Fleisch, Käse, Schokolade Wein zum Essen: Sommeliers verraten perfekte Paarungen

Florian Sanktjohanser, dpa
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Von Florian Sanktjohanser, dpa
| 08.09.2023 09:39 Uhr | Lesedauer: ca. 11 Minuten
Zu cremigem Käse schmecken leicht säuerliche Weine besonders gut. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Zu cremigem Käse schmecken leicht säuerliche Weine besonders gut. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
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Viele Weine entfalten ihren vollen Geschmack erst im Zusammenspiel mit den richtigen Speisen. Wein-Experten verraten die besten Kombinationen. Eine bekannte Regel ist längst überholt.

Dass einige Paare aus Wein und Speisen besser harmonieren als andere, hat seine Gründe - genauso wie die Tatsache, dass Wasser manchmal die bessere Option ist.

Ob Fleisch, Fisch oder vegetarisch: Die wichtigsten Fragen und Antworten, um den leckersten Wein zum Lieblingsgericht zu finden.

Warum ist das passende Essen zum Wein so wichtig?

Gerade für Einsteiger sei Wein mit dem richtigen Essen oft „wahnsinnig überzeugend“, sagt die Sommelière Natalie Lumpp. „Eine Freundin mochte nie Rotwein - bis sie ihn in der Provence zu einer Lammkeule getrunken hat. Wenn man einmal so ein Erlebnis hat, ist man infiziert fürs Leben.“

Welche Wirkung die richtige Paarung von Wein und Essen hat, erklärt Christina Fischer, Autorin des Standardwerks „Wein & Speisen“, anhand des Tequila-Effekts:

„Nehmen Sie einen leichten, frischen Wein mit wenig Säure wie Vinho Verde aus Portugal, träufeln Sie Zitronensaft auf etwas Flockensalz und schlecken Sie es ab. Wenn Sie nun wieder trinken, hat der Wein deutlich mehr Körper und Frische.“

Deshalb ließen sich leichte, fruchtbetonte Weißweine so gut mit salzigen Gerichten und Olivenöl kombinieren, etwa einem Meeresfrüchte-Salat mit Petersilie.

Was sind die klassischen Regeln?

Jens Priewe nennt in seinem Standardwerk „Wein. Die große Schule“ zeitlose Paarungen:

  • Lamm und Bordeaux
  • Wild und Syrah
  • Rinderfilet und Cabernet Sauvignon

„Dass Weißwein und Fisch sich ergänzen, ist unstrittig - aber eben nicht nur“, schreibt der Experte.

Was passt außerdem?

Empfehlenswerte Paarungen:

  • Forelle: Rotwein zu Fleisch, Weißwein zu Fisch - „diese Regel ist antiquiert“, sagt Yvonne Heistermann, Präsidentin der Sommelier-Union Deutschland. Es komme auf die Zubereitungsart an. Zu geräuchertem Forellenfilet empfiehlt die Expertin einen Riesling oder Silvaner. „Wird die Forelle auf der Haut etwa in Mandelbutter gebraten, kann ich mir dazu auch gut einen leichten Spätburgunder vorstellen.“
  • Fisch: Laut Jens Priewe ist Pinot Noir „ideal zu fast allen Fischgerichten“. Aber leicht und jung müsse er sein - und gut gekühlt. Auch andere tanninarme Rotweine wie Vernatsch aus Südtirol oder junger Blaufränkisch seien gute Fischbegleiter. Viele Fischsorten bringen allerdings nicht genug Fett mit, wendet Christina Fischer ein. Rotwein wirke neben ihnen oft metallisch.
  • Dunkles Fleisch: Mancher Weißwein harmoniere umgekehrt wunderbar zu dunklem Fleisch, sagt Priewe: beispielsweise Grüner Veltliner zu Rindertafelspitz.

Grundsätzlich rät Silvio Nitzsche, vom Weinmagazin Falstaff zum Sommelier des Jahres 2021 gekürt, zu „mehr Mut und mehr Freude beim Kombinieren.“ Das bringe mehr, als starren Mustern zu folgen.

Tipp: Anja Schröder und Felix Bodmann schlagen in ihrer Webweinschule das „Kühlschrank-Roulette“ vor: einfach mal einen Wein zu allem trinken, was sich so findet.

Die Röstaromen von gebratenem oder gegrilltem Steak harmonieren besonders gut mit Rotwein. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Die Röstaromen von gebratenem oder gegrilltem Steak harmonieren besonders gut mit Rotwein. Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Worauf kommt es beim Paaren von Wein und Speisen an?

