Florian Schroeder im Interview Darf Satire wirklich alles, Herr Schroeder?

| 09.01.2024 12:04 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 7 Minuten
Frank Schroeder kommt in die Stadthalle in Aurich. Foto: Frank Eidel
Frank Schroeder kommt in die Stadthalle in Aurich. Foto: Frank Eidel
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Kabarettist Florian Schroeder erzählt im Interview über die Bedeutung des Bösen, wie ihn sein Humor zu Schulzeiten gerettet hat und warum er bei einer Querdenker-Demo aufgetreten ist.

Aurich - Ob als Moderator, Buchautor oder Kolumnist – wenn es um Satire und Kabarett geht, zählt er zu den festen Größen innerhalb der deutschsprachigen Medienlandschaft. Am Freitag, 12. Januar 2024, kommt Florian Schroeder mit seinem aktuellen Bühnenprogramm „Schluss jetzt!“ in die Auricher Stadthalle.

Herr Schroeder, wie lautet denn Ihre Überschrift für den Jahresrückblick auf 2023?

Florian Schroeder: Das Jahr war so vielschichtig, dass man darüber final eigentlich keine Überschrift setzen kann. Wenn ich eine wählen müsste, würde ich sagen: Besser als sein Ruf.

Sie haben im vergangenen Jahr ein Buch veröffentlicht mit dem Titel „Unter Wahnsinnigen – Warum wir das Böse brauchen“. Das klingt jetzt nicht sonderlich lustig.

Schroeder: Das ist sehr nah an meiner komödiantischen Arbeit. Es heißt ja immer, Satire und Kabarett seien nur dann gut, wenn sie böse sind. Wie böse ich auf der Bühne sein kann, das weiß ich selber. Aber was passiert, wenn ich die Bühne verlasse und mir Menschen angucke, die wirklich Böses getan haben, also im justiziablen Sinne?

Und welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?

Schroeder: Eine These des Buches ist, dass wir das Böse deshalb brauchen, weil wir selber uns als die Guten fühlen wollen und uns nur ungern mit unseren eigenen bösen Seiten auseinandersetzen. Wenn wir das Böse als Teil von uns anerkennen, ist es nämlich gar nicht mehr so böse.

Sie haben das Böse in der eigenen Familie erlebt.

Schroeder: Tatsächlich gibt es auch bei mir eine Vorgeschichte und eine Vertrautheit mit dem Dunklen, da mein Vater kriminell war. Er war ein klassischer Hochstapler und Betrüger, der dafür auch im Gefängnis gesessen hat. Das war jahrelang ein Tabu innerhalb unserer Familie. Aber ich kann nicht meine Vorgeschichte einfach so ausblenden und den Leuten sagen: Guckt auf eure eigenen dunklen Anteile, statt auf die der anderen – dann muss ich das auch selbst tun.

Was oder wer hat Sie davon abgehalten, dem Vorbild Ihres Vaters zu folgen und mit ihm ins Dunkle abzurutschen?

Schroeder: Zum Glück war meine Mutter ein gutes Korrektiv. Ich habe viel von ihr gelernt und vor allem den Humor von ihr geerbt. Sie hatte auch ein parodistisches Talent. Das war bei mir als Kind zwar noch nicht sonderlich ausgeprägt, weil ich einfach zu klein war. Aber aus der Not, zu keiner Gruppe richtig dazuzugehören, habe ich mich bereits zu einem relativ frühen Zeitpunkt mit Humor gerettet.

Sie hatten schon mit 14 Jahren ihren ersten Fernsehauftritt.

Schroeder: Das stimmt, das war bei Harald Schmidt. Ich hatte mich bei seiner Sendung „Schmidteinander“ beworben und durfte 30 Sekunden lang Helmut Kohl und Norbert Blüm parodieren. Das hat meinen Rang in der Schule völlig verändert. Plötzlich flog nicht mehr mein Schulranzen durch die Gegend. Stattdessen wurde ich respektiert und geachtet. Plötzlich hieß es: Mensch, mach doch noch einmal unseren Sportlehrer nach. Außerdem bekam ich daraufhin ein Praktikum beim Radio. Ich wollte immer schon zum Radio und zum Fernsehen. Und ich wollte das möglichst früh schaffen, weil ich Angst hatte, ich könnte zu alt sein, was natürlich irrwitzig war.

Sie haben jede Menge Preise gewonnen. Welche Bedeutung hatten und haben die für Sie?

