Drehorgeln in Ostfriesland Diese „Prinzessin“ braucht neue Hits
Thomas Brey ist von Drehorgeln begeistert. Er will das Instrument in Ostfriesland wieder bekannter machen und zeigen, dass man darauf mehr als nur Walzer und Märsche spielen kann.
Leer - Einst war sie „die Prinzessin der Instrumente“ – inzwischen fristet sie eher ein Nischendasein. Die Drehorgel ist längst von ihrem kleinen Thron gestürzt und hart gelandet, meistens auf Mittelaltermärkten oder in irgendwelchen Altstadtgassen. „Mir will einfach nicht in den Kopf, dass man dieses schöne Instrument so versteckt“, sagt Dr. Thomas Brey. Der Mann hat eine Mission, wie er selber sagt: Er will die Drehorgel wieder modern machen. Sie soll nicht unbedingt zurück auf ihren Thron, aber wenigstens wieder in das Bewusstsein der Menschen. „Es wäre doch schade, wenn diese Musik verschwinden würde“, findet Brey, und hat deshalb gemeinsam mit anderen Orgel-Fans das erste Drehorgel-Projekt für Ostfriesland organisiert.
Seine Liebe zu dem Instrument begann mit einer Recherche. Der Journalist, jahrzehntelang Leiter aller Büros der Deutsche Presse-Agentur in Südosteuropa, sollte einen Bericht über Drehorgeln schreiben. Das Instrument – quasi die kleine Schwester der „Königin der Instrumente“, der großen Kirchenorgel – begeisterte ihn, die Musikauswahl weniger. „Die ist einfach nicht up to date“, findet Brey, der inzwischen in Ostrhauderfehn lebt.
Die Melodien sind in Rollen gestanzt
Die Melodien – Märsche, Walzer oder Schunkellieder – passten eher zu dem „Leierkasten“, wie die Drehorgel auch genannt wird. Dabei ist ihre Musik seit 2017 Unesco-Weltkulturerbe. „Seit über 200 Jahren ist die Drehorgel ein ausgesprochenes Volksmusikinstrument“, sagt Brey. „Mein Bestreben ist es, da ein bisschen Schwung reinzubringen.“ Auf seiner eigenen Drehorgel spielt er nicht nur Schlager oder Jazz, sondern auch Hits von Rockbands wie Coldplay. „Techno kann man übrigens auch auf einer Drehorgel spielen“, betont Brey. Im Grunde gehe jede Musikrichtung. Die Melodien sind in Rollen gestanzt. Mit der Kurbel oder dem Schwungrad der Orgel wird ein Blasebalg betrieben. Der erzeugt Luft, die über das Notenband in die aus Holz oder Metall bestehenden Pfeifen unterschiedlicher Größen geleitet wird. Die Melodie des Liedes entsteht durch die Anordnung der Löcher auf den Notenbändern, die ebenfalls von der Kurbel vorwärts bewegt werden.
Die Drehorgel von Brey hat 120 Pfeifen – da kommt ordentlich Luft durch und dementsprechend auch Töne raus. „Kleine Drehorgeln haben 16 bis 20 Pfeifen“, erklärt er zum Vergleich. Es ist ein ausgesprochen teures Hobby: Selbst kleinere Instrumente sind nicht unter 10.000 Euro zu haben, im mittleren Preissegment müssen rund 15.000 Euro lockergemacht werden. Nach oben gibt es keine Grenze. Das Instrument von Brey hat „den Wert eines Kleinwagens“, sagt er. Dass jemand, so wie Brey, die Drehorgel als Instrument für sich neu entdeckt, ist heutzutage eher selten. Der Trend ist vielmehr genau andersrum: „Die Generation der Drehorgelspieler stirbt aus“, sagt er. Der Club der Deutschen Drehorgelspieler hatte zeitweise 1000 Mitglieder. „Jetzt sind es noch gerade mal 300“, sagt Brey.
Drehorgel hat eine wechselhafte Geschichte
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte die Drehorgel in den Städten noch zum Alltagsbild. Nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg war sie für viele Kriegsheimkehrer eine Möglichkeit, sich auf Volksfesten oder in den Hinterhöfen etwas zu ihrem Lebensunterhalt hinzu zu verdienen.
Besonders beliebt war das Instrument dann noch mal in den 1970er Jahren. Mit der Drehorgelmusik schwelgten die Menschen in Erinnerungen. In Kostümen – die Damen mit ausladenden Kleidern, Schirmchen und großen Hüten, die Herren mit Frack und Zylinder – spielten sie auf Jahrmärkten. „In der ostfriesischen Region erreichte dieser Trend vor allem Norden, Emden und Leer“, weiß Brey. Etliche Festivals und Konzerte habe es gegeben.
Projekt soll Interesse am Instrument wecken
„Der Boom ist längst vorbei. Es fehlt der Nachwuchs“, sagt er. Und deshalb soll das Drehorgelprojekt stattfinden. Vom 27. September bis zum 1. Oktober sind, auch mit Unterstützung der Ostfriesischen Landschaft, zahlreiche Veranstaltungen geplant. „Die Drehorgelspieler gehen auch in die Schulen, spielen dort, erklären die Instrumente und erzählen von der Geschichte des Instruments“, gibt Brey ein Beispiel für die Projekte.
Geplant sind auch Konzerte mit Rock, Pop und Schlager aus der Drehorgel – und natürlich wird auch ganz klassisch in den Fußgängerzonen gespielt. Daneben gibt es Kurse, Seminare und Wok-Shops für Drehorgelspieler und vor allem die, die es vielleicht noch werden wollen.
Weitere Infos
Rock und Pop auf der Drehorgel ertönt am Donnerstag, 28. September, 19.30 Uhr, im Leeraner Kulturspeicher und der Auricher Markthalle, Der Eintritt ist frei. Kirchenkonzerte gibt es am 27. September in der Reformierten Kirche in Auricher, am 29. September in der Georgskirche in Weener und am 30. September in der Ludgerikirche in Norden. Beginn ist jeweils 19.30 Uhr, der Eintritt kostet 10 Euro. Weitere Informationen zum Drehorgel-Projekt gibt es bei Thomas Brey, E-Mail: doc-hurdy-gurdy@brey-thomas.de. Eine Hörprobe gibt es auf auch auf Youtube: einmal hier und einmal hier.