Serie „Unser Aurich“ In Wallinghausen kann die Feuerwehr Orkane erzeugen
Wallinghausen liegt mitten im Grünen und doch innenstadtnah. Das Dorf hat eine uralte Dorflinde, eine ungewöhnliche Form – und ein Feuerwehrauto, das seinesgleichen sucht.
Wallinghausen - Das Wahrzeichen von Wallinghausen ist ein jahrhundertealter Baum. Die mächtige Dorflinde steht am Heerenkamp. Nach ihr sind unter anderem eine Apotheke (Lindenboom-Apotheke), eine Kindertagesstätte (Kita Lindenbaum) und eine Straße benannt (An der Dorflinde).
Das genaue Alter der Dorflinde kennt niemand. Es dürfte zwischen 550 und 700 Jahren liegen. Die Linde ist auch im Wappen von Wallinghausen abgebildet. Sie war früher Mittelpunkt des Dorfes. „Unter ihren weit ausladenden Ästen versammelten sich die Dorfbewohner zu fröhlichen Feiern und ernsten Beratungen“, heißt es in der Festschrift zum 555-jährigen Bestehen Wallinghausens, das 1986 gefeiert wurde. „Unner de oll Linnboom“ wurden wichtige Mitteilungen bekannt gemacht.
„Mutter Janssen“ vereinnahmt
Mit gut 3500 Einwohnern ist Wallinghausen der drittgrößte der 21 Ortsteile Aurichs (nach der Kernstadt und Sandhorst). Wallinghausen erstreckt sich in einem langen Streifen entlang der Wallinghausener Straße von der Innenstadt bis Pfalzdorf. Die Grenzen sind selbst für Fachleute nicht leicht auszumachen. Jahrelang wurden Wahlen in der Gaststätte „Mutter Janssen“ abgehalten. Die liegt aber teils auf Plaggenburger, teils auf Sandhorster Gebiet, wie der Wallinghausener Ortsbürgermeister Harald Bathmann (SPD) lachend erzählt.
Unser Aurich – Wallinghausen
Größe: 5,81 Quadratkilometer
Einwohner: 3524
Ärzte: zwei Allgemeinmediziner, eine Kinderärztin
Schulen/Kitas: eine Grundschule, ein Hort, zwei Kindertagesstätten
Kirche: lutherische Matthäus-Kirche
Geschäfte: Edeka-Markt, Geschenkeshop mit Postfiliale und Lottoannahmestelle, Geflügelhändler, Geschäft für russische Spezialitäten
Sonstiges: Apotheke, Bank, zwei Friseure, ein Hotel, Dorfgemeinschaft mit acht Vereinen, Tennisanlage mit fünf Plätzen, zwei Reiterhöfe
Auch der Wald bei „Mutter Janssen“ gehört nicht zu Wallinghausen, sondern zu Plaggenburg. „Sollen die Plaggenburger das ruhig glauben“, sagt der stellvertretende Ortsbürgermeister Bodo Bargmann (CDU) augenzwinkernd. „Unser Herz hängt an diesem Wald“, sagt Bathmann. Die Lage zwischen zwei Wäldern – dem Mutter-Janssen-Wald und dem Egelser Wald – macht Wallinghausen attraktiv. „Wir haben den Grüngürtel vor der Nase, und das finden wir gut“, sagt Bathmann. Dennoch sei es nicht weit bis zur Innenstadt, ergänzt Bargmann. Die fängt auf dem Parkplatz der Ubbo-Emmius-Klinik an. „Die Dialyse gehört noch zu Wallinghausen“, scherzt Bargmann.
„Das war ein heftiger Schock“
Das Thema hat einen ernsten Hintergrund: Viele Beschäftigte des Krankenhauses wohnen in Wallinghausen und Egels. Auch die anderen Einwohner schätzen die Nähe zur Klinik. „Das war ein heftiger Schock für die Bevölkerung, als die Zentralklinik aufkam“, sagt Bargmann. Die Auricher, die Norder und die Emder Klinik sollen 2028 durch eine Zentralklinik in Südbrookmerland ersetzt werden.
Nicht nur wegen der Nähe zum Krankenhaus ist die medizinische Versorgung in Wallinghausen gut. Es gibt zwei Allgemeinmediziner und eine Kinderärztin. Auch zum Lebensmitteleinkauf muss man den Ortsteil nicht verlassen. Wilko Behrends betreibt seit April an der Wallinghausener Straße einen Edeka-Markt (früher NP). Der Inhaber spricht von einer „sehr zufriedenstellenden Umsatzentwicklung“. „Viele kaufen vor Ort ein“, sagt Behrends. Insbesondere ältere Menschen wüssten die kurzen Wege zu schätzen.
