Ostfriesische Geschichte Vor 60 Jahren fuhr „Jan Klein“ ein letztes Mal durch die Krummhörn
Die Kleinbahn war viele Jahre ein fester Bestandteil der Krummhörn. Besonders in den Jahren nach dem Krieg brachte sie die Menschen aber vor allem näher zueinander.
Krummhörn - Sie hat die Menschen in der Krummhörn nicht nur von A nach B, sondern auch auf menschlicher Ebene näher zueinander gebracht. Die Rede ist von der Krummhörner Kleinbahn „Jan Klein“, die sich heute vor genau 60 Jahren ein letztes Mal auf den Weg von Emden über Pewsum nach Greetsiel machte. Am 25. Mai 1963 wurde der Betrieb der Kleinbahn ein für alle Mal eingestellt.
Was und warum
Darum geht es: das Ende der Krummhörner Kleinbahn „Jan Klein“
Vor allem interessant für: alle Krummhörner und diejenigen, die sich für lokale Geschichte interessieren
Deshalb berichten wir: die letzte Fahrt von „Jan Klein“ durch die Krummhörn jährt sich diese Woche zum 60. Mal. Die Autorin erreichen Sie unter: h.weiden@zgo.de
Ludwig Wolthoff aus Manslagt kann sich noch gut an die Fahrten mit „Jan Klein“ erinnern. „Jan Klein war ein fester Bestandteil der Krummhörn“, sagt der Hobby-Historiker im Gespräch mit dieser Zeitung. Der 72-Jährige sammelt alte Artikel und Fotos über Historisches aus seiner Heimat und hat sogar schon einige Bücher veröffentlicht. „Die Bahn hat die Menschen zusammengebracht und war ein Ort der Kommunikation, in dem sich die Menschen ausgetauscht haben - erst recht nach dem Krieg“, sagt er. „Wenn der Zug vorbeifuhr, sind alle stehengeblieben und sagten: ‚Da kommt unser Jan Klein!‘“
Emden brauchte Arbeiter aus der Krummhörn
Bereits 1889 wurde in Berlin der Bau einer Kleinbahnstrecke beschlossen - und die Strecke Emden-Pewsum bekam den Zuschlag. „In der Krummhörn gab es vorher nämlich gar keine Anbindung und die Straßen waren auch noch nicht so, wie man sie heute kennt“, sagt Ludwig Wolthoff. Die Menschen in der Krummhörn blieben in ihren Dörfern und viele von ihnen waren Selbstversorger. Die wirtschaftliche Beziehung zu Emden war zuvor eher schwierig gewesen, obwohl die Seehafenstadt gut weitere Arbeiter aus der Krummhörn hätte gebrauchen können.
Die Jungfernfahrt von „Jan Klein“ war am 27. Juli 1899. Zur Verfügung standen damals zwei Dampfloks, zwei Personenwagen, ein Gepäck- und Postwagen, zehn Güterwagen und einige Rollbockpaare. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern die Stunde verkehrte „Jan Klein“ damals fünf Mal täglich zwischen Emden und Pewsum. Ende August 1904 wurde beschlossen, dass die Strecke über Groothusen, Manslagt und Pilsum bis nach Greetsiel verlängert werden sollte. Mit der Eröffnung der neuen Strecke am 21. September 1906 kamen eine dritte Lok und weitere Wagen hinzu.
Krieg stellte Wende dar
Im Rahmen der Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren hatte die Kleinbahn mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu tun. Hinzu kamen erste Sanierungsstaus, so dass die Fahrgastzahlen drastisch zurückgingen. „Man senkte dann die Fahrpreise und durch die Anschaffung eines modernen Diesel-Triebwagens konnte man die Betriebskosten erheblich senken“, sagt Wolthoff. Im Jahr 1938 konnten so insgesamt 293.000 Fahrgäste gezählt werden. „Das war schon eine ganze Menge.“
Der Zweite Weltkrieg stellte eine entscheidende Wende in der Geschichte von „Jan Klein“ dar. „Die Emder Werften brauchten dringend Arbeitskräfte und die Soldaten mussten zu ihren Stellungen gebracht werden“, sagt Ludwig Wolthoff. Als nach den Bombenangriffen auf Emden unzählige Menschen evakuiert werden mussten, wurden viele von ihnen mit „Jan Klein“ in die Krummhörn gebracht. „Sie mussten dann auch später trotzdem wieder regelmäßig nach Emden, um zu arbeiten“, sagt Wolthoff. So wurden 1942 500.000 Fahrgäste gezählt.
Menschen fuhren zum Hamstern in die Stadt
Obwohl „Jan Klein“ nach dem Krieg in einem sehr maroden Zustand war, schossen die Fahrgastzahlen durch Hamsterkäufe deutlich in die Höhe. „Die Leute mussten zusehen, wo sie etwas zu Essen herbekamen, so dass der Verkehr deutlich zunahm. 1947/1948 hat es 970.000 Fahrgäste gegeben. Da wurden täglich an die 3000 Menschen befördert, teilweise in Viehwaggons.“ Gerade in diesen schweren Zeiten war ein „Jan Klein“ ein Ort der Kommunikation. Viele Menschen teilten das gleiche Schicksal und konnten sich auf der Fahrt durch die Krummhörn über ihre Sorgen austauschen.
