Serie „Fehntjer Geschichte(n)“ Bei mancher Klappbrücke klappt es seit Jahren nicht mehr
Einst sorgten Klappbrücken für freie Fahrt der Binnenschiffe auf den Fehntjer Wasserstraßen. Heute prägen sie die Ansicht der Fehnlandschaft – aber geklappt werden sie nur noch selten bis gar nicht.
Großefehn - Sie sind Bauwerke, die es so in nur wenigen Regionen gibt: Klappbrücken prägen Großefehn wie seine Wasserstraßen und Menschen. Die Brücken sind in einer von Gräben, Wieken und Kanälen durchzogenen Gemeinde Teil des historischen Erbes. Dessen waren sich früher nicht alle bewusst. In den 1960er Jahren gab es Pläne, die Wasserstraßen zuzuschütten und zu Verkehrswegen für Autos, Lkw und Busse umzuwidmen. Heute weiß man es besser: Klappbrücken seien ein Teil des kulturellen Erbes der Gemeinde Großefehn, sagt Bürgermeister Erwin Adams (parteilos). Eines, das gepflegt werde. „Bei uns hat jede Klappbrücke ihren eigenen Namen.“
Insgesamt etwa 60 Brückenbauwerke fallen in die Zuständigkeit der Kommune. Eine ganze Menge. Für Fehngemeinden ist das keine Besonderheit, relativiert Günther Siefken, Fachgruppenleiter Bautechnik bei der Gemeindeverwaltung. Allerdings sind dies auch längst nicht alle Brücken im Gemeindegebiet. Andere Brücken gehören beispielsweise dem Kreis Aurich oder dem Land Niedersachsen. Insgesamt 28,5 Kilometer Kanäle und Wieken gehören unterdessen zur Gemeinde. Die Brückenbauwerke in Fehntjer Verantwortung tragen allesamt Namen: Brücken, Stege oder sogenannte Rahmendurchlässe. Auf einer übersichtlichen Karte im Fachbereich Bau und Planung im Rathaus der Gemeinde sind sie alle dokumentiert.
Anwohner haben ihre Brücken im Blick
Günther Siefken und seine Kollegen haben so den Überblick. Denn sie sorgen dafür, dass alle immer in einem baulich möglichst guten Zustand und damit auch verkehrssicher sind. Dazu am besten noch hübsch sauber. „Wir haben unsere Brücken schon regelmäßig im Blick“, versichert er. Sobald mal etwas kaputtgeht, laufen die Drähte im Bauamt heiß. Mal fahre ein Lkw gegen ein Geländer oder es lösten sich einzelne Holzbretter am Boden. Das erfahre er dann umgehend. „Wenn die Bohlen klappern, dann melden sich die Anwohner“, meint er und ergänzt: „Weil sie nicht schlafen können.“
17 der 60 Brückenbauwerke sind Klappbrücken. Wenn man es genau nimmt, eigentlich nur 16. Die Lüttje Deep ist eine Mogelpackung: Sie sieht aus wie eine Klappbrücke, ist es aber nicht. Einige der anderen Klappbrücken sind zumindest in der Theorie klappbar, werden aber nie geöffnet – weil kein Schiff mehr kommt, dem der Weg freigemacht werden müsste. So sei es beispielsweise bei der Compagniebrügg: „Die wurde seit bestimmt 15 Jahren nicht mehr geklappt; ist aber klappbar.“ Das hat sie mit mehreren anderen Klappbrücken gemein: Da die Verbindung auf dem Wasserweg von Ost- nach Westgroßefehn über Mittegroßefehn anders als noch vor beispielsweise 100 Jahren nicht mehr ohne Weiteres gegeben ist, bleiben sie halt geschlossen. Auch, wenn sie prinzipiell klappbar wären.
