OZ-Weihnachtsaktion Wenn sich das Leben schlagartig ändert

Nora Kraft
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Von Nora Kraft
| 16.12.2022 18:58 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Helmut Harms kommt regelmäßig zur Ausgabe der Spieskamer in Rechtsupweg. Fotos: Ortgies
Helmut Harms kommt regelmäßig zur Ausgabe der Spieskamer in Rechtsupweg. Fotos: Ortgies
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Helmut Harms erkrankte plötzlich und ist als Frührentner auf das Angebot der Spieskamer in Rechtsupweg angewiesen. Dort erhält er – wie bei einer Tafel – Lebensmittel zu einem vergünstigten Preis.

Rechtsupweg - Von heute auf morgen musste Helmut Harms seinen Beruf aufgeben. Eine Krankheit zwang den gelernten Maurer dazu. Der Frührentner ist auf Unterstützung angewiesen und bezieht daher regelmäßig Lebensmittel von der Spieskamer in Rechtsupweg.

Die gemeinnützige Einrichtung ist eine selbstständige Ausgabestelle und vergleichbar mit den bundesweit tätigen Tafeln. Hauptsächlich ehrenamtlich Beschäftigte arbeiten bei der Spieskamer. Sie sammeln bei Supermärkten, Discountern und Erzeugern in der Umgebung Lebensmittel ein, die nicht mehr verkauft werden können. Gegen einen Obolus können Menschen, die ein geringes Einkommen nachweisen können, dort einmal die Woche einkaufen gehen. Die Einrichtung in Rechtsupweg finanziert sich neben Spenden aus den Einnahmen eines angegliederten sozialen Kaufhauses.

Auf Gehhilfen angewiesen

Helmut Harms wohnt in Marienhafe. Nach Rechtsupweg hat er es nicht weit. „Ich bin durch meine Krankheit leider auf Frührente gekommen“, sagt er. Das sei keine große Rente. Etwa vor sechs Jahren sei er auf die Einrichtung aufmerksam gemacht worden und ist seitdem Stammkunde. „So habe ich eine kleine Unterstützung“, sagt der 53-Jährige. Seine berufliche Tätigkeit sei körperlich sehr anstrengend gewesen, erzählt er. Früher habe es im Maurer-Handwerk nicht so viele Hilfsmittel gegeben wie heute. „Wenn wir ein Dach aufgestellt haben, mussten wir noch händisch die Balken hochheben“, sagt er. Als Harms plötzlich erkrankte, musste er seinen Beruf aufgeben. Über die Krankheit möchte er nicht sprechen. Sie schränkt den 53-Jährigen stark ein. „Ich habe Tage, an denen denke ich, ich kann Bäume rausreißen. Und zehn Minuten später ändert sich das völlig“, sagt er.

Die Lebensmittel werden seit Corona im Hof übergeben.
Die Lebensmittel werden seit Corona im Hof übergeben.

Zu Hause versorgt er sich selbst. Das Laufen fällt ihm schwer. Wenn er draußen unterwegs ist, nutzt er eine Gehhilfe und einen Rollator zur Unterstützung. Ein Elektromobil dient ihm als Verkehrsmittel. Damit kommt er zum Beispiel von seinem Wohnort zur Spieskamer in Rechtsupweg.

Zu Beginn viel Aufmerksamkeit erregt

Dort einkaufen zu gehen, habe sich von Beginn an nicht selbstverständlich angefühlt. „Am ersten Tag war es etwas komisch“, sagt er. Viel Aufmerksamkeit habe er erregt, als er mit dem Rollator zur Ausgabe kam. Mit den Blicken der anderen gehe er jedoch locker um. Die Ehrenamtlichen und Mitarbeiter seien sehr aufmerksam. „Wenn man ein kleines Problem hat, kann man hier herkommen und mit ihnen darüber reden.“

Viele Menschen schämten sich, zur Ausgabe zu gehen, sagt Harms. Aber das brauche man gar nicht, fährt er fort. „Das ist eine kleine Hilfe und dafür bin ich sehr dankbar. Auch, wenn es mal weniger ist. Und wenn ich ein bisschen sparsam damit umgehe, komme ich mit den Lebensmitteln fast eine Woche lang hin.“ Er bekäme auch mit, dass manche meinten, der Einkauf dort lohne sich nicht. „Da kriege ich ja nichts“, würden manche sagen. Harms teile sich die Waren jedoch gut ein. „Ich bin immer zufrieden“, sagt er.

