Weiterbildung heute Wozu braucht man eigentlich noch Volkshochschulen?
Für Volkshochschulen waren die vergangenen Jahre schwer – so auch in Leer. Aus der Zeit gefallen sind sie aber nicht.
Leer - Wie heißt es so schön? Man lernt nie aus. Das bedeutet auch, dass Schulen nicht nur Kindern und Jugendlichen vorbehalten sind, sondern auch für Erwachsenen und sogar Senioren zur Verfügung stehen sollten. An Volkshochschulen werden deswegen verschiedene Kurse angeboten, auf die verschiedene Zielgruppen zugreifen können. So auch an der Volkshochschule (VHS) für die Stadt und den Kreis Leer, die jüngst das neue Semesterprogramm ab September vorgestellt hat.
Was und warum
Darum geht es: Die Volkshochschulen erscheinen dem einen obsolet, doch sie nehmen eine ganz besondere Rolle in der Bildung ein.
Vor allem interessant für: alle, die sich nach dem Feierabend oder in der Rente noch weiterbilden wollen
Deshalb berichten wir: Die Volkshochschule in Leer hatte in einer Pressekonferenz ihr neues Semesterprogramm angekündigt. Den Autor erreichen Sie unter: l.loeschen@zgo.de
Aber wozu braucht man diese Bildungsmöglichkeiten eigentlich? Schließlich kann man doch inzwischen alles im Internet erfragen und sich Erklärvideos anschauen. Zudem lerne man auch nichts: Das Angebot sei zu schlicht zu groß und kann deswegen nicht professionell betreut werden, hieß es von manchen Kritikern laut dem Volkshochschulverband Baden-Württemberg bereits zur Jahrtausendwende. Zudem hat auch die VHS Leer das Problem, dass sich immer mehr Dozenten von ihr abwenden. Was hat man da entgegenzusetzen?
Vorwurf 1: Die Volkshochschulen sind nicht mehr zeitgemäß
Im Zeitalter des Internets scheinen Bildungskurse überaltert. Doch der richtige Umgang mit dem Internet und der damit einhergehenden Informationsflut muss erstmal gelernt sein, stellt auch der Volkshochschulverband Baden-Württemberg fest. Mit der Generation der Baby-Boomer (geboren zwischen 1946 und 1964) geht nun eine immer größer werdende Zielgruppe auch für diesen Bereich nach und nach in Rente. Die VHS Leer bietet aus diesem Grund EDV-Kurse für Senioren an. Hier wird Grundwissen geschaffen oder dieses erweitert. Volkshochschulleiterin Sabine Kasimir dazu: „Wir haben in diesem Zusammenhang einen Trend nach kompakten Kursen festgestellt. Die Leute haben Grundkenntnisse und wollen diese mit kurzen Kursbesuchen erweitern.“ Die Teilnahme an einem Kurs kann ebenfalls über Online-Seminare erfolgen. So hat man eine gewisse Bequemlichkeit und kann von überall aus ein Angebot wahrnehmen. Das Semesterprogramm der Volkshochschule Leer kann unter www.vhs-leer.de aufgerufen werden – es gibt auch eine PDF-Version des Programmhefttest unter www.vhs-leer.de/programmheft. Das Kursangebot startet ab September und endet im Januar 2024. Die Anmeldefristen laufen bis dahin noch.
Die Suchanfrage im Internet muss man sich außerdem vorher erst überlegen. Im neuen Programmheft kann man munter herumblättern und „sich ausprobieren“, sagt Vorstandsvorsitzender Jörg Furch. Zudem sei es Aufgabe der Volkshochschule „neue Projekte anzustoßen und populär zu machen“, wie es bei den Zumba-Tanzkursen vor Kurzem der Fall war, erinnert er. Davon könnten dann wieder Vereine und Schulen profitieren, die das Angebot im Anschluss weiterführen. In diesem Jahr hofft man dies mit dem Blasrohrschießen in Westoverledingen zu erreichen. „Das ist mal was komplett anderes“, fügt Kasimir hinzu.
Vorwurf 2: Das Angebot ist zu groß als das man dies professionell betreuen kann
Das neue Programmheft umfasst gut 120 Seiten. „Insgesamt stehen wir bei 742 Veranstaltungen“, so die Volkshochschulleiterin. Zum Vergleich sind dies 18 mehr als noch 2019. Aber von zu vielen Kursen und Projekten ist auf der Pressekonferenz nicht die Rede. Ganz im Gegenteil: Die VHS versucht „gezielter den Bedürfnisse der Menschen gerecht zu werden“, erklärt Kasimir. Dies wird vor allem durch die Förderungen des Landes Niedersachsen ermöglicht.
Integrationsprojekte für Geflüchtete profitieren durch die dazugewonnene Flexibilität der Volkshochschule. „Wir können genauer schauen, wo bestimmte Kurse gebraucht werden – ob bei der Kommunikation oder beim Schreiben“, erklärt Marion Weber aus der Fachbereichsleitung Sprachen. Durch die Landesförderung dürften zudem alle an sogenannten Bamf-Kursen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) teilnehmen.
Sabine Kasimir weist an dieser Stelle auf die lange Warteliste im Integrationsbereich hin: „Wir haben 280 Personen in den Kursen, 170 sind auf der Warteliste.“ Hier müsste das Angebot also eigentlich sogar noch erweitert werden.
Vorwurf 3: Immer mehr Dozenten verlassen die Volkshochschulen
Für ein noch größeres Angebot, braucht es auch mehr Kapazitäten. Das bedeutet nicht nur Räumlichkeiten und Lernmittel, sondern auch Dozenten. Diese sind gerade durch Corona abgesprungen, hieß es auf der Pressekonferenz. In den vergangenen Jahren hielt man sich mit Online-Seminaren im Sattel. „Teilweise haben Dozenten aus Mainz unterrichtet“, sagt die Volkshochschulleiterin. Aktuell seien die Teilnehmer wieder motiviert, voll in Präsenz durchzustarten. Laut der Volkshochschule steht man für dieses Jahr bei 818 Anmeldungen für das kommende Semester – immerhin nach 2020 (361) fast wieder auf dem Niveau von 2019 (1042).
Die Teilnehmer sind da, die Dozenten nicht. Doch eine repräsentative Umfrage lässt die VHS Leer hoffen: Eine bundesweite Marktforschung des Deutschen Volkshochschul-Verband aus dem Juli dieses Jahres. Sie zeigt, dass dreiviertel der Kursteilnehmer wiederkommen wollen – zweidrittel empfehlen die Volkshochschulen weiter. Die Institutionen seien Sympathieträger und gehörten zu den „bekanntesten und vertrauenswürdigsten Weiterbildungsanbietern vor Ort“. Kasimir hofft ganz konkret, dass sich einige Teilnehmer vorstellen können, einen Kurs zu leiten.
Im vergangenen Jahr haben rund sechs Millionen Menschen an den über 260.000 Angeboten der Volkshochschulen in Deutschland teilgenommen, so der Deutsche Volkshochschulverband.