Wenn′s klappt, kostet das extra
Auf dem Wasserweg mitten durch Großefehn hindurch kommt nur noch, wer mit dem Kajak oder einem Paddelbrett unterwegs ist – und das notfalls an Land um einen auf dem Wasser unpassierbaren Durchlass tragen kann. Schiffe haben hier keine Chance mehr auf freie Fahrt. Einige Klappbrücken wurden im Laufe der Zeit ersetzt und wurden zu starren Bauwerken, die nicht mehr geöffnet werden können. Beispielsweise dort, wo sich in Ostgroßefehn Postweg und Kanalstraße Süd überschneiden. Siefken zeigt anhand eines alten Fotos: „1943 gab es bei der Mühle noch eine Klappbrücke.“ In den zurückliegenden Jahrzehnten aber wurden immer mehr feste Brückenbauwerke in Großefehn errichtet. Der Grund dafür ist simpel und hat wie so oft mit Geld zu tun. „Eine Klappbrücke ist teurer und in der Unterhaltung auch teurer“, sagt Siefken.
Irgendwann gab es trotzdem ein Umdenken: Die Klappbrücken dürften nicht einfach nach und nach aus dem Ortsbild verschwinden, war man sich einig. „Vor 15 Jahren haben wir angefangen, die Holzoberteile gegen Stahl zu tauschen. Und damit langfristig die Funktion und die Ansicht zu erhalten“, führt Siefken aus. Manchen gehe das nicht weit genug. „Den Wunsch, die Brücken zurückzubauen, gibt es immer wieder“, weiß der Bauingenieur. Das aber würde Unsummen kosten.
Die „Frauke“ braucht manchmal freie Fahrt
Da, wo es klappt, gibt es aber noch ab und an Schiffsverkehr. Bis zu fünfmal im Jahr wird dann der Bauhof aktiv und macht beispielsweise der „Frauke“ den Weg frei. Das Schiff gehört der Gemeinde und wird von einer Interessengemeinschaft unterhalten. Der Verein hat das Torfschiff im Sommer in die Werft gebracht und generalüberholen lassen. Von seinem Liegeplatz im Großefehnkanal aus ging es für das historische Binnenschiff über Marcardsmoor und den Ems-Jade-Kanal nach Holland. Jetzt kam sie zurück und liegt wieder an ihrem angestammten Platz.
Die Compagniebrügg zwischen Mühle und Rathaus in Ostgroßefehn lässt zwar kein Schiff mehr passieren, hat aber dennoch eine Besonderheit. Sie ist die einzige Klappbrücke, die im oberen Bereich noch aus Holz besteht, wie dies ursprünglich immer war. Errichtet wurde sie allerdings erst 1980. Mitte Dezember wurde sie wieder von einer Fachfirma auf Herz und Nieren geprüft. Alle sechs Jahre, so Siefken, kommt eine Brücke im Schnitt auf den Prüfstand. Dann werde auch mit einem Boot vom Wasser aus das Untere der Brücke begutachtet. Die Gemeinde bekomme in den folgenden Wochen ein Zeugnis ausgestellt. Darin zu finden ist dann neben einer Note für den Zustand der Brücke auch ein Hinweis, was gemacht werden muss. Bei der Compagniebrügg werden demnächst vermutlich einige Holzbohlen ausgetauscht werden müssen, schätzt der 51-Jährige bei einem kritischen Blick auf den Zustand der Fahrbahn.
Der Frühjahrsputz steht an
Gibt es an den Brückenbauwerken etwas zu tun, fällt das normalerweise in die Zuständigkeit seines Kollegen Ralf Biller. Vieles erledigt zudem der Bauhof. Beispielsweise werde der im Frühjahr dem Moosbelag den Kampf ansagen, so Siefken. Der Bauhof sei für Reinigungsarbeiten wie diese mit einem neuen Spezialgerät ausgestattet worden. Damit werde alles wieder blitzblank und strahlend weiß. Das sei den Fehntjern wichtig, verrät der Bauingenieur. Wenn das Moos auf den verbindenden Bauwerken überhandnehme, häuften sich die Anrufe der Anlieger. Nach dem Winter sei es zudem wichtig, die Streusalzreste gründlich zu entfernen. Die würden sonst die Stahlkonstruktion der Brücken angreifen.
Aber wieso hat jetzt eigentlich jede Brücke einen Namen? Offiziell hätten die Brückenbauwerke oft keine Namen gehabt, erinnert sich Siefken. Im Volksmund aber hätten viele eben doch schon lange Bezeichnungen. Vor etwa zehn Jahren dann habe es eine Initiative gegeben: Die Ortsräte sammelten die vorhandenen, meist plattdeutschen Namen und machten Vorschläge für die Brücken, Stege oder Durchlässe, die bis dato als namenlos galten.
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