1948 entspannte sich die Notlage der Bürgerinnen und Bürger in der Krummhörn: „Die Geschäfte waren wieder gefüllt, die Hamsterkäufe nahmen ab“, sagt Ludwig Wolthoff. Entsprechend sanken auch die Fahrgastzahlen und die Kreisbahn kam - erschwert durch die Währungsreform 1948 - in eine finanzielle Notlage. „Es blieb der Berufs- und Schülerverkehr. Und die hatten oft Sozialtarife, so dass die Kosten nicht abgedeckt werden konnten.“ In den 1950er Jahren kam erschwerend hinzu, dass Güter kaum noch auf der Schiene transportiert wurden - die LKWs nahmen „Jan Klein“ eine ihrer Aufgaben.
Viele Geschichten ranken sich um den Mythos
All das führte schließlich dazu, dass das Ende der Krummhörner Kleinbahn beschlossen wurde. „Die Menschen waren natürlich nicht begeistert darüber, dass ihnen ihr ‚Jan Klein‘ weggenommen werden sollte“, erinnert sich Wolthoff. „Bei der letzten Fahrt am 25. Mai 1963 füllten jede Menge Ehrengäste den Zug.“ An den Bahnhöfen standen Menschen, um ihrem „Jan Klein“ ein letztes Mal zuzuwinken.
Ludwig Wolthoff weiß noch viele Geschichten über die Legende „Jan Klein“ zu erzählen. „Die Bahn musste unterwegs oft anhalten, weil Kühe auf den Gleisen standen. Das war aber nicht schlimm, weil beim Wegtreiben der Kühe alle ihren Spaß hatten.“ Einer der Wagen diente regelmäßig als Behandlungszimmer, wenn ein „Knochenbrecher“ - heute würde man eher Chiropraktiker sagen - nach der Arbeit von Emden in die Krummhörn fuhr. Es soll angeblich sogar ein Abteil für Liebespaare gegeben haben. „Auch wir Schüler hatten immer unseren Spaß“, sagt Wolthoff. Die Jungen sind dem Zug oft hinterher gerannt oder haben mit Trillerpfeifen so getan, als wären sie einer der Schaffner. „Mein Herz hängt noch heute sehr daran“, sagt der 72-Jährige.
Jan Klein und Ostfriesland
Wenn man in Ostfriesland von "Jan Klein" spricht, dann ist je nach Standort eine andere Linie gemeint. Denn die Ostfriesen bezeichneten nicht nur die Kleinbahn von Emden nach Pewsum und später nach Greetsiel so. Auch die Kleinbahnen Leer-Aurich-Wittmund und Ihrhove-Westhrauderfehn wurden so genannt.
1898 wurde die Kreisbahn Aurich gegründet, die die Linie Leer-Aurich-Wittmund (LAW) betrieb. Ein Jahr später wurde der erste Teilabschnitt der Strecke in Betrieb genommen. Daraus ging die bis heute aktive Kreisbahn Aurich GmbH hervor, die Busse betreibt. Der Name "Jan Klein" ist noch im Logo zu finden.
Die Kleinbahn Ihrhove–Westrhauderfehn wurde von der gleichnamigen Betreibergesellschaft betrieben. Die erste Fahrt fand am 3. November 1912 statt.
Von Emden nach Greetsiel
Die Kleinbahnstrecke begann im Emder Kreisbahnhof nahe dem Staatsbahnhof Emden West (heute: Emden Hauptbahnhof), der 1935/36 aus der Haltestelle Larrelter Straße entstanden war. Aus dem amtlichen Namen der Emder Station resultierte der auf der Kleinbahn benutzte Bahnpoststempel „Emden–Larrelt–Greetsiel“, der auf den 1945 nach Emden eingemeindeten Vorort Larrelt weist, wo nie ein Bahnhof bestand. Dies war lediglich eine verkürzte Schreibweise für „Emden–Larrelter Straße–Greetsiel“.
Die Strecke führte durch die Landschaft Krummhörn über Hinte und Pewsum nach Greetsiel an der Leybucht.
Erinnerungen an "Jan Klein"
In der Krummhörn erinnern noch ein paar Gebäude und sogar ein kleines Denkmal an "Jan Klein". Dies steht am Ortseingang von Pewsum aus Richtung Emden kommend. Es wurde am 15. Oktober 2005 am Ortseingang an der ehemaligen Trasse der Bahn aufgestellt. Es handelt sich um eine Denkmallok, die aber mit der ehemaligen Bahnstrecke in keinem Zusammenhang steht.
In der Kleinbahnstraße in Greetsiel ist noch das Empfangsgebäude des ehemaligen Bahnhofs erhalten. Heute sind dort Wohnungen untergebracht. Die ehemalige Werkstatt des Lokschuppens wird von einem Mechanikerbetrieb und der ehemalige Lokschuppen von einer Gärtnerei genutzt.