Holocaust-Gedenktag 2024 Aurich erinnert an Geschichte und Antisemitismus

Werner Jürgens
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Von Werner Jürgens
| 22.01.2024 10:44 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Auch in diesem Jahr hat der Auricher Arbeitskreis für den Holocaust-Gedenktag wieder ein gemeinsames Programm zusammengestellt. Foto: Jürgens
Auch in diesem Jahr hat der Auricher Arbeitskreis für den Holocaust-Gedenktag wieder ein gemeinsames Programm zusammengestellt. Foto: Jürgens
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Aurich begeht den Holocaust-Gedenktag 2024 mit besonderen Veranstaltungen. Schülerprojekte, Vorträge und Musik beleuchten eine dunkle Ära der Geschichte. Wer spricht und was die Besucher erwartet.

Aurich - Der 27. Januar 1945 ist der Tag, an dem das Konzentrationslager in Auschwitz befreit wurde. Seit 2005 erinnert der Internationale Holocaust-Gedenktag an das historische Datum. Eine Auricher Arbeitsgruppe organisiert zu diesem Anlass regelmäßig Gedenkveranstaltungen, die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzen.

2024 steht unter der Überschrift „Vom Brand der Synagogen bis zu den Krematorien in Auschwitz“. Den Hauptvortrag wird der Leiter der Bibliothek der Ostfriesischen Landschaft Dr. Heiko Suhr halten. Zudem werden wie immer Schülerinnen und Schüler vom Auricher Gymnasium Ulricianum ihre Projekte zu dem Thema vorstellen. Für den musikalischen Rahmen sorgt in diesem Jahr die Pianistin Natalia Kuhn. Die Veranstaltung findet am Sonnabend, 27. Januar, im Auricher Güterschuppen statt. Beginn ist um 19.30 Uhr.

Zwei Schülergruppen präsentieren Projekte

Geschichtslehrer Sebastian Berger und sein Kurs hatten in diesem Jahr gleich sechs Projekte, die für die öffentliche Präsentation zur Auswahl standen. Letztlich haben sie gemeinsam zwei davon ausgesucht. Eine Gruppe hat Carl Osterwald als Zeitzeugen interviewt und dessen Erinnerungen in einem zwölfminütigen Filmbeitrag festgehalten. Der emeritierte Pastor ist Jahrgang 1927 und dürfte vielen Menschen weit über Ostfrieslands Grenzen hinaus wegen seines Engagements rund um die Gedenkstätte des ehemaligen KZs in Engerhafe bekannt sein.

Die zweite Schüler-Gruppe hat sich das jiddische Lied „Es brennt“ und die Biographie seines Schöpfers Mordechai Gebirtig vorgenommen. Der jüdische Komponist und Dichter wurde 1877 in Krakau geboren und 1942 auf den Weg ins Vernichtungslager Belzec von deutschen Soldaten erschossen. Natalia Kuhn nähert sich der Thematik ebenfalls über die Musik. Sie wird aus dem Repertoire des 1996 verstorbenen deutsch-russischen Komponisten Alfred Schnittke spielen. „Als ich gefragt wurde, ob ich mitmachen möchte, ist er mir sofort eingefallen“, sagt die Musiklehrerin. „Als Sohn eines jüdischen Vaters und einer wolgadeutschen Mutter hat er es in der Sowjetunion unheimlich schwer gehabt. Und das spiegelt sich auch in seinen Stücken wider.“

„Eine Warnung an gegenwärtige Generationen“

Die Überschrift für die diesjährige Auricher Gedenkveranstaltung ist laut Dr. Heiko Suhr „bewusst etwas provokant formuliert“, so der Historiker. „Eigentlich sind die Pogromnacht und die Krematorien in Auschwitz zwei Themen, die unterschiedlich erinnert werden. Wir versuchen, das zusammenzuführen und gleichzeitig den Fokus auf die Gegenwart zu lenken. Wir haben den Blick zurück und die Erfahrung, die uns hilft, auch aktuelle Debatten über Antisemitismus besser zu verstehen.“

Selbst von jenen, die die Synagogenbrände 1938 miterlebt haben, hätte sich wohl kaum jemand vorstellen können, was da noch alles kommen sollte. Wer analog dazu heutzutage beispielsweise antisemitische Graffitis lediglich als eine Art „Höhepunkt“ betrachten würde, vergesse leicht, dass das „genauso der Anfang von etwas noch Schlimmerem sein kann“, mahnt Dr. Heiko Suhr. „Auf jeden Fall ist es eine Warnung an gegenwärtige Generationen, wachsam zu sein.“ Und Gründe, wachsam zu sein, gibt es aus Sicht der Organisatoren des Gedenktages allein schon wegen der stetig wachsenden Akzeptanz rechtspopulistischer Parolen derzeit genug.

Außer der Ostfriesischen Landschaft und dem Gymnasium Ulricianum beteiligen sich an der Veranstaltung im Güterschuppen, darüber hinaus noch die Stadt Aurich, das Auricher Europahaus, der Arbeitskreis Stolpersteine Aurich, der Verein der Gedenkstätte KZ Engerhafe, die Initiative „Aurich zeigt Gesicht“, die Deutsch-Israelische Gesellschaft Ostfriesland, der Auricher Heimatverein, die Projektgruppe Kriegsgräberstätte Tannenhausen sowie der Landkreis Aurich mit seinen Kreisvolkshochschulen in Aurich und Norden. Aus Sicht von Dr. Heiko Suhr ist genau diese vielfältige Zusammensetzung wichtig und wertvoll. „Erinnerungsarbeit funktioniert nicht, wenn sie ein Nischendasein führt und ein Verein einmal im Jahr aktiv wird“, weiß der Wissenschaftler. „Sie muss von einer breiten Schicht der Gesellschaft mitgetragen werden, und das eben auch von der jungen Generation.“

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