Mitbestimmung in Wittmund Warum interessieren sich Wittmunder nicht für ihr Geld?
Wie viel Beteiligung wollen die Bürger? Im Kreis Wittmund können sie seit Jahren selbst Vorschläge machen, wofür Politik und Verwaltung Geld ausgeben sollten. Aber wen interessiert‘s?
Wittmund - Die Wittmunder Kreispolitiker im Haushaltsausschuss haben am Montag eine Mitteilung zur Kenntnis genommen, die eigentlich eher niederschmetternd ist. Die freiwillige Beteiligung der Bürger an der Aufstellung des jährlichen Kreisetats ist äußerst überschaubar, für 2024 gibt es gerade mal vier Vorschläge. „Nach sieben Jahren Bürgerhaushalt ist festzustellen, dass die Anzahl der eingereichten Vorschläge von Jahr zu Jahr stark rückläufig ist“, heißt es in der Vorlage für die Ausschuss-Sitzung. Kommentiert wurde das kaum, nur Heinz Buss von der SPD ließ sich zu der Bemerkung hinreißen, dass die geringe Beteiligung vielleicht Ausdruck dafür sei, wie zufrieden die Bürger mit der Arbeit der Kreispolitik seien.
Ein Bürgerhaushalt ist ein Instrument der direkten Demokratie. Die Idee: Jeder Bürger kann eigene Vorschläge machen, wofür das Geld in seiner Kommune ausgegeben wird. Gemeinden, Städte oder Landkreise können ihre Bürger auf diesem Wege an ihren Entscheidungen mitwirken lassen. Konkret können die Bürger im Wittmunder Fall auf einer eigens eingerichteten Internetseite über einen Zeitraum von mehreren Wochen vor den Haushaltsberatungen Vorschläge machen, wofür das Geld ausgegeben werden sollte. Also nicht der ganze zur Verfügung stehende Betrag; vielmehr können die Bürger einzelne konkrete Wünsche äußern, die mit finanziellen Mitteln aus dem Kreishaushalt bezahlt werden sollen. Online können sie sogar über Statusmeldungen mitverfolgen, wie die Verwaltung damit umgeht. Das Angebot ist eine freiwillige Leistung, es gibt keine Pflicht, die Bürger so direkt um ihre Vorschläge zu bitten. Es gibt allerdings auch keine Pflicht, sich nach den Wünschen der Bürger zu richten. Wofür das Geld tatsächlich ausgegeben wird, darüber entscheiden zum Schluss die gewählten Kreistagsmitglieder.
Aufgeben oder weitermachen?
Im Kreis Wittmund wurde der Bürgerhaushalt 2017 eingeführt. In diesem ersten Jahr gab es laut Kreisverwaltung 36 konkrete Vorschläge für das Haushaltsjahr 2018. Darunter übrigens auch einer mit sehr konkreten Folgen für das Kreishaus selbst: An einer seiner Flanken wurde anschließend ein Aufzug angebaut, damit auch ältere oder in der Bewegung eingeschränkte Menschen in die obere Etage des historischen Gebäudes gelangen können. Die Anregung eines Bürgers war hier auf Zustimmung des Kreistags gestoßen, der das Geld für diesen Umbau in den Haushalt einplante.
Insgesamt, schreibt die Kreisverwaltung, wurden von den 104 im Laufe der Jahre eingereichten Vorschläge 17 von der Verwaltung angenommen. Dazu muss man sagen: Viele Vorschläge fallen gar nicht in die Möglichkeiten des Landkreises; wenn es sich zum Beispiel um den Zustand von Bundes- oder Landesstraßen handelt. Von diesen 17 Vorschlägen wiederum seien nur neun von der Politik im Kreisausschuss angenommen worden. Eine überschaubare Zahl. Aber andererseits sind es auch neun Wünsche, die sonst genau das geblieben wären. „Im Verhältnis zur Einwohnerzahl stellen 36 Vorschläge bereits eine geringe Beteiligung dar“, rechnet die Kreisverwaltung vor. Betrachte man jedoch die Einwohnerzahl von 58.359 im Verhältnis zu aktuell vier Vorschlägen, weise dies doch auf eine sehr geringe Beteiligungsbereitschaft der Bürger hin.
Was also tun? Einstampfen? Auf keinen Fall, sagt Wittmunds Landrat Holger Heymann (SPD) auf Nachfrage. „Gerade in diesen Zeiten wäre es fatal, Mitbestimmungsrechte wieder wegzunehmen“, findet er. Vielleicht müsse man stattdessen mit einer größeren Veranstaltung im nächsten Jahr dafür sorgen, das die Bürger ihre Einflussmöglichkeiten auf den Haushalt besser kennenlernen.