Zunahme auch in Ostfriesland Kinderpornografie wird immer mehr zum Problem
Das Bundeskriminalamt sieht eine wachsende Zahl an Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Auch in Ostfriesland schlägt die Polizei Alarm. Die Beauftragte der Bundesregierung sieht die Justiz, aber auch Eltern in der Verantwortung.
Ostfriesland/Berlin - Von der Polizei erfasste Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern nehmen weiter zu. 2022 wurden 42.075 Fälle in Deutschland bekannt – und damit 7,4 Prozent mehr als 2021, wie das Bundeskriminalamt (BKA) am Dienstag mitteilte.
Das Thema beschäftigt auch die Polizei in Ostfriesland immer mehr: Die Inspektion Leer/Emden verzeichnete im vergangenen Jahr 144 Fälle im Zusammenhang mit Kinder- und Jugendpornografie – ein Vielfaches dessen, was die Beamten noch einige Jahre zuvor zu bearbeiten hatten. 2017 waren im Kreis Leer und der Stadt Emden noch 17 Fälle registriert worden.
Bei der Auricher Polizei spricht man von einem „Fass ohne Boden“
Eine deutliche Zunahme bemerkte in den vergangenen Jahren nach eigenen Angaben auch die Polizeiinspektion Aurich/Wittmund: Zuletzt verzeichnete sie in den Jahren 2021 und 2022 jeweils 121 Fälle von Kinder- und Jugendpornografie. 2020 waren es noch 73. Angesichts der oftmals aufwendigen Ermittlungen sprach Polizeioberrat Dirk Oidtmann kürzlich gar von einem „Fass ohne Boden“.
Bei der Polizeiinspektion Leer/Emden rechnet man mit einer weiteren Zunahme bei der Anzahl der Fälle. Für dieses Jahr sei ein Anstieg zu erwarten, sagte auch BKA-Präsident Holger Münch am Dienstag. Ein wesentlicher Grund hierfür sei die Tatsache, dass immer mehr Kinder und Jugendliche selbst Missbrauchsdarstellungen und jugendpornografische Inhalte besitzen, herstellen, erwerben oder über soziale Medien weiterverbreiten würden.
Beauftragte schlägt Änderung im Strafgesetzbuch vor
Viele Darstellungen würden auf Smartphones von Schulkindern kursieren, wie die unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, deutlich machte. Dabei sei bekannt, dass Minderjährige oft nicht zielgerichtet handelten, wenn sie vermeintlich „coole“ Bilder in Klassenchats teilten – sie seien deshalb auch keine „klassischen Straftäter“. Um der problematischen Entwicklung entgegenzuwirken, müsse der Fokus deshalb auch nicht auf strafrechtlichen Konsequenzen liegen, sondern auf medienpädagogischen Ansätzen: „Kinder und Jugendliche müssen in die Lage versetzt werden, das Material klar als sexuelle Gewaltdarstellungen einzuordnen und ihr eigenes Handeln (...) zu hinterfragen“, so Claus. „Hier sind vor allem Eltern und pädagogische Fachkräfte gefragt.“
Durch die Zunahme der Fallzahlen im Bereich Kinderpornografie, bei denen Kinder und Jugendliche selbst die „Täter“ seien, gebe es für die Polizei immer mehr zu tun. Entsprechend würden dann die Ressourcen fehlen, um echte Täter zu verfolgen, die kinderpornografisches Material erstellen und zu kommerziellen Zwecken verbreiten. Claus fordert deshalb eine Anpassung des entsprechenden Paragrafen 184b im Strafgesetzbuch: „Ziel muss sein, dass eindeutig ausbeuterische Taten zu Lasten von Kindern oder Jugendlichen weiterhin mit hohen Strafen geahndet werden, gleichzeitig aber Fälle mit geringem Unrechtsgehalt frühzeitig eingestellt werden können.“
Hunderte Kinder in Ostfriesland wurden 2022 Opfer von Gewalt
Wie das BKA weiter mitteilte, wurden im vergangenen Jahr 17.437 Kinder Opfer sexueller Gewalt, was ein gleichbleibend hohes Niveau sei. „In Deutschland werden also pro Tag 48 Kinder Opfer sexueller Gewalt“, sagte Münch.
Im Bereich der Polizeiinspektion Aurich/Wittmund wurden im vergangenen Jahr 275 Kinder Opfer von Gewalt – 23 Fälle mehr als im Vorjahr –, im Bereich der Inspektion Leer/Emden waren es 236 (2021: 314), wie die Polizeidirektion Osnabrück mitteilte. Ein eindeutiger Trend sei auf Basis dieser Zahlen nicht festzustellen, teilte Polizeisprecher Marco Ellermann mit. Sie würden sich im Langzeitvergleich auf einem gleichbleibenden Niveau bewegen. Für die Polizei gilt laut Ellermann aber: „Der Schutz von Kindern vor Gewalt und Kriminalität ist von zentraler Bedeutung.“
Mit Material von DPA