Was stimmt wirklich? Wir räumen mit fünf Klischees über Ostfriesland auf
Gegenüber den Ostfriesen und ihrer Heimat gibt es viele Vorurteile. Wir haben uns einige Klischees herausgepickt und prüfen diese.
Ostfriesland - Es gibt viele Vorurteile über Ostfriesland und seine Bevölkerung, vielleicht sogar mehr als gegenüber anderen Regionen Deutschlands. Immerhin sind viele der Klischees in eine eigene Witzekategorie verpackt.
Doch ob diese Bilder auch immer so stimmen? Wir haben fünf Stück genauer unter die Lupe genommen und auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft.
1. Ostfriesen sind stur und grummelig
„Durch die Witze über sie haben die Ostfriesen über viele Jahre die Fähigkeit entwickelt, über sich selbst zu lachen“, meint Rico Mecklenburg, Präsident der Ostfriesischen Landschaft. Willi Nessen findet sogar, dass seine Landsleute besonders viel Humor haben: „Früher hieß es immer ‚die sturen Ostfriesen‘, aber das sind wir schon längst nicht mehr“, meint der 49-Jährige.
Vor ein paar Jahren drehte der Norder mit einigen Freunden die Sketch-Reihe „Ostfriesen auf der Bank“. Dabei nahmen sie, ähnlich wie bei Ostfriesenwitzen, auch ihre Herkunft etwas auf die Schippe: Einer raucht Pfeife, der Zweite trägt einen gelben Friesennerz und der Dritte ein Fischerhemd – dabei hat diese Utensilien eher nicht jeder aus Ostfriesland zu Hause rumliegen.
2. Alle Ostfriesen trinken Ostfriesentee und das nach Tradition
Von wegen „Teatime“ – nicht die Briten sind die fleißigsten Teetrinker der Welt, sondern die Ostfriesen! Immerhin haben sie eine eigene Sorte: den Ostfriesentee. Der ist auch nicht nur hierzulande beliebt, sondern wird gerne als Geschenk oder Souvenir mitgebracht. Ob nun von Onno Behrends, Bünting oder Thiele, da scheiden sich die Geister. Und tatsächlich sind die Ostfriesen Teetrink-Weltmeister: „Im Schnitt trinkt jeder Ostfriese sieben Pfund Tee im Jahr, da können ihm in Europa höchstens noch die Iren das (Tee-)Wasser reichen“, schreibt der Verkehrsverein Aurich-Ostfriesland auf seiner Internetseite. Teetied sei in Ostfriesland sogar vier Mal am Tag.
Aber dabei muss es längst nicht für alle Ostfriesen nach Tradition gehen. „Ich trinke meinen Tee ohne Kluntje und ohne Sahne!“, betont ein Kollege aus der Redaktion. Eine andere Ostfriesin findet, entgegen der Vorschrift – erst Kluntje, dann Tee, dann Sahne und bloß nicht rühren: „Ich rühre immer, sonst ist mir das ein bisschen zu bitter.“ Es soll sogar Ostfriesen geben, die das traditionelle Getränk ganz verschmähen.
3. In Ostfriesland heißt es „Moin Moin“, oder?
Moin! – Das ist wohl eines der universellsten und in Ostfriesland meistverwendeten Wörter. Es steht stellvertretend für hallo, guten Morgen, guten Abend, in manchen Kommentaren wird es sogar als eine Art Weckruf mit einem Ausrufungszeichen ans Ende gestellt. Kurz und knackig, oder doch ein bisschen einsilbig?
Wer nicht aus der Gegend ist und es besonders gut meint, landet schnell bei einem munteren „Moin Moin“. Doch entgegen allen möglichen Souvenirs aus Ostfriesland, auf denen genau das steht, heißt es einfach nur „Moin“. Alles andere kann zu kritischen Blicken führen. Denn wie ein Kollege mal sagte: „Moin – mehr nicht. Ganz egal, auf wie viele Leute sich das bezieht!“ Grietje Kammler vom Plattdeutschbüro der Ostfriesischen Landschaft sieht das genauso: „Man sagt einfach nur ,Moin‘“, sagte sie bereits im vergangenen Jahr gegenüber dieser Zeitung. Oder wie der Ostfriese sagt: „‚Moin Moin‘ is schon Gesabbel.“
4. Plattdeutsch ist tot
Apropos Ostfriesenschnack: Entgegen vielen Annahmen ist das Plattdeutsche nicht tot. Gerade in der älteren Generation wird ostfriesisches Platt noch gerne gesprochen. Die Regionalsprache – ein Dialekt ist es nämlich nicht, wie Rico Mecklenburg weiß – wird durch das Plattdeutschbüro oder auch „Plattdüütskbüro“ und verschiedene Aktionen am Leben gehalten. So gibt es zum Beispiel den Verein Oostfreeske Taal mit seinen mehr als 1000 Mitgliedern oder auch Projekte wie „Platt is cool“.
Damit sich diese Ansicht auch bei der jüngeren Generation verbreitet und die Regionalsprache nicht ausstirbt, gibt es vom Plattdeutschbüro das Online-Lernspiel „Spööl di platt“ und die Sprachlern-App „Plattino“. Seit 2021 ist die App für alle Smartphones verfügbar. Bereits mehr als 10.000 Mal wurde sie heruntergeladen. Sie ermöglicht als erste das systematische Lernen auf Anfängerniveau. Nach Kategorien lernt man spielerisch einzelne Vokabeln und wird mit lustigen Zeichnungen von Teekannen belohnt, die jubeln, wenn man einen Bereich erfolgreich abgeschlossen hat.
5. Hier wird nur geboßelt
Gejubelt wird auch im Sport. In Ostfriesland gibt es eine Bandbreite an Sportarten. Entgegen dem Klischee wird auf der Halbinsel nicht nur geboßelt. Fragt man die Sportredaktion dieser Zeitung, ist „Fußball hier natürlich die Sportart Nummer eins“. Aber es gibt auch einige Vereine, die Handball, Volleyball und Tischtennis spielen. Mit den „Eastfrisian Ducks“ (übersetzt Ostfriesische Enten) kann Aurich sogar mit einer American-Football-Mannschaft aufwarten. Zudem werde Darts immer populärer.
Des Weiteren gebe es unzählige Tanztruppen in Ostfriesland. Dabei geht es nicht nur um Standard, Latein oder Hip-Hop, sondern auch um Line-Dance. Mehr als 70 Mitglieder des Vereins „Lonesome Rider Ostfriesland“ kommen von allen Ecken der Halbinsel zusammen und tanzen „zu Country-Music, aber auch zu aktuellen Liedern aus den Charts“, wie es auf ihrer Webseite heißt. Dabei stehe der Spaß im Vordergrund. Was man ebenfalls auf dem Schirm haben sollte, sind die verschiedenen Laufevents. „Das Sportevent schlechthin ist natürlich immer der Ossiloop“, weiß einer der Sportredakteure aus erster Hand, denn das ist bei ihnen die heiße Phase, in der sie regelmäßig ausrücken.
Fazit
Es scheint also hinter jedem Klischee ein bisschen Wahrheit zu stecken. Jedoch sind nicht alle auf jeden Ostfriesen und jede Ostfriesin anwendbar. So haben nicht alle ein Fischerhemd oder einen Friesennerz im Schrank. Nicht alle mögen Ostfriesentee und manche trinken ihn ohne Kluntje und Sahne. Es spricht auch nicht jeder fließend Platt oder trifft sich regelmäßig zum Boßeln. Der Mensch ist und bleibt eben individuell – auch in Ostfriesland.