Serie „Fehntjer Geschichte(n)“ So fing auf dem Fehn alles an
Wer etwas über die Geschichte Großefehns erfahren will, kann das Fehnmuseum „Eiland“ besuchen. Dort erfährt er unter anderem etwas über findige Vorfahren und erfolgreiche Unternehmer.
Großefehn - Fehn in Ortsnamen bezeichnet im niederdeutschen Raum eine morastig-sumpfige Niederung oder ein Moor. Also bedeutet Großefehn, auf Platt Grootfehn, „großes Moor“.
Aber hinter diesem Namen steckt viel mehr, und das lässt sich nicht in einem Satz erklären. Wer mehr darüber wissen will, ist im Fehnmuseum „Eiland“ in Westgroßefehn genau richtig. Denn dort treffen sich regelmäßig Experten. Sie setzen bei der Wahrung der Fehntjer Geschichte nun auch auf moderne Technik.
Emder Kaufleute spielten wichtige Rolle
Einer, der viel vom Fehn erzählen kann, ist Mühlenbesitzer Heyo Onken. Das überrascht nicht, denn seine Familie ist eng mit der Geschichte des Landstriches verbunden. Die Produkte der Onken’schen Mühle wurden bis 1945 noch auf Schiffe verladen, die im Kanal vor der Mühle anlegten. Genau das machte die Fehndörfer über die Jahrzehnte aus: Die Bewohner bauten Kanäle, entwässerten auf diese Weise das Moor und schufen Verkehrswege.
Eine wichtige Rolle dabei spielten Emder Kaufleute. Weil zunehmend mehr Torf als Brennstoff benötigt wurde, begannen sie mit der planvollen Erschließung der Hochmoore. „1633, nach dem 30-jährigen Krieg, hatte Emden kein Brennmaterial mehr, das haben dann die Fehntjer geliefert“, erzählt Heyo Onken. Ein Gedenkstein erinnert heute an die Gründerzeit des Fehns.
Blütezeit von 1820 bis 1880
Der Torf wurde auf Schiffen transportiert. An beiden Seiten des Kanals entwickelten sich dann Siedlungen, die Fehne. Auch wenn die Blütezeit des Torfhandels und Schiffsverkehrs längst vorbei ist, merkt man den schmucken Dörfern noch heute an, dass die Fehntjer sich wirtschaftlich und kulturell stets weiterentwickelt haben.
Die ersten Kolonisten, die das Moor urbar machten, waren oftmals findige Leute, die aus den Bauerndörfern stammten. Sie konnten damals auf der Grundlage von Erbpachtverträgen eine Fläche am Kanal bekommen, meistens zwischen zwei und vier Hektar. Damals wurde sehr viel Torf abgebaut. Die Transporte per Schiff auf dem Kanal nahmen stetig zu. In der Blütezeit von 1820 bis 1880 entstanden wegen des hohen Bedarfs 15 Schiffswerften auf dem Fehn. An Material für die Schiffe verwendeten sie vornehmlich Eichenholz von Bäumen, die eigens auf den Wallhecken angepflanzt wurden.
„Die Fehntjer können alles brauchen, hieß es damals“
In Timmel gab es sogar eine Seefahrtschule. Die Handelsbeziehungen der größeren Segelfrachter reichten bis nach Südamerika. Es entstanden viele Kapitänshäuser, die zum Teil heute noch zu bewundern sind. Die Kähne fuhren bis Emden und ins Rheiderland im Landkreis Leer hinauf. Über die Ems belieferten sie Ziegeleien mit dem Brennmaterial Torf. Auf ihrer Rücktour brachten sie Ziegel mit, aber auch Schlick aus der Ems sowie Mist von Pferden und Kühen – wichtige Nährstoffe für die Kultivierung der kargen Moorböden. Die Felder wurden so fruchtbar gemacht. Heyo Onken: „Die Fehntjer können alles brauchen, hieß es damals.“
Doch die Blütezeit mit dem Torfhandel endete, als sich zunehmend Öl als Heizmittel durchsetzte. „Ein Liter kostete damals nur sechs Pfennige“, berichtet Onken. Der Transport verlagerte sich mehr und mehr auf die Straße, per Lkw. Onken: „Seilschiffe kamen aus der Mode.“ Der Brennstoff Torf ist es indes noch nicht ganz, es gibt Relikte. So wird der Ringofen in der Ziegelei Nenndorf (Landkreis Wittmund) noch heute mit Torf geheizt. Auch in Gartenbaubetrieben wird er noch eingesetzt, was allerdings umstritten ist. Moore gelten heute als ideale CO2-Speicher; die Landesregierung spricht sich gegen weiteren Torfabbau aus.
