Mein Lieblingsartikel 2023 3000 Menschen und 275 Trecker gegen den Wolf

| | 29.12.2023 11:36 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Rund 3000 Menschen hatten sich zur Anti-Wolfs-Kundgebung auf dem Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz bei der Sparkassen-Arena versammelt. Fotos: Luppen
Rund 3000 Menschen hatten sich zur Anti-Wolfs-Kundgebung auf dem Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz bei der Sparkassen-Arena versammelt. Fotos: Luppen
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Rund 3000 Menschen sind in Aurich auf die Straße gegangen, um gegen den Wolf zu demonstrieren. Organisator Dr. Hansjörg Heeren begeisterte die Menge mit einer Rede gegen Nabu und Grüne.

Das Thema Wolf erhitzte im Frühjahr und im Sommer die Gemüter. Das gipfelte im Juni in einer Großkundgebung vor der Sparkassen-Arena in Aurich. Rund 3000 Menschen hatten sich dort versammelt, um gegen den Wolf zu demonstrieren. Parallel lief eine (deutlich kleinere) Gegenkundgebung. Auf mich wirkte vor allem der Auftritt des Wolfsgegners und Demo-Organisators Dr. Hansjörg Heeren aus Ihlow verstörend. Wie da jemand mit unsachlichen Äußerungen die Menge aufhetzte und dafür bejubelt wurde, das erinnerte mich an übelste historische Beispiele. Der damalige OZ-Chefredakteur Joachim Braun fasste die Reaktion auf unsere Berichterstattung später mit folgendem Satz zusammen: „In der Vor- und Nachberichterstattung zu den Wolfs-Demos haben wir massive Prügel von beiden Seiten bekommen. Für uns Journalisten ist das das höchste Kompliment. Alles richtig gemacht!“ Der Artikel ist erstmals am 11. Juni 2023 erschienen.

Aurich - Es dürfte eine der größten Kundgebungen in der Geschichte Aurichs gewesen sein: Rund 3000 Menschen aus ganz Ostfriesland und darüber hinaus haben am Sonnabend in der Kreisstadt gegen die aktuelle Wolfspolitik demonstriert. Sie waren einem Aufruf des Friesischen Verbandes für Naturschutz und der Vereinigung „Land schafft Verbindung“ gefolgt. Landwirte, Schafhalter und Pferdezüchter wünschen sich Ostfriesland als wolfsfreie Zone. Symbol der Kundgebung war ein durchgestrichener Wolfskopf mit gefletschten Zähnen.

275 Trecker hatten sich auf den Weg nach Aurich gemacht.
275 Trecker hatten sich auf den Weg nach Aurich gemacht.

Rund 275 Landwirte hatten sich mit Traktoren aus Richtung Leer, Wittmund und Pewsum nach Aurich aufgemacht. Diese Sternfahrt verlief nach Angaben der Polizei störungsfrei. Es habe kein Verkehrschaos gegeben, sagte Pressesprecherin Anna-Maria Janke am späten Abend. Auch mit dem Verlauf der Demo bei der Sparkassen-Arena war die Polizei zufrieden. „Es war alles sehr friedlich“, sagte Janke. Hier und da habe die Polizei „mal ein vermittelndes Gespräch“ geführt, doch das habe sich im Rahmen gehalten. Alles in allem sei es eine gelungene Veranstaltung gewesen.

„Sie haben die Wölfe losgelassen“

Organisator Dr. Hansjörg Heeren, Tierarzt aus Ochtelbur und Vorsitzender des Friesischen Verbandes für Naturschutz, peitschte die Menge am Ende der knapp zweistündigen Kundgebung mit einer Rede gegen den Naturschutzbund (Nabu) und die Grünen auf. Die Ansprache wurde immer wieder von Gejohle und Applaus unterbrochen. Auswärtige Menschen wollten „nach ihrem Gutdünken in unsere Heimat hineinregieren und -reglementieren“, sagte Heeren. Alle Ostfriesen würden durch eine Sorge vereint: „Sie haben die Wölfe losgelassen hier bei uns.“

Dr. Hansjörg Heeren teilte gegen Nabu und Grüne aus.
Dr. Hansjörg Heeren teilte gegen Nabu und Grüne aus.

