Serie „Fehntjer Geschichte(n)“ Felde – eine Mühle und ihr amerikanischer Zwilling
Die Mühle in Felde ist ein imposantes Bauwerk. Ihr Erbauer Hinrich Reemts Emminga war umtriebig: Er schuf drei nahezu identische Mühlen in Ostfriesland und Golden, Illinois. Zwei stehen noch heute.
Felde/Golden - Eine Windmühle ist ein äußerst imposantes Zeugnis der Baukunst. Viele Meter hoch ragt sie in den Himmel. Früher sorgte sie für das tägliche Brot der Menschen und trotzte Stürmen. Heute ist der Besitz eines zweistöckigen Galerie-Holländers eine Liebhaberei, eine Lebensaufgabe oder die Beschäftigung für viele, die in einem Verein organisiert sind. „Wir haben uns verliebt“, erzählt Dorothee Büdenbender darüber, wie sie und ihre Familie an ein solches Schmuckstück kamen. „Wenn Sie hier im Garten sitzen, denken Sie: ‚Wir sind am schönsten Ort der Welt‘.“
So zumindest empfindet sie es, auch heute noch. Im Sommer 2015 zog die Familie aus dem Siegerland nach Ostfriesland. Sie hatte die Mühle Felde in einem Magazin entdeckt, in dem ihr Verkauf inseriert war. „Für uns war es eine gute Möglichkeit, Platz für die Familie zu haben“, erinnert sich die Mühlenbesitzerin. Zu der Mühle, Baujahr 1866, gehören ein Packhaus und ein Gulfhaus. In Letzterem lebt die Familie. „Es war früher das Gesindehaus.“ In ihrer Küche sei ein riesiger gasbetriebener Dampfbackofen gewesen, in dem Brot gebacken wurde. Entstanden war das natürlich aus dem in der Mühle gemahlenen Mehl.
Drei Mühlen, zwei Kontinente, ein Mühlenbauer
Der erste Müller, der hier sein Mehl mit einem Schrot- und Feinmahlgang herstellte, war zugleich der Erbauer der Mühle. Hinrich Reemts Emminga (1829-1886) hatte zu diesem Zeitpunkt schon Übung. Es war nicht seine erste Mühle – und es sollte auch nicht die letzte sein. Der aus Holtrop/Wiesens stammende Emminga kam aus Amerika nach Felde. Dort hatte der Mühlenbauer in Golden, Illinois, bereits eine Mühle gebaut. Und dorthin ging er einige Zeit nach der Vollendung der Mühle auch wieder zurück. Und baute eine dritte. Alle drei dieser Mühlen betrieb der reiselustige Ostfriese einige Zeit selbst. Zwei der drei Mühlen sind bis heute erhalten. Außer der Mühle in Felde steht auch die dritte von ihm erbaute, die amerikanische Prairie Mill, noch. Sie wurde durch den Förderverein Golden Historical Society restauriert, der das Kleinod regelmäßig der Öffentlichkeit zugänglich macht.
Am „Tag des offenen Denkmals“ öffnen auch Büdenbenders ihre Mühle. „Die Technik ist faszinierend“, schwärmt ihre Besitzerin. „Die Mühle ist noch komplett erhalten.“ Über den Zwilling ihrer Mühle hat die Frau schon einiges in Erfahrung bringen können. Schon auf dem Weg nach Übersee habe Emminga einen Geldgeber für sein Bauvorhaben gefunden, berichtet sie im Gespräch mit der Redaktion. Im Jahr 1852 kam Emminga nach Golden, seine erste Mühle war 1854 fertig. Die Custom Mill ist heute verschwunden, wissen die Geschichtsinteressierten bei der Golden Historical Society. Neun Jahre lang betrieb der Ostfriese die Mühle. Dann verkaufte Emminga die Custom Mill und ging zusammen mit seiner Frau Margaretha zurück nach Deutschland, nach Großefehn.