„Die Zubereitung ist das entscheidende Kriterium für die Wahl des Weins“, schreibt Jens Priewe.

  • Rinderfilet in gebundener Buttersoße passe gut zu weichem Merlot oder Grenache.
  • Rare oder medium gegrillte Steaks dagegen sind ein gutes Team mit wuchtigem Malbec oder toastigem Shiraz.
  • Christina Fischer empfiehlt zu Steaks tanninreiche Bordeaux-Weine wie Cabernet Sauvignon oder Merlot. „Die Röstaromen sind bei ihnen viel intensiver und die gerbstoffbetonten Bordelaiser Sorten balancieren diese als Konterpart gut aus.“

Wichtiger als die Rebsorte sei der Weintyp, erklärt Fischer. Bei jedem Wein gebe es mehrere Typen:

  • einen fruchtigen, einfachen
  • einen kräftigeren mit mehr Substanz, der im Holzfass ausgebaut sein kann
  • einen komplexen, eleganten und tiefgründigen Stil, bei dem der Winzer sorgfältig im Weinberg gearbeitet hat
  • einen opulenten Typus, lange gereift

„Gereifte Weine schmecken zu Essen immer besser als junge, die vor allem fruchtig sind und pur besser schmecken“, sagt Natalie Lumpp. Das liegt an den Tertiäraromen, die bei der Reifung im Fass und in der Flasche durch Feinoxidation entstehen. Diese Aromen können von Karamell über Pilze bis zum Geruch von Waldboden reichen und veredeln viele Gerichte.

„Chardonnay, im Holzfass ausgebaut, passt immer zu cremigen Soßen, zum Beispiel Pasta mit Pilzen“, sagt Christina Fischer.

Die Sommelière verrät einige Faustregeln:

  • Gänsebraten: „Gänsebraten mit mindestens 10, besser 20 Jahre gereifter Riesling-Auslese, wunderbar“. Der restsüße Wein ersetze die halbe Birne mit Preiselbeeren und verschmelze mit der fetten, knusprigen Kruste zu „saftigem Karamell am Gaumen, mit viel Frische.“
  • Salat: „Trockener Sauvignon Blanc, Muskateller und Scheurebe vertragen sich extrem gut mit Gemüse und kräutrigen Gerichten, zum Beispiel einem Salat aus Fenchel, Zucchini und Kräutern mit Salz und Zitrone. Dann ist es egal, ob Sie Schnitzel, Geflügel oder Fisch drauf legen.“
  • Rinderbraten und Roulade: „Geschmorte Gerichte wie Coq au Vin, Rinderbraten oder Roulade passen gut zu Spätburgunder. Denn durch mitgeschmortes Gemüse wie Sellerie oder Mohrrübe haben sie eine Süße und werden oft mit Preiselbeeren serviert. Der Spätburgunder mit seiner hohen Säure frischt sie auf - wie die Essiggurke in der Roulade.“
  • Gemüse: „Gemüse ist eine gute Pufferzone, ein Brückenbauer. Paprika und Spinat passen gut zu gerbstoffreichen Weinen, Wurzelgemüse wie geschmorter Sellerie zu Rieslingauslese.“
  • Risotto: „Junger Riesling mit viel Säure ist schwer zu kombinieren. Nach drei Jahren Reife passt er aber zu vielem: zu Risotto ebenso wie zu gebratenem Kotelett. Und als Kabinett mit Restsüße, Säure und Frische auch zu Sushi.“

Tipp: „Dass man eine ganze Menüfolge mit Schaumweinen begleiten kann, wissen nur die wenigsten“, sagt Fischer. „Das wird fast nur in der Champagne zelebriert.“ Zu leichtem, hellem Fleisch werde etwa ein Blanc de Blancs gereicht, zu kraftvollen Hauptgerichten ein im Fass ausgebauter Champagner.

Welcher Wein passt zu Käse?

„Käse und Wein sind beste Freunde“, schreibt Jens Priewe. „Der Käse adelt den Wein, und der Wein schlüsselt den Käse auf.“ Allerdings haben die Freiheiten selbst in dieser harmonischen Beziehung ihre Grenzen.

„Der Feind des Käses ist die Säure“, sagt Priewe.