Schroeder: Am Anfang einer Karriere sind diese Wettbewerbe wichtig, um überhaupt in der Branche Fuß zu fassen. Das ist so eine Art „Anschubfinanzierung“. Man wird von Veranstaltern und Fernsehredakteuren gesehen und kann danach richtig durchstarten. Deswegen habe ich auch bei solchen Wettbewerben mitgemacht. Selbstverständlich habe ich mich gefreut, wenn ich einen Preis gewonnen habe. Als ich noch recht jung war, war das für mich ein erstes Zeichen, dass ich mein Talent nicht völlig falsch eingeschätzt hatte. Inzwischen ist das aber schon einige Zeit her, und ich bin niemand, der sich auf Preise etwas einbildet. Ich freue mich nach wie vor, wenn ich einen bekomme. Aber das ändert nichts an der Notwendigkeit weiter zu arbeiten.

Unter anderem sind Sie mit dem Deutschen Kleinkunstpreis 2021 ausgezeichnet worden, was wohl auch mit Ihrem Aufsehen erregenden Auftritt bei einer Querdenker-Demo zu tun hatte. Können Sie uns kurz den Hintergrund schildern?

Schroeder: Ich hatte eine lange vorher geplante Aufzeichnung meines Solo-Programms beim NDR, die wegen Corona in einem leeren Studio ohne Publikum stattfand. Das war im Juni 2020. Die Querdenker-Demos waren damals noch relativ neu und ich habe als Teil meines Programms einen von denen gespielt. Das heißt, ich bin langsam abgedriftet und habe Fakten und Fiktion wahllos durcheinander gewirbelt. Das war aber lediglich ein Ausschnitt, den sich ein paar Querdenker herausgenommen und auf Youtube gepostet haben, so dass er isoliert dastand, obwohl ich das vorher klar eingeordnet hatte. Ein paar Querdenker dachten daraufhin, ich sei einer von ihnen und luden mich ein, um mich auf einer ihrer Demos zu outen. Als sie mich dann tatsächlich einluden, habe ich das Spiel einfach mitgespielt.

Hatten Sie gar keine Bedenken?

Schroeder: Ich habe mir schon genau überlegt, was ich da tue. Ich habe mir gesagt, ich gehe da hin und mache daraus einen kleinen satirischen „Stunt“, indem ich denen erst einmal erzähle, was sie hören wollen, um das Ding anschließend langsam zu drehen. Natürlich hatte ich entsprechende Sicherheitsvorkehrungen mit Security-Leuten. Natürlich erfordert das eine gewisse Portion Mut. Die gehört in meinem Berufsverständnis aber dazu. Ich halte nichts davon, mich immer nur in der eigenen Komfortzone des sicheren Gesinnungsapplauses zu bewegen. Und das heißt für mich, auch dahin zu gehen, wo nicht bedingungslos applaudiert wird.

Ist das auf die Dauer nicht extrem frustrierend?

Schroeder: Wenn mich das zu sehr deprimieren würde, hätte ich ein Problem. Dann wäre die Verbitterung nicht weit, und das würde man merken. Meine Arbeit besteht darin, mit möglichst großer Heiterkeit das zu erzählen, was ich zu sagen habe. Dabei will ich die Leute weder verbessern noch belehren. Das wäre ja größenwahnsinnig und eine ziemliche Anmaßung. Denn das würde implizieren, sich selber eine Ausstrahlung zuzutrauen, die die Entscheidungen anderer Menschen beeinflussen kann. Wenn das mein Wunsch oder Ziel wäre, sähe meine Arbeit reichlich oberlehrerhaft aus. Und ich glaube, da gibt es schon genug andere, die das versuchen.

Ein weiteres persönliches Highlight ist Ihre neue TV-Sendung „Schroeder darf alles“. Darf er wirklich alles oder gibt es nicht doch irgendwo auch Grenzen?

Schroeder: Die rote Linie ist das Grundgesetz. Ich denke, das ist die essenzielle Botschaft, gerade da dieser Tage die Kunstfreiheit von vielen Seiten unter Beschuss geraten ist. Manche versuchen, die Kunstfreiheit bewusst einzuschränken, weil sie ein Interesse daran haben, diese Form der Anarchie zu unterbinden. Für mich ist die Grenze immer nur das Grundgesetz. Alles andere sind geschmackliche Dinge. Das sind dann eben Entscheidungen des Künstlers. Eine meiner Prämissen ist: keine Witze auf Kosten von Menschen, die es nicht verdient haben. Und das versuche ich auch einzuhalten.

Und wo geht es 2024 hin?

Schroeder: Da eine Prognose zu wagen finde ich schwierig. Ich befürchte, der Ukraine-Krieg und das, was wir gerade in Israel und im Gaza-Streifen erleben, wird beides noch lange andauern. Diese weltpolitischen Geschehnisse werden sicherlich auch die Prozesse hier bei uns weiter beeinflussen. Dann haben wir eine Rechte, die immer stärker wird, und eine Linke, die nicht mehr weiß, wo sie steht. Auch das birgt ein gewisses Sprengkraftpotenzial. Ich hoffe nur, dass es uns 2024 gelingt, zumindest in der Analyse zu differenzieren, ohne dass wir uns ständig die Köpfe einhauen.

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