OZ-Weihnachtsaktion Wie erleben Ehrenamtler ihre Arbeit bei den Tafeln?
Das Ehrenamt bei den Tafeln in Ostfriesland ist vielseitig. Wir haben mit Helferinnen und Helfern über ihre freiwillige Arbeit gesprochen. Trotz verschiedener Einsatzorte teilen sie alle eine Sorge.
Ostfriesland - Ohne sie ginge bei den Tafeln in Ostfriesland nichts: den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Ihre Aufgaben sind vielfältig: Die einen fahren am frühen Morgen Supermärkte und Geschäfte ab und verladen Ware, andere sortieren die Lebensmittel, packen sie in Kisten und Taschen. Oder helfen bei der Ausgabe, überprüfen die Nachweise der Kunden, vergeben Wartenummern und sammeln Geld ein. In jeder Einrichtung sind die Abläufe etwas anders. Aber eines vereint die Ehrenamtler: ihr Engagement, Menschen in Not zu helfen. Wir haben ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gefragt, warum sie die Tafeln unterstützen und was sie in der derzeitigen Situation bewegt.
Beate Markgraf übt ihr Ehrenamt seit zwei Jahren in der Tafel in Norden aus. An der Arbeit gefällt ihr der Kontakt zu den Kunden besonders gut. Die gebürtige Kölnerin hatte die Möglichkeit, im Alter von 56 Jahren in den Vorruhestand zu gehen. Damals lebte und arbeitete sie in Bonn. Als sie schließlich im Ruhestand war, sagte sie sich: „Jetzt tust du das, was du all die Jahre tun wolltest und ziehst hoch an die Nordsee.“ Allerdings sei es für sie zu früh gewesen, die Beine hochzulegen, erzählt sie. Also habe sie bei der Tafel angerufen und gefragt, ob sie Unterstützung bräuchten. „Da bin ich offene Türen eingelaufen“, sagt die 57-Jährige.
Enger Kontakt zu den Kunden bei der Ausgabe
Seitdem ist sie an drei Tagen in der Woche dabei. Sie wurde in alle Schichten eingearbeitet: von der Warenannahme über die Sortierung bis zur Ausgabe. Die Norder Tafel versorge etwa 30 bis 40 Familien am Tag, sagt sie. Die Warenausgabe ist jeden Werktag geöffnet. Für einen Einkauf zahlen alleinstehende Kunden einen Euro.
Seit einem Jahr hilft Markgraf nun in der Warenausgabe – wegen des engen Kontakts zu den Kunden. Sie sagt: „Als ich festgestellt habe, dass sich so viele Menschen dafür schämen, zur Tafel gehen zu müssen, habe ich gedacht: Das ist jetzt genau deine Aufgabe, ihnen diese Scham zu nehmen und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie willkommen sind und gerne herkommen dürfen.“ Die Schicksale der langjährigen Tafelkunden kenne sie nicht so gut, sagt Markgraf. Sie redeten nicht über ihre Geschichten. „Ich habe aber das Gefühl, dass es wie eine Auszeit für sie ist, wenn sie sich bei uns im Hof der Tafel treffen.“ Inzwischen hätten sich richtige Freundschaften unter den Kunden entwickelt.
„Immer nur Dankbarkeit erfahren“
Die Schicksale und Gefühle der Geflüchteten aus der Ukraine habe sie hingegen hautnah vor Ort mitbekommen, sagt Markgraf. Im Herbst habe es eine Situation gegeben, in der einige der Geflüchteten ihre Unterkunft wechseln mussten. „Das war dramatisch. Da haben viele Frauen mit ihren Kindern auf unserem Hof gesessen und bitterlich geweint. Sie blickten in eine unklare Zukunft und wussten wieder nicht, wo es hingeht“, erzählt die 57-Jährige. Alteingesessene Tafelkunden, Russlanddeutsche, hätten bei der Übersetzung geholfen und den Ukrainerinnen die Angst genommen. „Am Ende konnten alle bei uns bleiben. Sie holen nach wie vor ihre Lebensmittel bei uns, wohnen nur in einer anderen Unterkunft“, sagt Markgraf. Als die Geflüchteten aus der Ukraine das erste Mal dazukamen, habe es extreme Sprachbarrieren gegeben. Von ihnen habe sie trotz der Verständigungsprobleme immer nur Dankbarkeit für die Arbeit der Tafel erfahren, sagt Markgraf. „Wenn ich sehe, wie viele Armbändchen oder Ansteckschleifen sie uns basteln und schenken, wie oft sie uns in den Arm nehmen, dann ist das einfach nur toll.“
Auch die ersten Sprachbarrieren hätten sich inzwischen gelegt. Die Geflüchteten besuchten seit dem Sommer die Sprachschule in Norden. „Das Gelernte wenden sie direkt bei uns an“, sagt Markgraf. „Oder wir halten die Lebensmittel hoch und sagen die Namen laut. Das sprechen sie uns dann nach. Da ist dann sofort ein Lerneffekt“, fährt sie fort und lacht. Die Organisation unter den Helferinnen und Helfern in Norden laufe gut. Derzeit sind dort 35 Ehrenamtler beschäftigt. „Was uns aktuell extrem zu schaffen macht, ist die Lebensmittelversorgung“, sagt Beate Markgraf. „Jedes Mal, wenn die Schicht vorbei ist, frage ich mich, wie wir es wieder geschafft haben, die Tüten zu füllen.“
Mit Lebensmittelspenden helfen
Lebensmittelspenden seien immer willkommen. Sie können im Tagesaufenthalt der Diakonie in der Norddeicher Straße von 9 bis 12 Uhr abgegeben werden. Auch Babynahrung, Windeln, Shampoo, Duschgel und Zahnbürsten würden gebraucht. Man dürfe nicht nur die Kunden sehen, „die ein Zuhause haben und ‚nur’ Lebensmittel abholen“, sagt Markgraf. Auch Obdachlose sind auf die Unterstützung der Tafel angewiesen. Die Lebensmittelknappheit spüren auch die ehrenamtlichen Helferinnen der Tafel in Aurich. „Es wäre schön, wenn es mehr Spenden gäbe. Da stößt man manchmal an seine Grenzen“, sagt Waltraud Reichert. Sie und ihre beiden Kolleginnen, Claudia Richter und Hannelore Schug, sind sich einig: Es sei schlimm, wenn eine Ausgabe nicht möglich sei, weil nicht genügend Lebensmittel zur Verfügung stünden. Und wenn man Menschen, die auf die Waren angewiesen seien, abweisen müsse.