  • Säurebetonte Weine sind nur halbtrocken oder restsüß ein guter Käsepartner.
  • Weine mit milder Säure schmecken besonders lecker zu cremigem Käse.
  • Viele Käsesorten: Besonders restsüße Weine wie Riesling Kabinett harmonieren mit vielen Käsesorten.
  • Blauschimmelkäse: Süßweine passen blendend zu Blauschimmelkäse, so Fischer. Dabei gelte: „Je mehr Salz, desto mehr Süße. Ein Roquefort braucht eine Beerenauslese.“

Weißwein oder Rotwein?

In der Regel passt Weißwein besser zu Käse als Rotwein. Der Grund sei seine fruchtige Komponente, sagt Christina Fischer, ähnlich wie beim Feigensenf.

Aber auch Rotwein kann zu Käse schmecken. Kräftige Sorten wie ein Bordeaux-Cuvée passen gut zu lange gereiftem Käse mit Salzkristallen, sagt Fischer, beispielsweise Parmesan, Sbrinz oder altem Gouda.

Und: „Weißschimmel schmecken gigantisch zu Spätburgunder“, schwärmt Natalie Lumpp.

Welcher Wein passt zu Schokolade?

Abends auf dem Sofa finden Wein und Schokolade oft wie ein Naturgesetz zusammen. Und in der richtigen Kombination können sie ein Hochgenuss sein. Christina Fischer hat dafür folgende Tipps:

  • Milchschokolade mit rund 30 Prozent Kakao zu halbtrockenem Riesling mit leichter Säure
  • Milchschokolade mit Nüssen zu Chardonnay im Barrique
  • Schokolade mit 40 bis 50 Prozent Kakao zu mittelkräftigen Rotweinen
  • Schokolade mit Frucht und Gewürzen zu Spätburgunder
  • Schokolade mit 70 Prozent Kakao zu gerbstoffreichen Rotweinen, etwa Cabernet Sauvignon oder Merlot

„Denn beide sind ähnlich hergestellt und haben mit Säure und Bitterkeit ähnliche Aromen“, so Fischer.

  • alles über 80 Prozent Kakao nur mit Portwein

Wein und Schokolade bieten zusammen ein unvergessliches Geschmackserlebnis. Foto: Sebastian Widmann/dpa/dpa-tmn
Wein und Schokolade bieten zusammen ein unvergessliches Geschmackserlebnis. Foto: Sebastian Widmann/dpa/dpa-tmn

Welcher Wein eignet sich gut zum Verschenken?

Egal ob zum Dinner bei Freunden, am Sonntag bei den Schwiegereltern oder zum Grillfest - oft wird der Gast gebeten, einen Wein beizusteuern.

3 Geschenke-Tipps:

  • „Ich bringe immer wieder Weißburgunder mit“, sagt Anja Schröder, die in Berlin die Fachhandlung Planet Wein betreibt. „Denn dieses Saftige, Frische und die elegante Säure begeistern eigentlich immer.“
  • Als Rotwein für ein Grillfest empfiehlt Schröder Rioja, vor allem Reserva und Gran Reserva.
  • Natalie Lump sagt: „Ein guter Rosé ist als Geschenk eine sichere Bank.“ Ein Grund dafür: „Die Rosé-Stilistik hat sich stark geändert“, so Ernst Büscher, Sprecher des Deutschen Weininstituts. Früher als Terrassenwein für Einsteiger belächelt, sei er heute ein konzentrierter, ernst zu nehmender Wein, der auch gut zum Essen passt.

Gibt es für jede Speise einen passenden Wein?

Folgende Kombinationen sind schwierig:

  • Rohes Obst habe zu viel Säure und Zucker, sagt Christina Fischer.
  • Das gilt auch für Ketchup und Senf, die besonders Feinde trockener Weine sind. „Und Schärfe schaltet jeden Wein aus.“
  • Jens Priewe findet Salat mit Essigdressing und Artischocken „schwer vermittelbar“.
  • Und: „Zu Mozzarella und Tomaten trinkt man am besten Wasser.“

Im Zweifelsfall ist das grundsätzlich ein guter Rat. Denn Wein ist alles andere als ein gesunder Drink.

Wie viel Wein ist verträglich?

Im Jahr 1991 ging die Nachricht um die Welt, dass Franzosen trotz Sahnesoßen, Stopfleber und fettem Käse deutlich seltener Herzinfarkte erlitten als Amerikaner - der Grund sei das tägliche Glas Rotwein.

Der Mythos vom gesunden Gläschen

Das „französische Paradox“ war geboren und im folgenden Jahr tranken die Amerikaner 39 Prozent mehr Rotwein, wie Jens Priewe berichtet.

