OZ-Weihnachtsaktion Kilometerweit für die Tafel unterwegs

Nora Kraft
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Von Nora Kraft
| 09.12.2022 17:40 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 7 Minuten
Jürgen Pfeifer (vorne) und Reinhard Bruns sind ehrenamtlich für die Emder Tafel im Einsatz. Foto: Kraft
Jürgen Pfeifer (vorne) und Reinhard Bruns sind ehrenamtlich für die Emder Tafel im Einsatz. Foto: Kraft
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Reinhard Bruns und Jürgen Pfeifer sind Fahrer bei der Emder Tafel. In den frühen Morgenstunden holen sie Lebensmittel bei Supermärkten ab. Wir haben die Ehrenamtler bei ihrer Arbeit begleitet.

Emden - Der Mond steht groß und rund am nachtblauen Himmel über dem Emder Binnenhafen. Es regnet leicht, die Temperaturen liegen bei etwa drei Grad. Es ist 7.30 Uhr, noch ist der bevorstehende Tag nur zu erahnen. Auf einem Gelände in der Fritz-Liebsch-Straße säumen kleine Lagerhallen einen Hof. Im schwachen Licht der Straßenlaternen sind an den Wänden an einer der Hallen die Logos der Emder Tafel zu erkennen. Auf dem Hof vor der Halle stehen Autos, unter anderem ein weißer Sprinter. Der Eingang der Halle steht offen, ein großer Lichtkegel fällt in den Hof. In dem hell erleuchteten Raum stehen zwei Männer bereit, sie tragen blaue Arbeitsjacken, die mit einem kleinen orangenem Tafel-Logo bestickt sind. Einer der beiden trägt ein Klemmbrett in der Hand, an dem ein Kugelschreiber baumelt.

Bei den meisten Supermärkten stehen die Lebensmittel in Kisten an den Laderampen zur Abholung bereit. Foto: Kraft
Bei den meisten Supermärkten stehen die Lebensmittel in Kisten an den Laderampen zur Abholung bereit. Foto: Kraft

Reinhard Bruns und Jürgen Pfeifer engagieren sich ehrenamtlich als Fahrer bei der Emder Tafel. Diese hat zwei Ausgabetage in der Woche. An vier Tagen fahren jeweils zwei Fahrer in den Morgenstunden Discounter, Supermärkte und andere Geschäfte in Emden und der Umgebung ab und sammeln Lebensmittel ein, die die Märkte im Verkauf nicht mehr anbieten. Etwa bis mittags werden Bruns und Pfeifer an diesem kalten Dezembertag beschäftigt sein. Gut gelaunt steigen sie in den Sprinter. Sie verstauen noch ihre PET-Wasserflaschen, Bruns startet den Motor und es geht los: über Landstraßen Richtung Pewsum.

Die Aufgaben sind genau verteilt

Reinhard Bruns fährt seit 2018 ehrenamtlich für die Tafel. „Ich hatte das Ziel, mich im Vorruhestand ehrenamtlich zu engagieren“, sagt der 65-Jährige. Während er erzählt, läuft im Radio leise Popmusik. Im Auto ist es mittlerweile kuschelig-warm. Bruns ist außerdem bei der Emder Friesenbühne beschäftigt. Dort habe man ihn auf die Tafel angesprochen und ihn gefragt, ob er sich vorstellen könnte, die Tafel zu unterstützen. Die Fahrer sind immer in Zweierteams unterwegs. Warum das so wichtig ist, zeigt sich gleich beim ersten Stopp an diesem Tag – einem Discounter in Pewsum. Denn die Aufgaben sind genau verteilt:

Auf dem Parkplatz des Discounters angekommen, steigt Pfeifer schnell aus dem Wagen aus, passiert die Eingangstüren und geht in strammen Schritten durch den hell erleuchteten Laden. Er entdeckt am Ende eines Ganges einen Rollwagen mit Waren. „Da“, sagt Pfeifer, „der Wagen ist ein gutes Zeichen. Da kann ein Mitarbeiter nicht weit sein.“ Er hat recht: Hinter dem Wagen erscheint ein junger Mann, die beiden begrüßen sich freundlich. Dann geht es direkt weiter, bis an die hinterste Wand der Verkaufsfläche, durch eine Tür in einen Lagerraum und zur Laderampe. An die Rampe hat Bruns den Sprinter in der Zwischenzeit bis auf wenige Zentimeter dicht herangefahren. In der Nähe stehen schon drei Kisten mit Obst und Gemüse bereit. Pfeifer reicht sie seinem Kollegen, der die Kisten im Inneren des Wagens entgegennimmt und im Laderaum stapelt. Manchmal sortieren sie die Lebensmittel auf den Laderampen der Supermärkte um, sodass die Kisten im Auto besser gestapelt werden können.

An andere etwas weitergeben

Bei ihrer sogenannten „Pewsum-Runde“ stehen etwa sieben Discounter und Supermärkte auf dem Plan. Vier Touren müssen sie an dem Tag insgesamt fahren. Nach jeder Tour geht es immer wieder zurück zum „Stützpunkt“, wie sie sagen, in die Fritz-Liebsch-Straße. Dort tragen sie die eingefahrene Ware in die Lagerhalle, damit Kollegen mit dem Sortieren der Lebensmittel beginnen können. Die Abläufe greifen nahtlos ineinander. Jürgen Pfeifer ist erst seit Oktober bei der Emder Tafel aktiv. Der 66-Jährige lebt seit Juli in Ostfriesland. Er kommt ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen. Das Ehrenamt hat er jedoch schon länger inne. In der Nähe von Köln und Bonn war er – ebenfalls als Fahrer – etwa zwei Jahre lang bei einer privat geführten Einrichtung engagiert, die wie die Tafeln bedürftige Menschen mit Lebensmitteln unterstützt. In Ostfriesland habe er sich nach etwas Vergleichbarem umgesehen. „Ich habe dann bei der Emder Tafel angerufen und wurde mit offenen Armen empfangen“, sagt der 66-Jährige.

Im Laderaum des Sprinters stapelt Reinhard Bruns die Lebensmittelkisten. Foto: Kraft
Im Laderaum des Sprinters stapelt Reinhard Bruns die Lebensmittelkisten. Foto: Kraft

Nur wenige hundert Meter entfernt vom ersten Discounter in Pewsum hält Bruns auf dem Parkplatz eines großen Supermarktes. Ständig geht es an diesem frühen Morgen raus aus dem Wagen, Supermarktgänge entlang, Laderampen hoch, Treppen runter, in den Laderaum des Sprinters und wieder rein ins warme Auto, anschnallen, die Liste auf dem Klemmbrett ausfüllen – Wie viele Kisten haben wir erhalten? Wie viele leere Kisten gingen zurück? – und weiter zur nächsten Anlaufstelle. Was treibt die Männer an, diese Arbeit zu machen? „Wir haben die berufliche Laufbahn beendet“, sagt Bruns. „Uns geht es gut. Das ist nicht selbstverständlich. Deswegen wollen wir etwas weitergeben. Wenn man im Ruhestand ist und noch fit ist, freut man sich, dass man das noch kann.“