Seit der Corona-Pandemie werden in Aurich die Lebensmittel für die Kunden in Kisten gepackt, um größere Ansammlungen in den Gängen zu vermeiden. Denn noch vor der Pandemie konnten die Kunden in den Ausgaberäumen an den Regalen vorbeigehen und Waren auswählen, ähnlich wie in einem Supermarkt. Durch das neue System habe man keine Bindung mehr zu den Kunden, sagt Waltraud Reichert. Die Beziehung sei eher anonym. Die 49-Jährige arbeitet seit etwa sechs Jahren ehrenamtlich bei der Tafel. Reichert bezieht eine Erwerbsminderungsrente. „Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben“, sagt sie.
Gute Stimmung unter den Helferinnen
Die Kundenbindung fehle auch Hannelore Schug. Die 76-jährige Ehrenamtliche ist seit 16 Jahren bei der Tafel aktiv. „Es ist schade, dass der Kontakt wegbricht“, sagt sie. Trotzdem kenne man Schicksale von Kunden, ergänzt ihre Kollegin Waltraud Reichert. Mit den vielen Geschichten umzugehen sei nicht immer leicht. „Das ist bewegend, man nimmt das auch mit nach Hause und denkt noch länger darüber nach“, sagt Schug. Unter den Frauen herrscht dennoch eine gute Stimmung. „Wir haben hier eine schöne Gemeinschaft“, sagt Schug. Sie lachen viel miteinander. „Das ist auch sehr wichtig, wenn man diese Arbeit macht“, fährt die 76-Jährige fort.
Abgesehen von der seelischen Belastung sei die Arbeit auch körperlich anstrengend, beachtet man allein das Heben der vollen Lebensmittelkisten. Was sollten Interessierte sonst mitbringen, die sich vorstellen könnten, bei einer Tafel zu arbeiten? „Teamfähigkeit und Spaß haben“, antwortet Schug. Eine Schicht dauert bei den Aurichern etwa vier Stunden. Denn bevor die Kunden die fertig gepackten Kisten abholen können, müssen die Lebensmittel gesichtet werden. Der Inhalt der Kisten variiere je nach Warenbestand. Derzeit rechneten die Ehrenamtlichen in Aurich etwa mit 75 Kisten je Ausgabe.
Ernst Kuntner ist der Ausgabeleiter der Tafel in Aurich und dort seit 15 Jahren ehrenamtlich tätig. An drei Tagen in der Woche ist die Ausgabe in der Julianenburger Straße geöffnet. Er hofft, dass sich die Situation der Tafeln entspannt. „Wir können keine Kunden mehr aufnehmen“, sagt der 74-Jährige. „Wohin der Weg geht, weiß gerade keiner so richtig.“ Die Lage ist ernst: Vergangenen Samstag gab es nicht genügend Waren. „Die Lebensmittel haben für zwei Kisten gereicht“, sagt Kuntner. Er habe einen Zettel an die Tür gehängt, mit der Nachricht, dass die Ausgabestelle an dem Tag geschlossen bleibt.
So können Sie spenden
Jeder Euro hilft den Einrichtungen in Ostfriesland, die bedürftige Menschen mit Lebensmittel-Spenden unterstützen. Wer spenden möchte, kann dies per Überweisung unter dem Stichwort „OZ-Weihnachtsaktion 2022“ tun. Die Bankverbindung lautet: Ein Herz für Ostfriesland gGmbH, IBAN DE28 2859 0075 0011 1112 01, Ostfriesische Volksbank eG.
Es kann außerdem via Paypal gespendet werden. Alle Informationen gibt es auch auf der Internetseite von „Ein Herz für Ostfriesland“ .