Grüne und Naturexperten von außerhalb wollten „Stück für Stück unser Land an der Küste“ unter ihre Kontrolle bringen, warnte Heeren, „gegen den Willen der meisten Einheimischen“. Ein Landwirt nach dem anderen werde zur Aufgabe genötigt, „weil ihr eure Naturschutzgebiete bei uns vermehren und vergrößern wollt“. Es gebe immer mehr Zonen, die kein Ostfriese mehr betreten dürfe, „weil ihr da das Sagen habt, ihr Auswärtigen“. Die Auswärtigen seien „der größte Fehler in unserem System“, sagte Heeren.

„Wir wollen wieder angstfrei leben“

Mehrfach spielte der Demo-Organisator auf Probleme beim Beweidungsprojekt des Nabu mit Heckrindern in Leer an, wo zwei Kälber eingeschläfert werden mussten. „Eure Kälber, die lasst ihr schon mal verloren da liegen, zum Sterben im Dreck. Ihr solltet Kälberpatenschaften verkaufen statt Wolfspatenschaften.“ Der Wolf bedrohe die Ostfriesen. „Die Leute, die diese Wolfsvermehrung und -lenkung zu uns möglich gemacht haben, das sind die Deppen und die Tierquäler und nicht wir.“ Wölfe sollten „unsere friesische Freiheit nicht fressen“, forderte Heeren. Die Weidekulturlandschaft müsse wolfsfrei sein. „Wir wollen wieder angstfrei leben. Die Wölfe gehören hinter den Zaun und nicht wir.“ Heeren forderte die begeisterten Zuhörer auf: „Kämpft für eure Freiheit und das Leben eurer Tiere!“

Eine viel beachtete Rede hielt auch der niederländische Landwirt und Politiker Eddie van Marum von der Bauern-Bürger-Bewegung (BBB), seit Mai Abgeordneter im Regionalparlament der Provinz Groningen. „Ich bin der Meinung, dass die Gefahr von Wölfen unterschätzt wird“, sagte van Marum. „Wölfe sind sehr lernfähig.“ In den Niederlanden näherten sie sich schon Kindern, verfolgten Radfahrer und Reiter. „Wie lange lassen wir uns das noch gefallen?“ Dr. Hinni Lührs-Behnke, Präsident des Hannoveraner Verbandes, sagte: „Nicht umsonst ist unser Wappentier in Niedersachsen ein Weidetier, das Niedersachsenross, und nicht der Wolf.“

„Den Scheiß will kein Mensch hören“

Der Pferdezüchter Timo Schwarte aus Schwerinsdorf (Landkreis Leer) sagte: „Ostfriesland ist jetzt Wolfsland, und das ist von unseren Politikern so gewollt.“ Die Politiker betrieben „aktive Tierquälerei“, kritisierte Schwarte. „Der Wolf darf nicht über unseren Weidetieren stehen.“ Die einzige Frau auf dem Podium war die FDP-Politikerin Sarah Buss, Mitglied im Auricher Rat und im Kreistag sowie im Landesvorstand ihrer Partei. Jedes verletzte Tier auf der Weide sei eines zu viel, sagte Buss, die sich als leidenschaftliche Pferdehalterin bezeichnete. „Es gibt genug Gegenden auf der Welt, wo der Wolf leben kann, und zwar besser als hier.“

Die Antifaschistische Aktion Ostrhauderfehn hatte zu einer Gegenkundgebung aufgerufen. Der Vorsitzende Roger Miller übte vor dem Eingang zur Sparkassen-Arena lautstark scharfe Kritik an der Anti-Wolfs-Demo und wurde von Teilnehmern verbal angegangen. Ohne die umstehenden Polizeibeamten wäre es womöglich zu Handgreiflichkeiten gekommen. „Halt deine unqualifizierte Fresse“, rief ein Demo-Teilnehmer Miller im Vorbeigehen zu. „Den Scheiß will kein Mensch hören.“ Der 69-Jährige brach die Gegenkundgebung nach 20 Minuten ab. Das hatte er auch am Nachmittag bei einer Gegenkundgebung auf dem Marktplatz getan, wo er von einem bekennenden AfD-Sympathisanten und Querdenker angegangen wurde.

Auf der anderen Straßenseite, schräg gegenüber der Sparkassen-Arena, waren bereits am späten Nachmittag rund 40 Menschen einem Aufruf der Vereinigung „Ostfriesen gegen Tierleid“ gefolgt. Sie hielten Banner und Transparente zum Schutz des Wolfes in die Höhe. Trotz sengender Sonne hielten sie bis zum Abend durch.

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