Nutzung des EEZ Aurich verzichtet trotz Finanznot auf Miete für Lehrküche
Das Zentrum für nachhaltige Ernährung ist seit zwei Jahren nicht mehr in Sandhorst ansässig. Jetzt soll sich dort ein Nachfolgemodell etablieren − zunächst unter wirtschaftlich entspannten Bedingungen.
Aurich - Die Aufklärung über gesunde Ernährung ist nicht zum Nulltarif zu haben. Doch welche Bedingungen sind angemessen? Was darf es kosten? An dieser Frage scheiden sich die Geister − auch in Aurich. Derzeit verhandelt die Stadt mit der Landwirtschaftskammer über die Bedingungen für eine Anmietung der Lehrküche im Energie-Erlebniszentrum (EEZ) in Aurich-Sandhorst. Die vier hochmodernen Kochinseln samt Seminarräumen werden seit März 2022 von der Landwirtschaftskammer genutzt. Ein Team um Anna Müller bietet dort ein Ernährungsbildungsprogramm an, das Zug um Zug ausgeweitet werden soll. Laut Bürgermeister Horst Feddermann (parteilos) ist ein Vertragsentwurf aufgesetzt worden, der zur Unterschrift beim Landwirtschaftskammer-Geschäftsführer Dr. Rolf Bünte liegt. Zu Details wollte sich der Verwaltungschef nicht äußern. Auf Nachfrage räumte er aber ein, dass die Landwirtschaftskammer bisher keine Miete für die Nutzung der Räume gezahlt habe. „Es kann sein, dass die rückwirkend entrichtet wird. Wir müssen noch schauen, wie wir das regeln. Wir machen als Stadt derzeit keinen Verlust, weil die Kammer im EEZ ist.“
Die Küche ist bis vor zwei Jahren vom Zentrum für nachhaltige Ernährung (ZnE) genutzt worden. Das von der Rut-und Klaus-Balsen-Stiftung gegründete Institut wollte durch Kurse ein besseres Bewusstsein für Ernährung schaffen. Das ZnE ist im Sommer 2021 aus finanziellen Gründen von Bürgermeister Horst Feddermann (parteilos) geschlossen worden − in einer Nacht- und Nebel-Aktion, die später von der Politik kritisiert wurde, weil sie sich übergangen fühlte. Damals hatte der Verwaltungschef argumentiert, dass die Stadt außer einer Miete und Nebenkosten in Höhe von 50.000 Euro jährlich noch 125.000 Euro für das Personal hätte zahlen müssen, falls die Stiftung das Institut weiter betreibt. Die hatte zehn Jahre lang die Personalkosten getragen. Damals waren die Finanzen offenbar ausschlaggebend für die Entscheidung der Stadt, aktuell tritt dieser Aspekt offenbar in den Hintergrund. Horst Feddermann warnt sogar im Gespräch mit der Redaktion davor, „zu sehr auf dem Thema Geld rumzuhacken“: „Für uns steht das breite Angebot im Mittelpunkt, das künftig der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird.“
Im Frühjahr 2022 hatte Bürgermeister Horst Feddermann (parteilos) als Nachnutzer die Landwirtschaftskammer gewonnen. „Wir haben etwas mehr als ein Jahr als Anlaufphase genutzt“, sagt Dr. Rolf Bünte auf Anfrage der Redaktion. Man habe prüfen müssen, ob das Nutzungskonzept tragfähig sei. Die Landwirtschaftskammer will im EEZ Kurse für Hauswirtschafter, Migranten und Menschen mit Beeinträchtigungen anbieten. In den vergangenen Monaten gab es unter anderem bereits einen Grundlagenkursus Hauswirtschaft für geflüchtete Frauen sowie Vorbereitungslehrgänge zum Hauswirtschafter. Außerdem ist das ehemalige ZnE für Fortbildungen der Mitarbeiter genutzt worden. Bei eher internen Angeboten soll es aber nach dem Willen von Horst Feddermann nicht bleiben: „Wir wünschen uns, dass es ein permanentes Angebot für alle Auricher wird. Das Thema Ernährung ist gerade in der heutigen Zeit sehr wichtig geworden. Wir wollen versuchen, eine Begegnungsstätte zu schaffen, in der sich Bürger, Freunde, Vereine, Verbände und andere Organisationen treffen können, um sich im Bereich Ernährung weiterbilden zu lassen.“ Die neue Einrichtung soll nach seinem Willen auf möglichst breite Füße gestellt werden.
Name ist durch die Stiftung geschützt
Wie soll sie künftig heißen? Dazu konnte Horst Feddermann ebenso wenig sagen wie Dorina Munzel. Die Ökotrophologin ist bei der Landwirtschaftskammer für den Bereich Ernährung und Hygiene zuständig. Man taste sich in diesem Bereich noch vor. Intern sei von der „Lehrküche“ die Rede, wenn es um den Bereich Kochen und Lebensmittel im EEZ gehe. Die frühere Bezeichnung Zentrum für nachhaltige Ernährung sei sehr sperrig gewesen. Der Name ist im Übrigen auch durch die Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung geschützt. Diese hat im vergangenen Jahr ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert. Sie gilt als eine der frühen bundesdeutschen Unternehmerstiftungen. Klaus und Rut Bahlsen waren in Sachen Ernährung und Natur Visionäre. Sie statteten die Stiftung mit 100 Millionen Euro aus. Ob das Zentrum für nachhaltige Ernährung an einem anderen Ort wiederaufgebaut worden ist, konnte eine Sprecherin der Stiftung auf Anfrage der Redaktion nicht beantworten. Es hieß nur, dass mehr als 690 Projekte seit 1972 gefördert worden seien.
Dazu zählen auch etliche Kampagnen, die sich an Kinder und Jugendliche wenden. Diese Zielgruppe möchte die Landwirtschaftskammer ebenfalls erreichen. Im Juni gab es deshalb die Veranstaltung „Goodbye, Hotel Mama“. Man wollte Jugendlichen und jungen Menschen Alltagskompetenzen vermitteln. Sie sollten nach dem Auszug von zu Hause auf das Leben in der eigenen Wohnung vorbereitet werden. Wie bereite ich ein Dinner schmackhaft zu? Wie schaffe ich es, meine Klamotten so zu waschen, dass sie in Form bleiben? Fragen wie diese sollten bei dem Kursus geklärt werden. „Wir haben gemerkt, dass wir diese Zielgruppe mit einem Seminar nicht erreichen“, sagt Dorina Munzel. Man wolle jetzt sehen, wie man durch die Kooperation mit Schulen schneller ans Ziel komme.