Analyse zur Gesundheitsversorgung Kommen Zahnärzte und ihre Patienten bald auf dem Zahnfleisch daher?
Zahnärzte protestieren gegen Kosten-Deckelung – auch, weil Zahnfleisch-Behandlungen aufwändiger geworden sind. Niedersachsens Gesundheitsministerium sorgt sich um die Patienten. Eine Konflikt-Analyse.
Ostfriesland/Hannover/Berlin - Zahnärzte haben den Ruf, die Bestverdiener unter den Ärzten zu sein. Wie dramatisch ist ihre wirtschaftliche Situation und wie dramatisch sind die Auswirkungen auf ihre Patienten, wenn die ostfriesische Bezirksgruppe des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) per Pressemitteilung klagt, dass „die zahnärztliche Kollegenschaft mit drastischen rückwirkenden Kürzungen rechnen muss“?
Wenn das finanzielle Budget für zahnärztliche Leistungen gedeckelt werde, während der Leistungsumfang zunehme, dann gehe das „zu Lasten der Patientenversorgung und der Zahnarztpraxen“, sagt Dr. Michael Debbrecht aus Papenburg, Ostfriesland-Vize des FVDZ. „Besonders hart betroffen werden kleinere Praxen im ländlichen Bereich sein“, erklärt er. Denn „eine hochwertige Praxisausstattung und ein hochqualifiziertes Team“ seien unter diesen Bedingungen nicht mehr gewährleistet“.
Der ostfriesische FVDZ-Vorsitzende Dr. Stephan Gebelein aus Wittmund warnt: „Das Praxissterben auf dem Land bekommt einen neuen Schub. Schon jetzt besteht eine Überalterung, ein Drittel der Kollegen kann in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand gehen ohne Aussicht auf einen Nachfolger. Dies führt zu einer Versorgungslücke. Langen Wege und Wartezeiten bei Behandlungen für unsere Patienten sind zu befürchten.“
Dr. Lutz Riefenstahl, Vizepräsident der Zahnärztekammer Niedersachsen bestätigt diese Entwicklung in einer Pressemitteilung: „Uns berichten inzwischen viele Kolleginnen und Kollegen, dass sie nicht mehr wissen, ob sie im kommenden Jahr ihre Praxis noch fortführen können. Gerade in vielen ländlichen Regionen unseres Flächenlandes wird das zu einer zahnmedizinischen Unterversorgung führen.“ Schon heute könnten Praxen, deren Inhaber altersbedingt ausscheiden, kaum mehr nachbesetzt werden. Dr. Riefenstahl prophezeit: „Diese Sparpolitik ist ein Brandbeschleuniger für das Praxissterben.“
Die Mediziner protestieren. Die Zahnärztekammer Niedersachsen (ZKN), die Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachen (KZVN), der Freie Verband Deutsche Zahnärzte (FVDZ) und der Verein „Zahnärzte für Niedersachsen“ (ZfN) mobilisieren zu einer Kundgebung am Mittwoch, 13. September, nach Hannover. Ostfriesische Zahnärzte haben bereits ihre Beteiligung angekündigt – weshalb an diesem Tag Praxen geschlossen sein könnten, so dass Behandlungstermine verschoben werden müssen.
Warum protestieren die Zahnärzte aus Ostfriesland und darüber hinaus?
„Wir stehen vor einer schwierigen Zukunft durch immer mehr Regularien und Restriktionen in der zahnmedizinischen Versorgung und die Politik moderiert lediglich den bestehenden finanziellen Mangel im System“, so FVDZ-Ostfriesland-Chef Dr. Gebelein. Die Bezirksgruppe des Verbands kritisiert „die desaströse Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Krankenkassen“.
Auslöser des Protests ist das „Gesetzliche-Krankenversicherung-Finanzstabilisierungsgesetz“. Das deckelt die finanziellen Zuwendungen, die gesetzliche Krankenkassen für zahnärztliche Leistungen ausschütten können. „Der Gesetzgeber hat mit dem Finanzstabilisierungsgesetz den Krankenkassen einen engen Spielraum für die Vergütung der Vertragszahnärzte vorgegeben“, bestätigt die niedersächsische AOK auf Anfrage unserer Redaktion.