Der Mythos vom gesunden Gläschen hält sich seitdem hartnäckig. Schließlich priesen Ägypter, Griechen und Römer Wein schon in der Antike als Heilmittel an. Hippokrates selbst verschrieb ihn als Schlaf- und Schmerzmittel.

Doch 2018 ließ eine Studie, die in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurde, den Traum platzen.

„Das tägliche Glas Rotwein fördert die Gesundheit nicht“, sagt Professor Helmut Karl Seitz von der Universität Heidelberg, der seit 40 Jahren zum Thema Alkohol forscht.

Es stimme zwar, dass im Wein antioxidative Stoffe wie Flavonoide und Resveratrol stecken. Aber für eine Wirkung müsse man ihn literweise trinken. „Und dagegen stehen 200 Krankheiten, die durch Alkohol verursacht werden“, sagt Seitz. Billiger Wein könne zudem krebserregende Acetaldehyde enthalten, auch Fuselöle genannt.

„Wer seinen Cholesterinspiegel senken will, macht besser regelmäßig Sport“, sagt Seitz - auch weil eine Flasche Wein zwischen 500 und 700 Kilokalorien enthält.

„Wein ist kein Diätgetränk“, sagt Andreas Slepitzka, der in München Weinseminare gibt. Welche Weinsorte man wählt, ist dabei egal. Trockene und restsüße Weine haben gleich viele Kalorien.

Die richtige Menge

Ältere Studien seien verzerrt, sagt Seitz - weil Weintrinker oft einen höheren sozialen Status haben als Bier- und Schnapstrinker, sich also gesünder ernähren und mehr Sport treiben. „Wer Wein kauft, isst mehr Gemüse und Obst und benutzt Olivenöl“, erklärt Seitz.

Für unbedenklich hält der Weinforscher:

  • einen Viertelliter Wein für Männer
  • einen Achtelliter für Frauen

„Aber nicht jeden Tag“, betont Seitz. „Bauen Sie immer wieder ein paar Tage ohne Alkohol ein.“

Wein soll ein Genuss sein. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Wein soll ein Genuss sein. Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Histamin

Besonders Rotwein enthält zudem Histamin, das Allergikern in höheren Dosen nicht nur Bauchschmerzen macht. Problematisch wird es vor allem, wenn zum Wein Käse gegessen wird. Lange gereifte Käsesorten gehörten zu den histaminreichsten Lebensmitteln überhaupt.

Schwefel

Um den Schwefel im Wein muss sich dagegen niemand sorgen. Die Menge sei durch einen EU-Höchstwert beschränkt und deshalb sehr gering, sagt Andreas Slepitzka. „Trockenfrüchte enthalten ein Vielfaches an Schwefel.“

Alkoholfreier Wein

Das Problem im Wein ist also der Alkohol - und der goldene Pfad zum reuefreien Genuss folglich Wein ohne Alkohol.

Aber während Bier ohne Umdrehungen längst etabliert ist und Sportler von den isotonischen Qualitäten alkoholfreien Hefeweizens schwärmen, hat es der Null-Prozent-Wein immer noch schwer.

Alkohol sei ein wichtiger Geschmacksträger, sagt Yvonne Heistermann. Er verstärkt die Aromen. Doch im Markt für alkoholfreien Wein habe sich einiges getan. „Vor fünf Jahren hätte ich auch gesagt, ich trinke lieber eine Traubensaftschorle als einen alkoholfreien Wein.“ Mittlerweile gebe es allerdings sehr gut Produzenten.

Natalie Lumpp bestätigt das: Alkoholfreie Weine seien ein Riesentrend. „Mittlerweile machen Winzer einen super Riesling, der sehr vorsichtig mit Membranen entalkoholisiert wird. Du hast Säure, vielschichtige Aromen, Mineralien.“

Einen Nachteil allerdings haben diese edlen alkoholfreien Weine: Wegen der aufwendigen Herstellung kosten sie noch mehr als gleichwertige Weine mit Alkohol.

Tipp: No-and-Low-Getränke auf Kombucha-Basis

Als neue Alternative empfiehlt Holger Schwarz No-and-Low-Getränke auf Kombucha-Basis, gebraut aus seltenen Tees mit Auszügen von Schlehen oder Rosenblättern. „Die schmecken viel besser und interessanter als alles, was aus Trauben entalkoholisiert wird“, so der Inhaber der Weinhandlung Viniculture in Berlin.

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