Sich drehende Mühlenflügel vertreiben den Holzwurm
Nach der Fertigstellung der Mühle in Felde mahlte er dort fünf Jahre lang Mehl und Schrot. Und wieder verkaufte er die Mühle, die malerisch direkt an der Alten Flumm liegt. Aufzeichnungen zufolge wurde sie erst 1969 stillgelegt. Ihr Zustand wird im 1990 erschienenen Buch „Von Mühle zu Mühle. Eine Fahrt durch Ostfriesland – Land der Windmühlen“ von Hermann und Joachim Bloem als stark vom Verfall bedroht beschrieben, als die Vorbesitzer die kauften. Erst 1983 habe sie wieder Flügel aus der Werkstatt von Mühlenbauer Theo Mönck bekommen. Die Mühle hat einen Stert an der Mühlenkappe. Die Flügel müssen per Hand in den Wind gestellt werden. Bei der Übernahme des Bauwerks 2015 aber saß der Kopf des Galerie-Holländers fest, erinnert sich Dorothee Büdenbender. Und auch jetzt würden die Flügel nicht so oft in den Wind gedreht, wie dies unter anderen Umständen möglich wäre. „Die Mühle sollte regelmäßig drehen“, weiß sie. „Allein schon, um die Holzwürmer zu vertreiben.“
Der Erhalt einer historischen Windmühle ist zeitlich wie auch finanziell keine leichte Aufgabe, gibt sie zu. „Einiges war uns auch nicht so bewusst.“ Demnächst würden die Mühlenbauer nach dem Rechten sehen. Eine ganz normale Wartung, sagt sie. Fragen wie: „Ist alles sturmsicher? Sind die Bremsen noch fest“, gelte es zu klären. Dem und mehr musste sich auch die Golden Historical Society stellen. Im Jahr 2002 wurde dort erstmals wieder Getreide mit der Kraft des Windes gemahlen. Zuletzt war dies 1924 möglich gewesen. Dann riss ein Sturm die Flügel des Holländers ab. Einige Jahre wurde hier noch motorenbetrieben gemahlen. Auch das war um 1930 vorbei.
Mühle mahlte preisgekröntes Mehl
Im Jahr 1986 gründete sich dann aber ein Verein, um die Prairie Mill vor dem Verfall zu retten. Für die Ehrenamtlichen der Golden Historical Society steht fest: Sie ist nahezu identisch und baugleich zur deutschen Mühle in Felde. Die Geschichtsinteressierten sorgten bis 2004 nicht nur für eine Komplettüberholung durch den bekannten Mühlenbauer Derek Ogden, sie haben darüber hinaus auch einiges an Recherchearbeit geleistet. Sie trugen unter anderem zusammen, dass die Mühle seit ihrem Aus im eigentlichen Sinne unter anderem als Taverne gedient hatte. Danach verfiel sie zusehends, was die Society auf den Plan rief.
Zuvor aber war sie ein Meisterwerk deutscher Baukunst: Ogden bescheinigte seinen Auftraggebern, die 1873 fertiggestellte Mühle sei eine der besten, die er in den USA und Europa gesehen habe. Die Mühlensteine hatte Emminga sich extra aus der Eifel liefern lassen: Sie wurden mit dem Schiff bis nach New Orleans und von dort aus über den Mississippi transportiert. Die letzten Meilen aber mussten die gigantischen Steine über Land angeliefert werden. Emminga soll dafür einen speziellen Ochsenkarren mit zehn Tieren konstruiert und gebaut haben.
Dieser Einsatz sollte sich auszahlen, denn ein Produkt aus Emmingas Mühle wurde schon 1874 preisgekrönt. In einem Wettbewerb in St. Louis belegte sein Mehl den ersten Platz. Emminga verkaufte seine Mühle schon vier Jahre später an seinen Sohn Harm Emminga. Der Senior kehrte zurück nach Ostfriesland, wo er 1886 starb. Harm Emminga aber führte die Familientradition fort, ebenso wie noch dessen Sohn Jacob nach seinem Tod 1915.
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