Gegen diese „Spargesetzgebung“ wendet sich der Protest-Aufruf von ZKN, KZVN, FVDZ und ZfN. Die Initiatoren kritisieren eine „drastische Budgetierung zahnärztlicher Leistungen“. Die Lage sei ohnedies schon problematisch: „Die Zahnärztinnen und Zahnärzte in Niedersachsen leiden wie viele andere Branchen unter Preissteigerungen und Fachkräftemangel, haben dadurch steigende Ausgaben, müssen Behandlungszeiten wegen fehlenden Personals reduzieren, haben dadurch zusätzliche Minderumsätze und können den Versorgungsnotwendigkeiten nicht mehr adäquat nachkommen“, erläutert die Zahnärztekammer auf Anfrage unserer Redaktion. „Die Auswirkungen der Budgetierung durch das Finanzstabilisierungsgesetz lassen sich in vollem Umfang derzeit noch nicht abschätzen, da rückwirkend zum Quartal die Auszahlungen erfolgen. Fakt ist, dass diese Budgetierung in eine so oder so schon sehr angespannte Versorgungslage kommt.“
Niedersachsens Gesundheitsministerium äußert sich ähnlich: „Kritisch sehen wir in der derzeitigen Lage die Deckelung der zahnärztlichen Vergütung bei den Parodontitisbehandlungen.“ Die Deckelung resultiert aus dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Und sie kollidiert laut Zahnärzten und Landesministerium mit der „Richtlinie zur systematischen Behandlung von Parodontitis und anderer Parodontalerkrankungen“ (PAR-Richtlinie).
Um was geht es bei der Parodontitis-Richtlinie (PAR-Richtlinie)?
Parodontitis steht für Entzündungen im Zahnfleisch. Davon sind laut der Pressemitteilung von ZKN, KZVN, FVDZ und ZfN „mehr als die Hälfte aller Erwachsenen betroffen“. Sie könne „gesundheitliche Auswirkungen auf Herz und Kreislauf“ haben und sich „erschwerend auf Diabetes sowie den Schwangerschaftsverlauf auswirken“.
Unsere Redaktion hat bei der AOK und beim Verband der Ersatzkassen (VdEK) in Niederaschsen angefragt: „Trifft es zu, dass zusätzliche Zahnarztleistungen in den Behandlungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) aufgenommen wurden, beispielsweise im Bereich der Zahnfleischbehandlung? Falls ja: Können Sie erläutern, wie GKV-Versicherte von diesen zusätzlichen Leistungen profitieren, was also letztlich der Grund für die Aufnahme in den Behandlungskatalog war?“
„Seit dem 01.07.2021 bestehen bundesweit neue Behandlungsrichtlinien für die Parodontalbehandlung, welche den Leistungsumfang erhöht haben“, antwortet der VdEK. „Für die Parodontalbehandlung ist jetzt eine strukturierte mehrjährige Behandlungsstrecke (in der Regel 3 Jahre) vorgegeben.“
Die AOK erklärt, dass es um „Leistungen zur systematischen Behandlung von Parodontitis und anderer Parodontalerkrankungen im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung“ gehe: „Die neu strukturierten Behandlungen werden seit Beginn der neuen Richtlinie durch die AOK Niedersachsen finanziert.“ Die Behandlungsdauer sei „deutlich verlängert worden – „von bis zu einem Jahr auf zwei Jahre im Regelfall“.
Demnach gehen die Ersatzkassen also von einer in der Regel dreijährigen Behandlungsdauer aus, die AOK von einer nur zweijährigen Behandlung. Die Kosten für die Parodontitis-Therapie sollten nach deren Aufnahme in den Behandlungskatalog „zusätzlich von den Krankenkassen erstattet werden“, berichtete Dr. Dr. Wolfgang Triebe aus Aurich in seiner Eigenschaft als FVDZ-Mitglied. Er ist auch Vorsitzender der Verwaltungsstelle Ostfriesland der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen. Zahnärzte in Ostfriesland rechnen deshalb „mit drastischen rückwirkenden Kürzungen“.