Manchmal steht nur eine Kiste an der Laderampe

Pfeifer war etwa 42 Jahre lang Soldat. „Mich muss man nicht akquirieren für den Dienst an der Gesellschaft“, sagt der 66-Jährige. Er wolle sich noch nicht „aufs Bärenfell legen“. So habe er nach einer Tätigkeit gesucht, bei der er nicht am Schreibtisch sitzen müsse. Denn das habe er lange genug getan, sagt Pfeifer und lacht. Im Normalfall erhielten die Fahrer etwa zehn bis 13 Kisten je Supermarkt. „Derzeit ist es manchmal eine, wenn überhaupt“, sagt Reinhard Bruns. „Es ist zum Teil gravierend, was an manchen Tagen noch an Lebensmitteln übrig bleibt“, fährt der Emder fort. Die Fahrer merkten das zum Beispiel im Winter, wenn der Tourismus zurückgehe. Dann kauften die Supermärkte weniger ein. „Die Zeit von Januar bis März ist häufig eine Durststrecke“, sagt Pfeifer. „Wenn weniger Ware reinkommt, muss die Tafel auf Reserven, beispielsweise von Spenden-Aktionen, zurückgreifen“, ergänzt Bruns. „Die Zeiten sind schwierig“, sagt er. Besonders, weil höhere Sprit- und sonstige Unterhaltkosten hinzukämen. „Die Preise sind gewaltig hoch.“ Wie viel Ware sie bekämen, wüssten sie im Vorhinein nicht.

Langsam wird es hell am Himmel. „Da ist die Welt gleich größer“, sagt Bruns mit Blick auf die Landstraße vor sich. Er fahre am liebsten im Sommer, sagt er. Das sei angenehmer als in der dunklen und kalten Jahreszeit. Im Schnitt werden an einem Tag etwa 100 Kilometer gefahren. Um 8.50 Uhr beenden die Männer ihre erste Tour des Tages. Sie lägen gut in der Zeit, sagen sie. Zurück bei der Tafel, begrüßen sie freudig eine der Helferinnen, die zum Sortieren dort ist. Die Männer tragen die Kisten in die Lagerhalle und beladen den Sprinter anschließend mit leeren Verpackungskartons. Bis obenhin ist dieser in wenigen Minuten gefüllt. Diese Menge falle etwa bei jedem Tageseinsatz an. So führt der erste Weg auf ihrer zweiten Tour zum Entsorgungsbetrieb. Auf dem Gelände fährt Bruns wieder zentimetergenau an eine Rampe, der Papiermüll ist schnell entsorgt. Also wieder rein ins Auto und weiter zur nächsten Station. Bevor er den Motor anschmeißt, greift Bruns zu einem Reinigungsmittel – einen Fleck auf seiner Jacke entfernen. Das komme vom Tragen der Lebensmittelkisten, sagt er. Wenn es schnell gehen müsse, merke man manchmal nicht, wenn Flüssigkeiten oder schlechtes Obst oder Gemüse in den Kisten sei und das auf die Kleidung tropfe.

Vielen sei nicht bewusst, wie viel Arbeit und Zeit hinter dem Ehrenamt bei der Tafel stecke, sagen Bruns und Pfeifer. Außerdem kämen sie zum Beispiel unter anderem für Reinigungskosten selbst auf. Sie finden, die Ehrenämter würden in Deutschland ungleich behandelt werden. Selbst eine kleine Aufwandsentschädigung bekämen sie nicht. Bis vor Kurzem habe es bei der Emder Tafel noch einen Fahrermangel gegeben. Es seien teilweise über 80-Jährige dabei gewesen. „Das wurde ihnen körperlich jedoch zu anstrengend. Ob wir das in dem Alter wohl noch können?“, fragt Bruns. Er hoffe es. Und weiter geht es für die beiden auf ihre nächste Tour an diesem Tag.

So können Sie spenden

Jeder Euro hilft den Einrichtungen in Ostfriesland, die bedürftige Menschen mit Lebensmittel-Spenden unterstützen. Wer spenden möchte, kann dies per Überweisung unter dem Stichwort „OZ-Weihnachtsaktion 2022“ tun. Die Bankverbindung lautet: Ein Herz für Ostfriesland gGmbH, IBAN DE28 2859 0075 0011 1112 01, Ostfriesische Volksbank eG.

Es kann außerdem via Paypal gespendet werden. Alle Informationen gibt es auch auf der Internetseite von „Ein Herz für Ostfriesland“.

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