Nasses Moor für besseres Klima In Wieserdermeer sollen Torfmoose wieder sprießen
Der Nabu möchte einen Teil des Kollrunger Moores in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Der Zeitplan ist eng, 2024 könnte es losgehen. Wären die Flächen nicht langfristig verpachtet.
Wiesedermeer - Es könnte die Chance sein, einen kleinen Teil des Raubbaus unserer Ahnen an der Natur rückgängig zu machen und einen wichtigen Beitrag zur Einhaltung von Deutschlands Klimazielen zu leisten: 48 Hektar Fläche des Kollrunger Moores in der Gemeinde Friedeburg sollen renaturiert werden. Geht es nach dem Naturschutzbund (Nabu) kann noch in diesem Jahr eine konkrete Projektplanung entstehen und schon 2024 könnte es losgehen. Der Friedeburger Bürgermeister Helfried Goetz (parteilos) hält diesen Zeitplan allerdings für wenig realistisch. Das Ziel aber sei eine Chance. In etwa zehn Jahren könnte das Hochmoor eigenständig und ohne eine zusätzliche Bewässerung von außen funktionieren. Erste Gespräche des Nabu, der Friedeburger Gemeindeverwaltung und der Wittmunder Kreisverwaltung dazu hat es gegeben.
Was und warum
Darum geht es: Das Kollrunger Moor in der Gemeinde Friedeburg könnte wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden.
Vor allem interessant für: jeden, der sich Gedanken über die Zukunft von Natur und Klima macht
Deshalb berichten wir: Die Projektidee wurde erstmals öffentlich vorgestellt. Die Autorin erreichen Sie unter: s.ullrich@zgo.de
Das Kollrunger Moor ist ein insgesamt 279 Hektar großes Naturschutzgebiet nördlich des Ems-Jade-Kanals auf der Grenze der Landkreise Wittmund und Aurich. Es ist ein wichtiger Lebens- und Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen: Das Gelände ist in großen Teilen Bestandteil des Europäischen Fauna-Flora-Habitat-Gebietes „Kollrunger Moor und Klinge“ und gehört zum Hochmoorkomplex der ostfriesischen Zentralmoore. Im Bereich Wiesedermeer gibt es eine noch weitgehend unberührte Torfbank. In anderen Bereichen wurde früher Torf abgebaut. Dazu wurde das Gebiet seit Jahrhunderten entwässert und hat sich dadurch stark verändert. Moorlandschaften bedeckten ursprünglich mehr als vier Prozent von Deutschland. Nur fünf Prozent dieser Flächen sind heute noch intakte Lebensräume in ihrer ursprünglichen Form. Der Rest wurde – wie auch vielerorts in Ostfriesland – entwässert, abgetorft und zu landwirtschaftlichen Flächen umgewidmet.
Warum wiedervernässen?
Der Nabu kämpft für den Erhalt und die Wiederherstellung des einzigartigen Lebensraumes Moor für selten gewordene Tier- und Pflanzenarten. Darüber hinaus sind Hochmoore gigantische Kohlenstoffspeicher. Sie können einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Etwa acht Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen sind laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Moor. „Zuletzt stammten etwa 53 Millionen Tonnen CO2-Emissionen und damit rund 6,7 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen aus der Zersetzung von Moorböden durch Entwässerungsmaßnahmen und Torfnutzung.“ Dieser Ausstoß soll schnellstens verringert werden.
Es gibt eine Zielvereinbarung zwischen Bund und Ländern: Bis zum Jahr 2030 sollen die Treibhausgasemissionen aus Moorböden um jährlich fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalent reduziert werden. Als wichtigste Maßnahme zur Einsparung von Emissionen wurde die Wiedervernässung von zuvor entwässerten Moorböden festgelegt. Das käme auch dem Wasserhaushalt sowie dem Hochwasserschutz zugute. Laut BMEL filtern Moore nicht nur Wasser, sie helfen bei Dürreperioden und Überschwemmungen zudem mit Verdunstungskühlung und Wasserrückhaltefunktion.
Was ist im Kollrunger Moor geplant?
Julia Krooß ist Portfoliomanagerin für den Klimafonds im Nabu-Bundesverband und kennt eine erste Planung für Wiesedermeer: Sie geht davon aus, dass die Wiesedermeerer Fläche ein Einsparpotenzial von insgesamt 219.000 bis 250.000 Tonnen CO2-Äquivalente birgt. Die genauen Untersuchungen würden erst dann von einem Planungsbüro aufgenommen, wenn das Projekt grünes Licht bekommt. Dann erst gebe es valide Kalkulationen, unterstreicht sie. Klar ist aber schon, dass die Rückumwandlung um die 425.000 Euro kosten soll. Das will der Nabu-Klimafonds übernehmen. Auch für die spätere Pflege des dann wieder nassen Moores werde es Mittel geben, kündigte Krooß an.
Die skizzierte auch, wie es funktionieren soll: Zunächst werde man die Entwässerung der Flächen beenden und die Drainagen kappen. Die Oberflächen sollen von Dünger und Saatgut gesäubert werden. Durch das Anlegen von Poldern entstehen in einem weiteren Arbeitsschritt Bereiche, in die Wasser eingebracht werden kann. Für die Torfmoose, die für den Aufbau der Moore verantwortlich sind, soll es extra Anzuchtbereiche geben. So kann der Wachstum schnellstmöglich und großflächig beginnen.
Was sagen die Friedeburger?
Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Die Friedeburger stellen für die Renaturierung ihres Hochmoores lediglich die Fläche zur Verfügung. Aber sie verzichten damit auch langfristig auf die Einnahmen durch ihre Pächter. Allerdings steckt der Teufel wie so oft im Detail: Die Flächen sind zur landwirtschaftlichen Nutzung an eine Handvoll Landwirte verpachtet. Die Verträge haben noch Restlaufzeiten von einigen Jahren, sagt Goetz der Redaktion auf Nachfrage. Gespräche mit den Pächtern gab es bislang nicht. Das Angebot des Nabu, diese zu führen, lehnte der Bürgermeister entschieden ab.
Noch ist also alles offen. „Es ist alles eine Ideenphase“, unterstreicht Goetz. Zunächst müssten sich die Mitglieder des Verwaltungsausschusses zum Für und Wider der Pläne der Pläne positionieren. Das geschieht unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Damit fällt auch die Entscheidung, ob die Pächter um eine Aufhebung ihrer Verträge gebeten werden. Wie aussichtsreich die Verhandlungen sein können, bleibt abzuwarten. Denn obwohl die Moorböden alles andere als ertragreich sind, haben sie für die Landwirte doch einen gewissen Wert: Sie erhalten für jeden Hektar, den sie bewirtschaften, eine Flächenprämie aus EU-Agrarfonds. Letztlich ist also nicht sicher, ob ein positives Signal von Politik und Verwaltung ausschlaggebend sein wird. Denn auf das Ende der Laufzeiten der Pachtverträge wartet die Umweltschutzorganisation nicht, machte Krooß unmissverständlich klar: „Wir haben eine gewissen Zeitdruck.“