Rückwirkend deshalb, weil das Kosten-Budget für alle Zahnärzte und alle Leistungen ausreichen muss. Je mehr Leistungen erbracht werden, desto kleiner werden die Stücke vom sprichwörtlichen Kuchen. Zahnärzte und auch andere Ärzte wissen deshalb oft nicht, wie viel Geld sie für welche Leistung erhalten werden. Eine zuverlässige mittelfristige betriebswirtschaftliche Planung der selbstständigen Medizinier ist daher faktisch unmöglich. Das nennen Zahnmediziner und andere Ärzte als Grund, weshalb es unattraktiv sei, eine eigene Praxis zu gründen oder eine zu übernehmen. Daraus resultiere Ärztemangel.
Wie wirken sich Parodontitis-Behandlung und Kosten-Deckelung aus?
Unsere Redaktion hat die Zahnärztekammer Niedersachsen gefragt: „Lässt sich nach den ersten beiden Quartalen einschätzen, wie sich die Zusatzleistungen, die in den Katalog der Gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen wurden, in Anbetracht der Obergrenzen durch die Wiedereinführung der Budgetierung wirtschaftlich auf die Zahnarztpraxen auswirken? Ist beispielsweise allein durch die Budgetierung ein Umsatz- und/oder Ertragsrückgang feststellbar? Welcher Ertragsrückgang entsteht gegebenenfalls durch die zusätzlichen Leistungen, zum Beispiel im Bereich der Zahnfleischbehandlung?“
Die Antwort: „Die PAR-Behandlungsstrecke macht deutschlandweit mindestens 600 Millionen Euro an zusätzlichen Kosten pro Jahr aus.“ Davon entfielen auf Niedersachsen rund 60 Millionen Euro: „Das ist in etwa auch die Summe, die durch die Budgetierung den Zahnärztinnen und Zahnärzten in Niedersachsen für ihre Behandlungen nun – staatlich verordnet – vorenthalten wird.“ Allerdings müssten „angefangene Parodontitis-Behandlungsstrecken auch durchtherapiert, also kunstgerecht durchgeführt werden“. Das bedeutet laut Ärztekammer: „Das Geld fehlt dann an anderer Stelle.“
Mit den 60 Millionen Euro konfrontiert, antwortet die AOK Niedersachsen: „Die Mehrkosten der PAR-Behandlungsstrecke basieren auf Hochrechnungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung. Wir können das im Moment in der Höhe noch nicht bestätigen.“ Und: „Es bleibt aber dabei, dass der Gesetzgeber den Vertragspartnern bei der Vergütung – und das schließt die Vergütung der PAR mit ein – nur einen sehr geringen Spielraum gegeben hat.“
Warum soll der neue Kosten-Deckel schlechter als der alte sein?
Ein Kosten-Budget für zahnärztliche Leistungen, also eine Kosten-Deckelung, gab es nach übereinstimmenden Angaben bis zur Corona-Pandemie. Die Sicherheits-Vorkehrungen gegen das Virus haben dann auch Arztbesuche eingeschränkt. Damit die Zahnarztbesuche nach dem ersten Corona-Jahr nachgeholt werden können, wurden die Budget-Regelungen für die Jahre 2021 und 2022 ausgesetzt – und zum Jahr 2023 wieder eingeführt. Die AOK schreibt: „Insgesamt führt die neue Parodontose-Richtlinie finanziell für die Zahnärzte zu einer deutlichen Steigerung.“
Dr. Dr. Triebe schildert die Situation hingegen wie folgt: „Aufgrund der Aussetzung der Budgetierung 2021 und 2022 konnte bisher kein angemessener Anteil für die neue PAR-Behandlungsstrecke festgelegt werden, um das Gesamtbudget zu erhöhen. Damit müssen mit dem gleichen Budget mehr Leistungen bezahlt werden, die am Ende zu Einschränkungen der vollumfänglichen Versorgung unserer Patienten führt. Die Zahnärzte müssen mit circa 30.000 bis 40.000 Euro rückwirkenden Kürzungen rechnen. Dies wird circa 40 Prozent der Zahnärzte in Niedersachsen treffen.“
Das Bundesgesundheitsministerium hat eine Anfrage unserer Redaktion vom Mittwoch, 6. September, noch nicht beantwortet. Wir hatten das Ministerium mit der Pressemitteilung der FVDZ-Bezirksgruppe Ostfriesland konfrontiert und unter anderem folgende Fragen gestellt: „Trifft es zu, dass zusätzliche Zahnarztleistungen in den Behandlungskatalog der Gesetzlichen Krankversicherungen aufgenommen wurden, beispielsweise im Bereich der Zahnfleischbehandlung? Falls ja: Gab es bezüglich der Kosten dieser zusätzlichen Leistungen eine Zusage an die Zahnärzteschaft, dass diese zusätzlichen finanziellen Mittel für die Zahnärzte bereitgestellt werden und wer gab gegebenenfalls diese Zusage? Falls ja: Gibt es diese zusätzlichen Mittel? Falls ja: Wie hoch sind sie ausgefallen? Falls nein: Warum nicht?“
Wie entwickelt sich die wirtschaftliche Situation der Zahnärzte?
