Blumen, Bäume und Kräuter Klimawandel befeuert die Pollenallergie
Weil die Temperaturen steigen, blühen Pflanzen nicht nur früher, sondern auch länger. Das hat Folgen für Allergiker.
Leer - Mindestens 15 Prozent der Bevölkerung in Deutschland reagieren allergisch auf Pollen. Früher sprach man salopp nur von Heuschnupfen, inzwischen ist klar, dass nicht nur Gräser sondern auch die Pollen zahlreicher anderer Pflanzen – Blumen, Bäume, Kräuter – Symptome wie eine laufende Nase, juckende und tränende Augen und im schlimmsten Fall sogar Asthma auslösen können. „Pollen gehören zu den häufigsten Allergieauslösern“, betont Prof. Ulrike Raap von der Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie in Oldenburg. Und der Klimawandel befeuert diese Allergien noch.
„Insgesamt weisen Daten einer Reihe von Studien darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und einer weltweit beobachteten Zunahme von allergischen Atemwegserkrankungen gibt“, heißt es beispielsweise beim Münchner Helmholtz-Zentrum. „Ein weiterer Anstieg sowie ein zunehmender Schweregrad der Erkrankungen ist zu erwarten.“
Wie wirkt sich der Klimawandel auf den Pollenflug in Ostfriesland aus?
Einerseits führt der Klimawandel dazu, dass die Pollen der Gräser und Kräuter länger in den Herbst hineinfliegen, andererseits beginnen die Bäume früher im Jahr zu blühen. „In unserer Region hat sich der jeweilige Pollenflug um rund drei Wochen nach vorne verschoben“, hat Rolf Runge vom Regionalverband Ostfriesland des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) beobachtet. „Im vergangenen Herbst flogen die Pollen noch bis tief in den November hinein.“
Beides liegt an den milderen Temperaturen. „Ab einer Durchschnittstemperatur von 3 Grad wird die Pflanze aktiv – und dieser Temperatur-Zeitraum wird auch in Ostfriesland immer länger“, sagt Jan Fuchs von der Regionalgeschäftsstelle Ostfriesland des Naturschutzbundes (Nabu).
Wann beginnen die Pollen zu fliegen?
Die Pollensaison 2023 begann quasi direkt am ersten Tag des Jahres mit rekordverdächtigen Pollenkonzentrationen – ein Novum in der Messhistorie. Seit 1983 wird in Deutschland die Konzentration von Pollen in der Außenluft durch die Messstationen im Netzwerk der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) überwacht. Die wöchentliche Pollenflugvorhersage des PID ist kostenlos auf der Website www.pollenstiftung.de verfügbar. Vor allem Haseln und Erlen reagieren ausgesprochen temperatursensibel und beginnen bei länger andauernden sogenannten Mildphasen bereits während der Wintermonate zu blühen.
Im Zuge des Klimawandels treten diese Mildphasen hierzulande häufiger auf und auch die erreichten Temperaturen sind höher als noch in der Vergangenheit. Entsprechend schnell und früh im Jahr sind dann die Pollen der frühblühenden Baumarten startklar. „Birke, Pappel, Weide, Esche und Ulme sind für Allergiker bereits ab Anfang April problematisch, im Mai kommt die Buche dazu“, sagt Fuchs. Ab Mitte Mai starte dann bereits die Saison der Gräserpollen. „Der verschiedene Pollenflug überlappt sich immer mehr.“
Wie ist die Lage in Ostfriesland im Vergleich zu anderen Regionen?
„Grundsätzlich sind wir in Ostfriesland noch gut dran. In anderen Regionen in Deutschland verschiebt sich der Pollenflug deutlich mehr“, sagt Nabu-Regionalgeschäftsführer Fuchs. „In Ostfriesland ist es nicht ganz so warm wie beispielsweise im Südwesten Deutschlands. Ein wichtiger Faktor für den Pollenflug ist auch die Dürre und die betrifft uns hier noch nicht ganz so schlimm.“ Wasserknappheit sorge bei der Pflanze für Stress und dann produziere sie automatisch noch mehr Pollen.
„Durch den fehlenden Regen halten sich die Pollen auch länger in der Luft. Das führt ebenfalls zu höheren Pollenkonzentrationen“, weiß Runge vom BUND. „Früher hat der Regen die Luft schneller wieder saubergewaschen.“
Wie wirkt sich der stärkere und zeitlich verschobene Pollenflug auf die Allergie aus?
„Der Leidensweg der Betroffenen verlängert sich“, erklärt Prof. Ulrike Raap. Wenn man die Symptome nicht mehr mit den Medikamenten aus der Apotheke in den Griff bekomme, solle man zum Arzt gehen.
„Man kann die Pollenallergie behandeln. Die Birkenpolle an sich ist ja harmlos, aber der Körper erkennt sie als fremd und reagiert darauf. Das will man dem Körper abgewöhnen, durch eine sogenannte Desensibilisierung. Das sollte man aber mit dem Allergologen besprechen“, so Raap. Diese Therapie sei keine Sache von Wochen, sondern gehe in der Regel über drei bis fünf Jahre. Löse der Pollenflug bereits ein bronchiales Asthma aus, werden Kortisonsprays verschrieben.
Auf welche Pollen reagieren Allergiker besonders?
„Das kann man so gar nicht beantworten“, sagt Raap. „Es gibt ja Patienten, die reagieren auf alles – auf die Frühblüher und die Spätblüher.
Die haben das ganze Jahr was davon“, erklärt die Direktorin der Abteilung für experimentelle Allergologie und Immundermatologie. Es gebe aber auch Patienten, die beispielsweise nur auf Birken- oder Gräserpollen reagieren, die haben dann danach Ruhe.
Kann man der Allergie vorbeugen?
Der Pollenflug ist in den frühen Morgenstunden am stärksten. „Es hilft also, wenn man nicht unbedingt mit offenem Fenster schläft“, sagt Raap. „Auch das abendliche Haarewaschen kann helfen, weil die Pollen auch in den Haaren hängen.
Aber es ist schwierig ein Aero-Allergen – also ein Allergen, das durch die Luft fliegt – zu meiden.“ Mann sollte aber möglichst „nicht gerade in eine Birkenallee ziehen, wenn man hochgradiger Birkenpollen-Allergiker ist“.
Ab welchem Alter treten Pollenallergien auf?
Auch Kinder sind bereits von Pollenallergien betroffen. „Schulkinder fehlen in der Regel 10 bis 15 Tage wegen dieser Allergien, weil einfach deren Symptome so schwer sind.
Die Nase läuft, die Augen jucken – die Kinder können sich nicht mehr konzentrieren“, weiß Raap. „Das Kind ist dann keine Heulsuse, sondern es hat ein Problem mit den Pollen“, stellt die Dermatologin klar. „Die Pollenallergien haben durch ihre Symptome einen hohen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit, nicht nur in der Schule, auch bei der Arbeit.“
Die gute Nachricht zum Schluss: „Eine Allergie kann sich auch im höheren Alter durchaus wieder zurückbilden“, weiß Raap.
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