Gedächtniswald Friedeburg Wenn Schmetterlinge und Rehe sich zu Trauernden gesellen

| | 13.10.2023 06:54 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
„Die Trauerarbeit wird durch das Naturerlebnis erleichtert“, sagt Gedächtniswaldförster Sigfried Bley. „Man kann hier spazieren gehen und seinen Gedanken freien Lauf lassen.“ Foto: Ullrich
„Die Trauerarbeit wird durch das Naturerlebnis erleichtert“, sagt Gedächtniswaldförster Sigfried Bley. „Man kann hier spazieren gehen und seinen Gedanken freien Lauf lassen.“ Foto: Ullrich
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Wer im Wald die letzte Ruhe sucht, geht eine Verbindung mit der Natur ein. In Friedeburg ist dies jetzt möglich. Manch Trauernder tröste sich mit dem Gedanken, der Verstorbene lebe im Baum weiter.

Wiesede - Wenn ein geliebter Mensch stirbt, ist das für die Angehörigen nicht leicht. Jeder geht anders mit dem Verlust um. Die Bewältigung der hieraus resultierenden Trauer fällt jedem Angehörigen unterschiedlich schwer oder leicht. Für den Gedächtniswaldförster Sigfried Bley aber steht fest, dass dies draußen im Wald leichter gelingen kann: „Die Trauerarbeit wird durch das Naturerlebnis erleichtert.“ Seit dieser Woche hat die Gemeinde Friedeburg ihren eigenen Gedächtniswald im Carl-Georgs-Forst in Wiesede. Es ist der zweite Standort des Gedächtniswaldes Herrlichkeit Gödens, der von Maximilian Graf von Wedel geführten Unternehmensgruppe Schloss Gödens. Erstmals fand dort eine Führung statt, bei der neben Vertretern aus Rat und Verwaltung der Gemeinde auch Bestatter das Areal besichtigen konnten.

Was und warum

Darum geht es: Ab sofort können sich Menschen in Friedeburg auch im Carl-Georgs-Forst unter einem Baum bestatten lassen.

Vor allem interessant für: Jeden, der sich Gedanken über den eigenen Tod oder den von Angehörigen macht sowie passionierte Waldspaziergänger

Deshalb berichten wir: Der Gedächtnisforst in Wiesede wurde eingeweiht und steht damit ab sofort als alternative Bestattungsform in Friedeburg zur Verfügung.

Die Autorin erreichen Sie unter: s.ullrich@zgo.de

Im Logabirumer Forst in Leer hat Bley schon ganz unterschiedliche Begegnungen mit Trauernden gemacht, erzählte er nach der Einweihung des Gedächtnisforstes. Dort sind seit 2019 Beisetzungen unter Bäumen möglich. Dort besitzt die Grafenfamilie rund 200 Hektar Wald. Manchmal kommen auch tierische Gäste hinzu, wenn Abschied von geliebten Menschen genommen wird, weiß Bley: Ein Reh nähere sich neugierig der Zeremonie oder stehe auf dem Weg zum ausgesuchten Baum friedlich auf dem Weg. Einmal habe ein Zitronenfalter alle Blicke auf sich gezogen: „Er setzte sich auf die Urne.“ Solch ein Anblick stifte Hoffnung. „Das sind Momente, wo die Leute sagen: Das Leben geht weiter.“

