„Neustart“ nach Corona Greetsieler Pastor nach drei Jahren „offiziell“ im Amt
Hartmut Lübben kam in einer harten Zeit nach Greetsiel. Jetzt ist die Corona-Pandemie vorbei, doch der Pastor sieht schon die nächsten Herausforderungen aufkommen.
Greetsiel - Es ist eine dieser Geschichten, die Corona geschrieben hat. Mitten in der Pandemie, im September 2020, trat Hartmut Lübben die Stelle als Pastor der evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Greetsiel an. Am vergangenen Wochenende wurde er offiziell ins Amt eingeführt, fast drei Jahre später.
Was und warum
Darum geht es: Die Kirchenmitglieder in Greetsiel sind erstmals in der Minderheit.
Vor allem interessant für: diejenigen, die sich für die Entwicklung gerade ländlicher Kirchengemeinden interessieren.
Deshalb berichten wir: Am Wochenende wurde Pastor Hartmut Lübben drei Jahre nach Amtseintritt offiziell ins Amt eingeführt. Wir haben ihn danach zum Gespräch getroffen. Den Autor erreichen Sie unter: c.hock@zgo.de
Ein paar Tage später kann Lübben darüber schmunzeln. Die „unfreiwillige Komik“ der späten offiziellen Amtseinführung mit Gottesdienst habe sich durch den Tag gezogen. „Es ist schwierig, eine Einführungspredigt zu halten, wenn man schon drei Jahre vor Ort ist“, sagt der 55-Jährige und muss lachen. Dennoch sei der offizielle Akt wichtig, auch als eine Art Neuaufschlag.
Erinnerung an eigenen Konfirmationsspruch
Es waren nicht unbedingt leichte drei Jahre in Greetsiel. Die Beschränkungen während der Corona-Pandemie machten vieles unmöglich. Hinzu kamen ab einem gewissen Punkt Sorgen, ob Lübben überhaupt ein „Pfarrhaus“ findet. Der geplante Neubau des Greetsieler Pfarrhauses musste wegen gestiegener Baukosten zu den Akten gelegt werden. Die Sorge ist jetzt vorbei, ein Haus wurde von der reformierten Kirchengemeinde gefunden und gekauft, die Umbauarbeiten an seiner neuen Wohn- und Wirkungsstätte laufen.
Jetzt ist es Zeit nach vorne zu blicken. „Die Amtseinführung war kein ‚Strich drunter‘“, sagt Lübben. Die vergangenen drei Jahre mit all den guten, aber auch anstrengenden Zeiten könne man nicht einfach wegwischen. Da fühlt sich Lübben an seinen eigenen Konfirmationsspruch erinnert. „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ (2. Kor 5,17)
Ortsgemeinde schrumpft „rasant“
Das Alte bis zu einem gewissen Grad loszulassen und sich auf Neues einzulassen: Das sieht Lübben auch als Herausforderung für die Kirche allgemein an. „Der Ausnahmezustand mit Corona scheint vorbei“, sagt er. „Aber die Kirche befindet sich weiter in rauer und stürmischer See“: sinkende Mitgliederzahlen bei den Kirchengemeinden, weniger finanzielle Mittel und auch weniger „Manpower“, um das Gemeindeleben zu gestalten. „Wir, die Kirchengemeinden, werden uns von manchem, was wir gewohnt sind, verabschieden müssen“, sagt Lübben.
Er nimmt die Greetsieler Gemeinde als Beispiel für einen bundesweiten Trend. „Wir schrumpfen rasant“, sagt Lübben. Hatte die Kirchengemeinde im vergangenen Herbst rund 780 Mitglieder, seien es aktuell noch ungefähr 730 Mitglieder. Die Gründe? Mehr Sterbefälle als Taufen, Kirchenaustritte – und Wegzüge. „Letzteres wiegt hier in Greetsiel schwer“, sagt Lübben. „Wir haben viele Greetsieler in anderen Orten der Krummhörn, die auch noch hier arbeiten. Aber eben offiziell keine Gemeindemitglieder sind.“
Der Inhalt bleibt, die Form ändert sich
Mit 730 Gemeindemitgliedern sind die evangelisch-reformierten Christen in Greetsiel auch zum ersten Mal seit Bestehen der Bundesrepublik in der Minderheit. „Greetsiel hat ungefähr 1500 Einwohner und erstmals sind weniger als die Hälfte davon auch Teil der Ortsgemeinde“, sagt Lübben. „Das macht was mit uns“, sagt Lübben auch mit Blick auf die bundesweiten Zahlen, die sich ähnlich entwickeln. Was genau, das werde die Zukunft zeigen. Da gehe es aber auch schon um ganz banale Dinge wie der nötige Neuanstrich der Fenster der historischen Greetsieler Kirche. Wenn weniger Geld zur Verfügung steht, weil weniger Kirchensteuer gezahlt wird, dann können selbst kleinere Reparaturen zu Herausforderungen werden. Vom Erhalt historischer Kirchen mal ganz zu schweigen.
Aber auch im Miteinander stehe man vor neuen Zeiten. „Ich bin erstmal Seelsorger für alle“, sagt Lübben. Ob nun die Menschen formell der ev.-ref. Kirche angehören oder nicht, sei dabei zweitrangig. „Es haben sich in den vergangenen drei Jahren auch viele Kontakte über die Grenze der Ortsgemeinde hinaus entwickelt“, sagt er. Auch Touristen würden hier eine Rolle spielen. „Manchem fällt erst im Urlaub, in der Ruhe auf, dass er vielleicht etwas Seelsorge braucht“, sagt Lübben. „Es sind Menschen, die glauben, die die Kirche ausmachen“, sagt der Pastor. Daher mache er sich um den christlichen Glauben, um quasi den „Inhalt“, keine Sorgen. Aber die Form, die werde sich ändern, werde sich ändern müssen. „Aber auch da bin ich nicht verzweifelt“, sagt er.
Eine Schublade voller Ideen
In Greetsiel sieht sich Lübben auf einem guten Weg. „Ich denke, ich bin so gut angekommen, wie es unter den Bedingungen möglich war.“ Jetzt gehe es vermehrt in die Umsetzung von Ideen. Die Gottesdienstwerkstatt sei so eine Idee. Hier werden Gottesdienste zusammen mit den Gläubigen vorbereitet. Die wöchentlichen „Wortspiele“, bei denen Lübben zusammen mit Gemeindemitgliedern und Gästen über die Predigt für den nächsten Gottesdienst spricht, sind eine andere Idee. Nicht alle funktionieren dabei so, wie geplant. Die Wortspiele seien eigentlich auch eine Einladung an Gäste, aber in der Praxis kämen doch meistens vor allem Mitglieder der Ortsgemeinde. „Da muss man einfach überlegen, wie man das entwickelt.“
Hier schließt sich der Kreis zur Frage nach der „Manpower“. Die Bereitschaft oder vielmehr die Zeit für Ehrenamt werde immer weniger. Mittlerweile könne er aber realistischer einschätzen, wo die Möglichkeiten und wo die Grenzen in Greetsiel liegen. Welche Ideen Lübben als nächstes umsetzen will, das verrät er nicht. „Aber meine Schubladen liegen voll mit Ideen“, sagt er und muss grinsen. Auf die weitere Arbeit in Greetsiel, zwischen Ortsgemeinde und Touristen freue er sich auf jeden Fall.