Kamera im Straßenverkehr Wenn eine Dashcam einen Unfall filmt
Bei einem Verkehrsunfall ist die Schuldfrage nicht immer leicht zu klären – dabei geht es um viel Geld. Deswegen haben manche Fahrer Kameras in ihren Fahrzeugen installiert. Macht das alles einfacher?
Ostfriesland - Schwerer Verkehrsunfall, zwei beteiligte Fahrzeuge und beide Fahrzeugführer schieben dem jeweils anderen die Schuld zu. Bei solch einem Streitfall ist es ohne Zeugen manchmal eine riesige Herausforderung, den Unfallhergang zusammenzufügen.
Was und warum
Darum geht es: Bei der Nutzung von Dashcam-Aufnahmen muss man vorsichtig sein, denn es kann hohe Reparaturkosten sparen oder einen erst recht zur Kasse bitten.
Vor allem interessant für: Fahrzeugführer, die sich bei einem Unfall nicht auf Zeugenaussagen, sondern auf Video-Beweise stützen wollen
Deshalb berichten wir: In den sozialen Medien kursieren viele Videos von Verkehrsunfällen, die aus einem Auto aufgenommen wurden. Wir wollten wissen, was es damit auf sich hat. Den Autor erreichen Sie unter: l.loeschen@zgo.de
Eine kleine Kamera – auch Dashcam genannt – kann im oder am Fahrzeug angebracht werden und den Straßenverkehr sowie alles drumherum bei der Fahrt aufzeichnen. Eine Aufnahme kann auch rückwirkend gespeichert werden. Aber wie steht es um den Datenschutz? Wann kann das Material der Dashcam im Streitfall herangezogen werden? Und wie viel Geld kostet eine vermeintlich gute Kamera? Die Redaktion hat sich umgehört.
Datenschutz: Das sagen Polizei und Land Niedersachsen
„Dashcams fallen, so wie jede Videoüberwachung auch, unter das Datenschutzgesetz“, schreibt Pressesprecherin Svenia Temmen von der Polizeiinspektion Leer/Emden auf Nachfrage. Somit ist die „permanente und anlasslose Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens“ rechtswidrig. Das Land Niedersachsen definiert anlasslos folgendermaßen: Eine Dashcam, die die ganze Zeit aktiv filmt und ihren Speicher erst überschreibt, sobald dieser vollläuft. Das gilt auch beim Parken. Für eine anlassbezogene Aufnahme muss es einen Auslöser geben, also beispielsweise ein Unfall oder eine „kritische Verkehrssituation“, wie Temmen es formuliert. In diesem Moment kann der Nutzer sich auf seine Rechtsgrundlage in der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) berufen. Sein Interesse an den Aufnahmen als Beweismittel überwiegt dann die der anderen Verkehrsteilnehmer.
Sogenannte Vorabaufzeichnungen, die bis zu 30 Sekunden in die Vergangenheit reichen und sich dann löschen, sind selbst anlasslos erlaubt. So ist es Nutzern möglich, einen Unfall auch noch im Nachhinein rückwirkend abzuspeichern. Eine automatische Sicherung der Kamera – beispielsweise bei einer starken Bremsung – ist erlaubt. Sollte nichts passiert sein, muss die Aufnahme jedoch gelöscht werden. Ähnlich ist es beim Parken, wobei Bewegungen am Fahrzeug nicht als Auslöser angesehen werden. Ein erstmaliger Verstoß gegen die DS-GVO kann eine Geldbuße von 500 Euro nach sich ziehen.
Aufnahmen vor Gericht: Das sagen Anwälte
Aufnahmen einer Dashcam wurden schon in der Vergangenheit vor Gericht als Beweismittel zugelassen. „Bei entsprechender Darlegung des berechtigten Interesses an der Verwendung stellt dies heute kein Problem dar“, schreibt Christoph Heinrichs auf Nachfrage. Er ist Fachanwalt für Verkehrsrecht in Wiesmoor und hat schon mehrfach Verfahren betreut, in denen solche Aufzeichnungen zum Einsatz kamen. Generell sei es ein „komfortable Position“ für die unschuldige Person, wenn eine Aufzeichnung – ob von einer Dashcam oder einer stationären Überwachungskamera – existiere. Das Gericht könne sich den Sachverhalt zudem auch genau vor Augen führen. Allerdings muss der eigene Mitschnitt nicht immer die eigene Unschuld beweisen. Heinrichs erinnert sich an einen Fall zurück, bei dem das Videomaterial den Dashcam-Nutzer noch mehr belastete.
