Einem 67-Jährigen rettete ein Defi kürzlich das Leben. Aber traut man sich, ihn zu nutzen? Wir nehmen Sie mit zu einem Kurs – danach ist die Sorge weg, versprochen.
Landkreis Leer - „Alle weg vom Tisch!“, ruft einer, dann löst der Defibrillator aus. Wildes Piepen der Maschinen im Hintergrund, alle laufen durcheinander, laute Kommandos. Solche Szenen aus Krankenhausfilmen oder -serien hat wohl jeder schon gesehen. Stress. Purer Stress. Das mag mit hineinspielen in das mulmige Gefühl, das mich beschleicht, wenn ich daran denke, einmal selbst einen Defibrillator einsetzen zu müssen. Oder es liegt an der Sorge, Schaden anzurichten. Bevor ich beim Erste-Hilfe-Kurs des DRK-Kreisverbands Leer in Detern ankomme, gehe ich diese Gedanken durch. Ich frage mich, wie es wohl den anderen Teilnehmern damit geht. Ähnlich, werde ich erfahren. Aber auch, wie schnell sich das ändert.
Was und warum
Darum geht es: Beim Gedanken daran, selbst einen Stromstoß mit einem Defibrillator auszulösen, wird wohl so manchem mulmig. Zeit, es zu probieren und die Sorge auszuräumen.
Vor allem interessant für: alle, denn jeder kann in die Situation kommen, helfen zu müssen
Deshalb berichten wir: Immer mehr Einrichtung, zum Beispiel im Rheiderland, bekommen die Geräte.
Die Autorin erreichen Sie unter: v.vogt@zgo.de
In Bildern und in Worten erklärt das Gerät, was zu tun ist. Foto: Ortgies
Fest steht: Defis retten. Erst kürzlich wurde einem 67-Jährigen am Rande eines Fußballturniers in Papenburg damit das Leben gerettet. Mulmig hin oder her. Wenn es solche Nachrichten nicht wert sind, sich mit dem Thema Defi auseinanderzusetzen, weiß ich es auch nicht. Und die Region rüstet weiter auf. In Ostfriesland gibt es immer mehr AED (Automatisierte externe Defibrillatoren). Also die, die jeder benutzen kann. Sie sind in Banken, Schulen, Feuerwehren, bei Sportvereinen und in anderen öffentlichen Gebäuden zu finden. Kürzlich hat zum Beispiel die St.-Josef-Gemeinde in Weener einen bekommen. Gibt es so einen bei Ihrer Arbeit, Ihrem Verein, fragen Sie sich? Das verrät ein grünes Schild mit weißem Herz samt Blitz und einem Kreuz. Das zeigt, dass ein Defi in der Nähe ist.
Sicherheit vom unbekannten Wesen
Kerstin Rabenberg führt vor, wie das Gerät funktioniert. Foto: Ortgies
Beim Erste-Hilfe-Kurs in Detern ist natürlich einer da. Das Gerät gehört dazu, wie die Faustregeln, um die es zunächst geht. Wenn jemand am Boden liegt, ansprechen – laut. Antwortet er oder sie nicht, atmet aber normal, heißt es stabile Seitenlage. Atmet derjenige, dem man helfen muss, nicht, müssen die Herzdruckmassage und eine Beatmung folgen. 30 Mal drücken, zwei Mal beatmen. Klappt die Beatmung nicht, weitermachen mit der Druckmassage. Zur Melodie von „Staying alive“ oder auch „Highway to hell“. Beides scheint irgendwie makaber, aber es bringt ein wenig Erleichterung, wenn in der Runde gekichert wird, während man über belastende Situationen zwischen Leben und Tod spricht. Da sind wir auch schon bei einer Kernaussage, die man aus einem solchen Kurs mitnimmt: Wenn man irgendetwas unternimmt, ist das gut. Und besser, als wenn man aus Unsicherheit weiterfährt oder -geht. „Eine gebrochene Rippe vom Druck überlebt man“, sagt Rabenberg. Wenn keiner helfe, tue man es vielleicht nicht.
So sieht der Defibrillator aus: Kerstin Rabenberg zeigt den Helfer in der Not. Foto: Ortgies
Und die Pointe: Nicht nur der Notruf kann einem Sicherheit geben, wenn man Ersthelfer ist. Ausgerechnet der Defibrillator, der viele besonders unruhig macht, ist ein Helfer: „Wenn er in erreichbarer Nähe und man selber mindestens zu zweit ist, tut euch und der Person am Boden den Gefallen und holt ihn“, sagt Rabenberg. Einer müsse durchgehend die Herzdruckmassage vornehmen und beatmen. „Staying alive“.
Öffnet man den Koffer des Defis gibt es Rasierer und Tücher, damit die Elektroden richtig kleben können. Grob kann man sagen, eine unter dem Schlüsselbein, die anderen unter der Achsel. Aber, keine Sorge: Es gibt mehrere Bilder, die genau zeigen, wohin sie gehören.
Das kann man nicht versauen
Die Bilder zeigen, wo die Elektroden hingehören. Foto: Ortgies
Der Clou: Der Defi führt einen mit gesprochenen Anweisungen Schritt für Schritt weiter. Gelesen hatte ich das schon einmal in Medienberichten. Aber hilft das wirklich? Ja. In Detern legt die Maschine los: „Kontrollieren Sie den Sitz der Elektroden“, sagt sie zum Beispiel, als sie merkt, dass etwas nicht stimmt. Klebt alles an Ort und Stelle, schreibt der Defi sofort ein EKG. Das Beruhigendste, was ich mir vorstellen kann. Denn die Frage, wie man weitermachen soll, ist geklärt. Der Defi sagt es einem. Ist da ein Herzschlag: alles gut. Ist keiner da: weitermachen mit der Druckmassage und Beatmung (auch das sagt der Defi).
Ist es an der Zeit, wird er den Schock vorbereiten. Und er wird Sie wegschicken. Mehrfach. Und runterzählen. Also keine Angst vor dem Strom. „Das kann man ja gar nicht versauen“, entfährt es einer Kursteilnehmerin neben mir. Nach dem Kurs muss ich sagen: Da hat sie wohl recht.
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