„Für die AOK können wir im Vergleich der letzten Jahre eine stetige Steigerung feststellen“, schreibt die niedersächsische AOK auf Anfrage unserer Redaktion bezüglich der Zahnarzt-Einkommen. „Das Jahr 2020 war trotz Corona für niedersächsische Zahnärzte nicht schlechter. Die AOK und die anderen Primärkassen haben einen festen Betrag je Versicherten an die Kassenzahnärztliche Vereinigung gezahlt. Dadurch konnten trotz geringerer Leistungsinanspruchnahme die Einkünfte für die niedersächsischen Zahnärzte gesichert werden.“
Zur Verteilung der Zahnärzte-Vergütung teilt die AOK mit: „Es gibt eine Ausgabenobergrenze für ganz Niedersachsen, wie diese auf die einzelnen Zahnärzte wirkt, regelt die Honorarverteilung. Diese wird einzig von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung verantwortet.“ Die Nachfrage, was die Ausgabenobergrenze für Zahnärzte in ganz Niedersachsen im Jahr 2019 gewesen sei und wie hoch die Ausgabenobergrenze für das Jahr 2023 liege, hat die AOK nicht beantwortet.
Der VdEK schreibt: „Es besteht eine zahnärztliche Gesamtvergütung für ganz Niedersachsen, die Honorarverteilung auf die einzelnen Zahnärzte erfolgt über die Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen (KZVN).“ Die Kassenzahnärztliche Vereinigung hat auf Anfrage mitgeteilt: „Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das aktuelle Budget dem Budget in der ,Vor-Corona-Zeit’ entspricht.“ Aufgrund der wiedereingeführten „strikten Budgetierung“ bestehe die Gefahr, dass zahnmedizinischen Leistungen gegen Parodontitis „nicht erbracht werden können, da diese nicht mehr vollständig vergütet werden“. Und: „Konkret fehlen in Niedersachsen 60 Millionen Euro im Honorartopf, um die Leistungen vergüten zu können.“
Weiter informiert der VdEK: „Die zahnärztliche Gesamtvergütung der Ersatzkassen ist jährlich regelmäßig gesteigert worden.“ Im Jahr 2020 sei ein Plus von 3,45 Prozent zu verzeichnen gewesen, 2021 ein Plus von 2,53 Prozent, 2022 ein Plus von 2,29 Prozent und 2023 ein Plus von 2,7 Prozent. Damit lat das Vergütungs-Plus zuletzt deutlich unter der Inflation in Niedersachsen. Nach Zahlen des Statistischen Landesamtes und des Internet-Portals Statista lag die Inflationsrate in Niedersachsen im Jahr 2022 bei ungefähr sieben Prozent.