Grundeigentümer wollen nicht verkaufen
Der Kaufmann wohnt in Großefehn und würde gerne nach Wallinghausen ziehen. Dem 26-Jährigen geht es wie vielen jungen Menschen, die in Wallinghausen bauen möchten: Es fehlt an Bauplätzen. „Wir haben regelmäßig Anfragen“, sagt Bargmann. „Da müssen wir dringend was machen.“ Bathmann nickt. Vor 15 Jahren habe man ein großes Baugebiet an der Wallinghausener Gaste ausgewiesen. Seitdem stagniere die Entwicklung. Das Problem sei wie in vielen anderen Ortsteilen die fehlende Verkaufsbereitschaft von Grundeigentümern.
Der Reiz von Wallinghausen, das sind nicht nur die Wälder und die gute Infrastruktur, es ist vor allem die Gemeinschaft. „Wir sind ein Ortsteil, der zusammensteht und zusammen feiert“, sagt Bathmann. Acht Vereine und die Kirche sind in der Dorfgemeinschaft zusammengeschlossen, darunter Boßelverein, Schützenverein und Sportverein. Sie stimmen Termine ab, helfen einander und richten gemeinsam Veranstaltungen aus, zum Beispiel im Herbst die Spiele ohne Grenzen. Zum Schützenfest setzt sich im Sommer regelmäßig ein riesiger Umzug in Bewegung, der ausschließlich aus Wallinghausener Vereinen besteht.
„Jonnys Disco“ machte 2006 dicht
Vorsitzender der Dorfgemeinschaft ist Gerd Gerdes. Er ist zugleich Ortsbrandmeister von Wallinghausen. Wie praktisch, dass das Haus der Vereine neben dem Feuerwehrhaus steht. Dort präsentiert Gerdes stolz eine Besonderheit der Feuerwehr Wallinghausen, die seit 2019 im Einsatz ist: den Großlüfter. Ihn hat die Feuerwehr angeschafft, um riesige Hallen etwa im Gewerbegebiet Schirum oder bei Enercon belüften zu können, falls dort Feuer ausbricht. Der Großlüfter wälzt 213.000 Kubikmeter Raumluft pro Stunde um. Ein gigantischer Wert. „Das ist wie ein Orkan, wenn man davorsteht“, sagt Gerdes. Vergleichbares gebe es nur bei VW in Wolfsburg. Das Fahrzeug ist zwar für die Stadt Aurich angeschafft worden, es war jedoch auch schon in Großefehn und Wittmund im Einsatz. „Die Feuerwehren helfen sich gegenseitig“, sagt Bargmann, der ebenfalls Feuerwehrmann ist.
Wie in vielen Ortsteilen mangelt es in Wallinghausen an Gaststätten. „In guten Zeiten hatten wir sieben Kneipen“, sagt Gerdes. Wobei er „Mutter Janssen“ mitzählt. Diese Gaststätte existiert noch, ebenso das Hotel „Köhlers Forsthaus“. Alles andere ist Geschichte, genauso wie das legendäre Tanzlokal von Jonny Dieling. In „Jonnys Disco“ traten in den 1960er und 1970er Jahren Bands wie die Starfyghters auf. Ganze Generationen seien dort groß geworden, hätten sich kennen und lieben gelernt, erinnert sich Gerdes. „Da ist so mancher Meter Charly verzehrt worden“, sagt Bathmann schmunzelnd. 2006 wurde „Jonnys Disco“ dichtgemacht. Im selben Jahr starb Jonny Dieling im Alter von 64 Jahren. 2013 wurde das Gebäude abgerissen.
Ein denkmalgeschütztes Gebäude ganz in der Nähe besteht bis heute: „dat Wallinghus“. Der Gulfhof aus dem 18. Jahrhundert ist unter anderem Aufführungsstätte der Spöldeel Wallinghausen. Ubbo Gerdes, Ehrenmitglied der Spöldeel, hat den Wallinghausenern ein Lied geschrieben. „In ′t Ostfreesenland dicht bi Auerk liggt ′n lüttje Dörp“, heißt es dort. Selbstverständlich wird in dem Lied das Wahrzeichen von Wallinghausen erwähnt: „In uns Dörp dor steiht mennig Jahr woll all een Linnenboom. De kann uns völ vertelln, ut oller Tieden meld′n, van′t moije Wallinghusen.“
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