Gespräch mit neuem Geschäftsführer So geht es dem Handwerk in Leer und Wittmund

| | 02.11.2023 16:58 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Thomas Dreesmann ist seit dem 1. Juli Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Leer-Wittmund. Foto: Bothe
Thomas Dreesmann ist seit dem 1. Juli Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Leer-Wittmund. Foto: Bothe
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Seit dem 1. Juli ist Thomas Dreesmann der neue Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Leer-Wittmund. Ein Gespräch über die Lage in den Betrieben, die Digitalisierung und das Insolvenzverfahren.

Leer - Sein Spezialgebiet ist die Digitalisierung. Das wird im Gespräch mit Thomas Dreesmann deutlich. Seit dem 1. Juli ist der Bunder Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Leer-Wittmund mit seinen 14 Innungen und 500 Betrieben. Der 49-Jährige ist studierter Diplom-Kaufmann und war zuletzt sieben Jahre lang im Amt für Digitalisierung und Wirtschaft des Landkreises Leer tätig. Dort war er unter anderem für die Fachkräftegewinnung im Bereich IT, die Initiierung und Umsetzung von Förderprojekten sowie für den Digital Hub verantwortlich. Auch davor lag sein Schwerpunkt auf dem digitalen Bereich. Wir haben uns mit Dreesmann in den neuen Räumen der Kreishandwerkerschaft in der Konrad-Zuse-Straße in Leer getroffen und uns über die Lage im Handwerk unterhalten.

Was und warum

Darum geht es: Der neue Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft spricht über die Lage der Betriebe.

Vor allem interessant für: Handwerker und Menschen, die sich für die wirtschaftliche Lage der kleineren Betriebe interessieren

Deshalb berichten wir: Wir wollten den neuen Kreisgeschäftsführer und seine Ziele vorstellen.

Den Autor erreichen Sie unter: j.bothe@zgo.de

Die Situation im Handwerk

„Das Handwerk steht gut da“, betont Dreesmann. Allerdings gebe es auch Bereiche, bei denen dunkle Wolken aufziehen. Als Beispiel nennt er das Baugewerbe. Während der Corona-Pandemie hätten die Betriebe viel zu tun gehabt, weil die Menschen in ihr Eigenheim investiert haben. Mittlerweile sorgten die Preissteigerungen bei den Baumaterialien sowie die hohen Zinsen dafür, dass der Wohnungsbau-Bereich ziemlich eingebrochen sei.

„Der Baugipfel in Berlin war dringend erforderlich“, sagt der Geschäftsführer. Die Ergebnisse müssten jetzt schnell umgesetzt werden. Außerdem fordert er von der Politik absolute Zuverlässigkeit, was Gesetzesvorhaben angeht. Als Beispiel nennt er unter anderem das Heizungsgesetz und die weiteren Vorgaben zum Thema Energie. Das habe zur Folge, dass Pläne in den Kommunen für Baugebiete überarbeitet werden müssten.

Auch die gestiegenen Energiekosten im Zuge des Ukraine-Krieges belasten die Betriebe. „Wenn ein Betrieb 10.000 Euro mehr an Energiekosten zu zahlen hat, muss man das auch erstmal erwirtschaften können“, sagt Dreesmann. Der Bereich Sanitär, Heizung Klima hingegen habe beispielsweise gerade gute Marktbedingungen durch den vermehrten Einbau von Wärmepumpen und Photovoltaik.

Die Digitalisierung im Handwerk

„Nicht nur das Handwerk hat Nachholbedarf bei der Digitalisierung, sondern wir in Deutschland allgemein“, betont Dreesmann. „Wir holen aber auf.“ Die Kreishandwerkerschaft will den Betrieben aufzeigen, wie sie durch die Digitalisierung effektiver und effizienter werden, aber auch Kosten einsparen können. „Wir arbeiten viel mit Praxisbeispielen. Es ist wichtig, dass die Unternehmen schnell einen Nutzen erkennen müssen.“ Es gebe da noch viel Potenzial. Sei es bei den Internetseiten, aber auch bei speziellen Programmen oder der Mitarbeitergewinnung über die sozialen Netzwerke. Man wolle das mit den Kooperationspartnern weiter voranbringen.

Die Nachwuchsgewinnung

Ein wichtiger Punkt ist auch im Handwerk die Nachwuchsgewinnung. Dreesmann wolle sein Netzwerk, das er beispielsweise beim Landkreis Leer aufgebaut habe, nutzen. Dazu zählt er unter anderem die Arbeitsagentur, die Initiative Chance Azubi, die Schulen, die Hochschule und einige mehr. „Es geht darum, den jungen Leuten aufzuzeigen, wie zukunftsfähig diese Berufe sind“, sagt der Geschäftsführer. „Viele haben gar kein Bild darüber, wie modern das Handwerk ist und was es für Aufstiegschancen gibt.“ Man wolle erreichen, dass die jungen Leute die Betriebe kennenlernen. „Man muss sie in den Schulen schon abholen und ihnen die Möglichkeiten im Handwerk aufzeigen“, betont der Geschäftsführer. Manche hätten noch ein altes Bild von den Berufen.

Auch das Thema Betriebsnachfolge sei ein wichtiges Thema für die Kreishandwerkerschaft. „Wir wollen da unterstützen – Kümmerer sein“, so Dreesmann. Man versuche darauf aufmerksam zu machen, das Thema frühzeitig anzugehen. Das sei auch wichtig, um die Zahl der Handwerksbetriebe zu halten.

Die Bürokratie

Auch die Kreishandwerkerschaft ist der Meinung, dass die Bürokratie abgebaut werden muss. „Da ist noch viel Luft nach oben vorhanden“, so Dreesmann. Für die Unternehmen werde es immer mehr. Gerade kleine Handwerksbetriebe hätten nicht das Personal dafür. Als Beispiel für zu viel Bürokratie nennt er auch immer neue Vorschriften bei Baugenehmigungen.

Das Insolvenzverfahren

Vor vier Jahren musste die Kreishandwerkerschaft Leer-Wittmund Insolvenz anmelden. Hintergrund war damals eine mangelnde Dokumentation von geförderten Projekten mit ausländischen Jugendlichen. Der Bund forderte Geld zurück. „Das Insolvenzverfahren ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Dreesmann jetzt. Er betont aber, dass die Kreishandwerkerschaft gut dastehe. Man habe sie auf finanziell gesunde Füße gestellt. „Die Kreishandwerkerschaft steht finanziell gut da, um die Aufgaben auch zukünftig erfüllen zu können“, betont der neue Geschäftsführer. „Sie ist handlungsfähig.“ Die Innungen seien zudem eigenständig und nicht Teil der Insolvenz. Leider brauche das ganze Verfahren seine Zeit. Man hoffe aber, es schnellstmöglich abschließen zu können.

Das Haus des Handwerks in Leer

Das Haus des Handwerks wurde 1887 errichtet und steht in der Neuen Straße in der Leeraner Altstadt. Im Zuge des Insolvenzverfahrens muss sich die Kreishandwerkerschaft von dem denkmalgeschützten Gebäude trennen. „Es ist noch nicht verkauft“, sagt Dreesmann. Ein Maklerbüro sei eingeschaltet. „Wir sind davon überzeugt, einen Käufer zu finden.“ Es sei schade, dass man die Stadtvilla verkaufen müsse. „Es ist aber notwendig“, so der Geschäftsführer.

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