkstoffen. Derzeit ist es zum Beispiel schwierig, fiebersenkende Mitteln für Kinder auf Basis von Paracetamol oder Ibuprofen, zu besorgen. Oliver Bär berichtet.
  • Personalprobleme fordern unpopuläre Maßnahmen. Der Kirchenkreis Aurich will nun die Kirchengemeinden Bagband und Strackholt zusammenlegen. Ole Cordsen hörte sich in den beiden Gemeinden um. Erfreut ist man dort nicht.
  • Die Polizei ermittelt seit einiger Zeit wegen der Vorwürfe gegen zwei Mitarbeiterinnen an einer Kita in Loquard. Claus Hock hat beim Landesjugendamt nachgefragt und fasst den aktuellen Stand zusammen.
  • An heißen Tagen drehen viele Gartenbesitzer ihre Trinkwasserleitungen auf. Ein Rasensprenger verbraucht allerdings pro Stunde den sechsfachen Pro-Kopf-Tagesbedarf in Ostfriesland. Dafür gibt es eine recht simple und vor allem ressourcenschonende Alternative.
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