Muss man in solchen Fällen immer die Aufnahmen zur Verfügung stellen? „Nein“, sagt der Leeraner Rechtsanwalt Ulf Nannen im Gespräch. Doch das erwecke vor Gericht meist den Verdacht, dass man etwas zu verbergen hätte. Zudem spreche man hier schnell von einer Beweismittel-Vereitelung. Bei schweren oder „tödlichen Unfällen kann aber die Polizei die Fahrzeuge beschlagnahmen. Das betrifft dann auch die Dashcam“, ergänzt Nannen.
Beide Anwälte würden dennoch nicht zu einer Dashcam im Auto raten, da es schnell zu einem Verstoß gegen die Datenschutz-Richtlinien kommen kann. Rechtsanwalt Nannen dazu: „Besonders im Ausland muss man aufpassen!“ Denn in jedem Land gelten unterschiedliche Regelungen, was das Filmen mit den Mini-Kameras angeht. Und diese würden ständig geändert werden.
Unfallanalyse: Das sagt ein Kfz-Sachverständiger
Für die Arbeit von Johannes Bley sind Dashcams ein wahrer Segen. Der Kfz-Sachverständiger kann mithilfe von Videoaufnahmen ein genaueres Urteil bei der Unfallanalyse liefern. „Es ist wichtig zu wissen, wie der Erstkontakt zu Stande kam“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Auch die anderen Unfallfaktoren ließen sich mit Filmmaterial einfacher bewerten. „Sie erleichtern unsere Arbeit“, fasst der Gutachter aus Aurich zusammen.
Dass die Dashcams bisher nur so wenig vertreten sind, kann Bley nicht verstehen. Er wünscht sich mehr Kameras auf den ostfriesischen Straßen.
Erfahrung und Kaufberatung: Das sagen Dashcam-Nutzer
Die meisten Nutzer haben vor dem Kauf einer Dashcam unangenehme Erfahrungen im Straßenverkehr gemacht. Ob ein Beinahe-Unfall und das zu große Ego eines anderen Verkehrsteilnehmers. Diedrich Saathoff aus Aurich nutzt Dashcams schon seit 2017. Kurz vorher hatte der 69-Jährige Ärger auf der Autobahn in der Nähe von Hamburg: „Ein anderes Auto hatte mich überholt und danach immer wieder ausgebremst.“ Seitdem ist er vorne sowie hinten an seinem Fahrzeug mit einer Kamera ausgestattet. Einen Unfall hatte der Auricher noch nicht vor der Linse.
Finn Harders aus Hinte ist mit seinen 21 Jahren noch nicht lange Autofahrer, doch auch er hat sich vor Kurzem eine Auto-Kamera zugelegt. Ihm fallen die immer rücksichtsloser werdenden Autofahrer auf, von denen im Internet Videos kursieren. Zum Beispiel auf der Videoplattform Youtube, auf dem Kanal „Eure Videos Fahrnünftig“. „Eine Dashcam scheint mittlerweile fast notwendig“, schreibt er der Redaktion. Aus seiner Sicht hat man mit audiovisuellen Beweisen einen deutlichen Vorteil, denn bei Zeugenaussagen könne schnell mal durch Emotionen und Aufregung nach einem Unfall ein Fakt verdreht werden.
Sascha Roitzheim aus Norden hat schon mehrere Kameras in der Hand gehabt. „Ich würde mir keine Dashcam unter 150 Euro holen“, sagt er und argumentiert: „Unfälle passieren eher bei schlechter Sicht. Genau da braucht man eine gute Kamera, die alles genau aufzeichnet.“ Für die Dunkelheit gebe es solche mit Infrarot-Funktion. Auch einen G-Sensor in der Dashcam empfiehlt Roitzheim. Dieser nimmt wahr, wenn das Auto abrupt zum Stehen kommt und speichert die Videosequenz. Am besten hat man dann solch eine Kamera vorne und hinten am Fahrzeug montiert. So hat man bei einem Unfall zumindest ein gutes Bild parat.