„Den Gedanken freien Lauf lassen“

Der Gedächtniswaldförster kommt in Leer oft ins Gespräch mit Besuchern. Für viele hat der Baum, unter dem ein Verstorbener liegt, eine besondere Bedeutung: „Sie sagen, das Leben geht im Baum weiter.“ Unter einem solchen Baum beobachte er teils rührende Szenen: „Die Leute umarmen den Baum“ – Oder sie kommen dort zu einem Picknick mit der Familie zusammen. Solche Momente werden nun auch in Friedeburg möglich: Von den insgesamt 400 Hektar Wald sind etwa sechs Hektar mit einem Wegenetz aus Holzhackschnitzeln hergerichtet worden, über die alle Plätze und Bestattungsbäume gut erreichbar sind. „Man kann hier spazieren gehen und seinen Gedanken freien Lauf lassen.“ Gedächtniswaldförster in Friedeburg ist Peter Kursiss. Ein Andachtsplatz wurde hier bereits geschaffen, auf dem Trauerfeiern stattfinden können. Zusätzlich sollen in den kommenden Monaten eine Andachtshütte und ein Büro sowie sanitäre Anlagen ergänzt werden, fasst Bley zusammen. Im Frühjahr 2024 ist zudem die Fertigstellung eines Tierfriedhofs geplant.

Zur Einweihung wurde, wie es sich für einen solchen Anlass gehört, auch ein Baum gepflanzt. Maximilian Graf von Wedel (von links), Friedeburgs Bürgermeister Helfried Goetz, die Wieseder Ortsvorsteherin Elke Hildebrandt, stellvertretender Landrat Hans-Hermann Lohfeld und Generalbevollmächtigter auf Schloss Gödens, Enno Herlyn, griffen zum Spaten. Foto: Ullrich
Zur Einweihung wurde, wie es sich für einen solchen Anlass gehört, auch ein Baum gepflanzt. Maximilian Graf von Wedel (von links), Friedeburgs Bürgermeister Helfried Goetz, die Wieseder Ortsvorsteherin Elke Hildebrandt, stellvertretender Landrat Hans-Hermann Lohfeld und Generalbevollmächtigter auf Schloss Gödens, Enno Herlyn, griffen zum Spaten. Foto: Ullrich

Es sei ein Ort der Würde, lobt Friedeburgs Bürgermeister Helfried Goetz (parteilos) im Rahmen der Einweihung. Und ein weiteres gut erreichbares Angebot an die Friedeburger. „Das Bestattungswesen ist im Wandel“, sagt er mit Verweis auf den nahegelegenen Wieseder Friedhof. Nicht jeder in der Gemeinde war im Vorfeld glücklich über die Pläne. Doch viele Bürger wollten eben genau so einen Ort für ihre letzte Ruhe. Als die Planung begann, habe es im Kreis Wittmund keine Möglichkeit für eine Baumbestattung in einem Wald gegeben, erinnert der stellvertretende Landrat des Landkreises Wittmund, Hans-Hermann Lohfeld (SPD). Es wurde nachgebessert: Im Wittmunder Wald gibt es seit Sommer einen Friedwald. Nun zieht Wiesede mit dem Gedächtnisforst nach.

Sigfried Bley zeigt den Gästen auch diese jüngst aufgeforstete Fläche mit Blick auf die Wallheckenlandschaft Friedeburgs. Foto: Ullrich
Sigfried Bley zeigt den Gästen auch diese jüngst aufgeforstete Fläche mit Blick auf die Wallheckenlandschaft Friedeburgs. Foto: Ullrich

Farbige Bänder markieren den Baum, an dem einmal bis zu 14 Personen zur ewigen Ruhe gebettet werden. Seit den 1970er Jahren sei in der einstigen Nadelwald-Monokultur ein nachhaltiger und moderner Waldumbau betrieben worden, erläutert Bley. Buchen, Eichen und Borkenkäfer-resistente Douglasien ersetzen ausgediente Fichten. „Mein Ur-Ur-Großvater hat diesen Wald gepflanzt“, erzählt Maximilian Graf von Wedel vom Namensgeber des Forstes. Auf einer kargen Heidefläche, die landwirtschaftlich nicht gut nutzbar gewesen sei, habe er Bäume gepflanzt. Er bewies Weitsicht: Karl Georg Graf von Wedel pflanzte Bäume für die nachfolgenden Generationen, von denen er selbst wirtschaftlich keinen Nutzen hatte. Auch heute setzt die Grafenfamilie auf Nachhaltigkeit und auf den Forst als gesundes Ökosystem: „Wir entwickeln ihn jetzt stark in die Richtung eines Mischwaldes.“

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