Das FVDZ-Mitglied Dr. Dr. Wolfgang Triebe aus Aurich – er ist auch Vorsitzender der Verwaltungsstelle Ostfriesland der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen – beschreibt die Folgen des neuen Budgets in Verbindung mit erweiterten zahnmedizinischen Leistungen wie folgt: „Die Zahnärzte müssen mit circa 30.000 bis 40.000 Euro rückwirkenden Kürzungen rechnen. Dies wird circa 40 Prozent der Zahnärzte in Niedersachsen treffen.“
Niedersachsens Gesundheitsministerium hat sich ebenfalls geäußert: „Zur wirtschaftlichen Lage der Zahnärztinnen und Zahnärzte liegen uns naturgemäß keine Erkenntnisse vor.“ Aber: „Hinweise zu einem aktuell schwierigen Umfeld durch Inflation und Fachkräftemangel, aber auch zu den Themen Arbeitsbelastung und überbordende Bürokratie, nehmen wir ernst. Das gilt grundsätzlich für alle Sektoren des Gesundheitssystems und entsprechend auch für die Zahnärztinnen und Zahnärzte. Adressat ist hier Bundesregierung.“
Was bedeutet die Kosten-Deckelung für Zahnarzt-Patienten?
„Zahnärztinnen und Zahnärzte müssen nun auswählen, was vorrangig behandelt wird und was warten muss“, ließ der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen, Dr. Carsten Vollmer, per Pressemitteilung wissen. „Für Patientinnen und Patienten wird das unter anderem zu längeren Wartezeiten führen.“ Die Folgen der Budgetierung seien für die Bevölkerung Niedersachsens schon jetzt in den Praxen zu spüren und würden sich weiter verschärfen.
Der VdEK meint hingegen: „Für die Ersatzkassen in Niedersachsen werden keine Auswirkungen auf die zahnärztliche Versorgung erwartet.“ Und die AOK: „Bislang steigen trotz Budgetierung die Fallzahlen und die Abrechnungen der Zahnärzte, ein Einfluss auf die Versorgung ist nicht zu erkennen.“
Unterstützung bekommen die Zahnärzte von Niedersachsens Gesundheitsministerium. Es positioniert sich gegen die Bundespolitik: „Kritisch sehen wir in der derzeitigen Lage die Deckelung der zahnärztlichen Vergütung bei den Parodontitisbehandlungen. [...] Es wäre nicht zuträglich, wenn wir wegen mangelnder Prävention und Behandlung mittelfristig ein gesellschaftliches ,Zahnfleisch-Problem’ bekommen würden. Das hätte Folgeerkrankungen und damit auch Folgekosten als Konsequenz.“
Zahnärzte warnen vor Versorgungsdefiziten. Nicht nur kurzfristig, weil Geld im System fehle, sondern auch langfristig – weil Praxen nicht mehr weiterbestehen könnten oder Zahnärzte, die in den Ruhestand gehen, keine Nachfolger fänden.
Wie geht es mit Kosten-Deckelung und Zahnfleischbehandlungen weiter?
Im Finanzstabilisierungsgesetz steht, dass das Bundesgesundheitsministerium die Budgetregelungen zum 30. September 2023 überprüft. Zur Erinnerung: Die niedersächsischen Zahnärzte protestieren am 13. September in Hannover. Das Bundesgesundheitsministerium soll prüfen, wie sich die Kosten-Deckelung bezüglich der Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten mit Parodontitis-Behandlungen auswirkt.
Niedersachsens Gesundheitsministerium stellt klar: „Wir sind nach wie vor der Überzeugung, die Begrenzung sollte generell nicht für Leistungen zur Behandlung nach der Parodontitis-Richtlinie gelten.“ Sofern die Evaluation des Bundesministeriums ergebe, „dass notwendige Finanzmittel für die Behandlung der Parodontitis nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen und in der Folge negative Auswirkungen für die Patientinnen und Patienten drohen, ist aus Sicht des Landes Niedersachsen eine Herausnahme der Parodontitistherapie aus der Budgetierung unumgänglich“. Das Ministerium in Hannover kündigt für diesen Fall an: „Eine entsprechende Initiative würden wir dann umgehend auf den Weg bringen.“
Ministerium warnt vor „gesellschaftlichem ,Zahnfleisch-Problem‘“
Aufnahme-Stopps für neue Zahnarzt-Patienten in Ostfriesland
AOK, BKK, IKK – „Gesetzlich Versicherte zweiter Klasse“ bei Zahnärzten
Bei unterfinanzierten Zahnarzt-Leistungen droht mehr als Zahnausfall