Unternehmer Rolf „Tullum“ Trauernicht
„Wir haben uns immer den Veränderungen gestellt“, sagt Onken. Auch wenn die Kanalkähne heute verschwunden und der Torfabbau weitestgehend eingestellt sind, eines ist geblieben: Die Fehntjer sind Menschen, die sich reinknien. Sie sind geschäftstüchtig, ob im Handwerk, Handel oder im Transportwesen. Viele mittelständische Unternehmen, Firmen wie Bohlen & Doyen oder Trauco, zeugen auch heute noch davon.
Der 2017 verstorbene Unternehmer Rolf „Tullum“ Trauernicht etwa wurde als Ältester von zwölf Kindern des Binnenschiffers Focke Trauernicht geboren. Er war mehrere Jahre auf dem Binnenschiff seines Vaters unterwegs. Ab 1945 wurde er selbstständiger Binnenschiffer und gründete 1949 die Baustoffhandlung Trauco – bis heute ein florierendes Unternehmen. „Tullum waren das Transportwesen und gute Straßen immer wichtig. Deswegen hat er auch den Lückenschluss für die Autobahnanbindung vorangetrieben“, erzählt Heyo Onken. „Tullum hat immer gesagt: Wir brauchen Transportwege, Straßen, um nicht abgehängt zu werden.“ Trauernicht wurde fast nur mit seinem Spitznamen „Tullum“ angeredet. Nach seinem Tod wurde in Großefehn die Straße, an der seine Wohnung und sein Großhandel liegen, in Tullumstraße umbenannt.
14 Dörfer und 14.400 Einwohner
Das Fehnmuseum „Eiland“ (das Gebäude steht auf aufgefahrener Erde) mit seinem Café spricht viele Menschen an. Es ist ein beliebtes Ausflugsziel. Im Moment sind die Mitarbeiter dabei, alte Bücher und Sippenbücher zu digitalisieren. Da gibt es bei 14 Dörfern und 14.400 Einwohnern in der Gemeinde Großefehn einiges zu tun.
Die ersten Bücher sind schon digital einsehbar. Das Fehnmuseum gehört der Gemeinde und soll Schritt für Schritt erweitert werden. Auch die Reihe der Zeitzeugen-Interviews soll fortgesetzt werden. Heyo Onken interviewt dabei in seiner unnachahmlichen Weise ältere Fehntjer Bürger, die viel zu erzählen haben – natürlich auf Platt. Informationen dazu gibt es im Internet unter www.fehnmuseumeiland.de.
Gute Verkehrswege sind den Fehntjern heute noch wichtig. So kämpfen viele von ihnen für die Bundesstraße 210n, die sie „Infrastrukturprojekt für die Zukunft Ostfrieslands“ nennen. „Die Straße wird kommen“, davon ist Hinrich Tjaden, Vorsitzender des Fördervereins B210n und 2. Vorsitzender des Fehnmuseums, überzeugt. „In manchen Orten zählen wir 6000 Autos pro Tag, wir brauchen eine neue B 210 als Entlastung“, sagt er. Doch das ist eine andere Geschichte – so wie viele Besonderheiten, über die wir in den kommenden Wochen in einer Serie über Großefehn berichten werden.