„Meine Woche“ Ein Brief an die Demokratie

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Ein Kommentar von Lars Reckermann
| 06.01.2024 12:03 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 2 Minuten
Am 8. Januar protestieren die Bauern gegen die Sparpläne der Bundesregierung. Archivfoto: Sommer/DPA
Am 8. Januar protestieren die Bauern gegen die Sparpläne der Bundesregierung. Archivfoto: Sommer/DPA
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Es ist eine merkwürdige Zeit, in der wir uns gerade bewegen. Welchen Stellenwert hat die Demokratie? Chefredakteur Lars Reckermann hat ihr einen Brief geschrieben.

Liebe Demokratie, ich habe das Gefühl, dass unsere Beziehung gerade sehr anstrengend ist. Dabei habe ich gar keinen Grund, mit dir unzufrieden zu sein. Wenn es jemanden in meinem Leben gibt, der mir alle Freiheiten lässt, dann bist du es. Ich darf sogar mitbestimmen, wer in unserer Beziehung das Sagen hat. Du verzeihst sogar viele verbale Entgleisungen.

Du musst im Moment viel aushalten. Wer da alles in deinem Namen spricht. Manchmal bin ich schockiert. Wie kannst Du so etwas nur durchgehen lassen? Ich will diesen Müll nicht hören. Aber dann erinnerst Du mich daran, dass eine Beziehung vom Zuhören lebt, vom Einmischen, vom Engagement, von Mut und Vertrauen.

Schau Dir einige unserer Bekannten an. Da gibt es Angst, offen seine Meinung zu sagen. Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck hat unsere Beziehung als „Wunder“ bezeichnet. Wie recht er hat.

Ich will ehrlich sein. Zuerst wollte ich am 8. Januar mit dir zum Scheidungsanwalt gehen. Wer da gerade alles in unserer Beziehung mitredet... Damit wäre ich aber keinen Deut besser als diejenigen, die das „Wunder der Demokratie“ nicht sehen wollen. Nun möchte ich dich am 8. Januar noch einmal heiraten. Denn insgeheim feiern an diesem Tag Tausende von Menschen in diesem Land genau das: unsere wunderbare Beziehung.

Den Autor erreichen Sie unter l.reckermann@zgo.de

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