Austausch über Privates eher selten

Welche Lebensmittel er erhalte, ändere sich. Er habe auch schon Fisch bekommen. Etwa geräucherte Makrele. Manche lehnten das ab. Er könne aber nicht klagen. „Ich bin waschechter Ostfriese“, sagt er. „Ich esse wirklich fast alles.“ Hygieneartikel hingegen gebe es eher selten in der Ausgabestelle. Manche Dinge wie Toilettenpapier oder Ähnliches kauft Harms im Supermarkt zu. Für seinen Einkauf bei der Spieskamer zahlt der Frührentner zwei Euro. Er kaufe aber auch gerne im sozialen Kaufhaus ein, sagt Harms. „Ich nehme gerne etwas mit, wenn ich etwas sehe, das mir gefällt. CDs zum Beispiel.“ Die anderen Kunden kenne er gut, sagt der 53-Jährige. Noch vor Corona habe man durch die Räume des sozialen Kaufhauses zur Ausgabe gehen müssen. Es ist räumlich direkt an die Ausgabe angegliedert. In einem Aufenthaltsraum im hinteren Teil des Gebäudes habe man sich dann getroffen, sagt Harms. Dort steht ein langer Tisch mit vielen Stühlen. „Das war immer gemütlich.“

In dem Raum warteten die Kunden, bevor sie eine Tür weiter zur Ausgabestelle konnten. „In der Zeit haben wir uns unterhalten“, erzählt Harms. Seit Beginn der Pandemie werden die Lebensmittel im Hinterhof der Spieskamer ausgegeben. Ein gemütliches Zusammenkommen gebe es daher nicht mehr. Im Austausch stünden sie weiterhin, sagt Harms. Zwischen den Kunden entwickelten sich auch Freundschaften. Von ihren jeweiligen persönlichen Geschichten kriege man dennoch weniger mit. „Das ist zu privat. Da redet man eher selten drüber“, sagt der 53-Jährige. Die wöchentliche Fahrt zur Spieskamer gehöre für ihn fest zu seinem wöchentlichen Rhythmus, sagt Harms. Dabei zählt für ihn nicht nur der Austausch mit anderen Kunden oder den Helfern. „Wenn hier etwas zu tun ist, fasse ich gerne mal mit an“, sagt er. „Es kommt dann auch immer etwas zurück. Eine Hand wäscht die andere.“ Er helfe zum Beispiel bei Reparaturen. Als die kleine Holzhütte im Hof, die als Kassenhäuschen dient, am Dach renoviert werden musste, habe er mit angepackt.

Unterstützung von Helfern vor Ort

Wenn es die Spieskamer nicht mehr gäbe, würde ihm etwas fehlen, sagt Harms. „Das ist hier fast wie eine Familie“ .Und wenn er mal krank sei und nicht zur Ausgabe komme, könne er bei der Einrichtung anrufen. „Dann werden mir die Lebensmittel nach Hause gebracht“, erklärt Harms. Die Lieferung kostet fünf Euro. „Dann bezahle ich auch etwas mehr, aber dann habe ich meine Sachen zu Hause. Das rechne ich den Menschen hier hoch an“, ergänzt er.

Familie und Freunde habe er eher weniger in der Nähe. Seit seiner Erkrankung seien viele Kontakte abgebrochen, erzählt Helmut Harms. „Ich bin ein Mensch, der gerne hilft“, sagt der 53-Jährige. Aber er merke auch, dass manche das ausnutzten. „Dann blocke ich den Kontakt ab. Es gibt viele, die sagen ‚Kannst du mal ganz schnell?‘ Aber wenn ich dann Hilfe brauche, zum Beispiel eine Fahrt mit dem Auto, kommt nichts zurück.“ Von außerhalb bekomme er weniger Hilfe, er ist auf sich gestellt. Über die Unterstützung der Spieskamer sei er daher sehr froh.

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