Serie „Fehntjer Geschichte(n)“ Die Gattersäge – hier wird noch gesägt wie anno dazumal
Früher hatte jedes Dorf eine Sägerei. Heute sind historische Gattersägen wie die auf dem Eiland in Westgroßefehn selten. Eine Gruppe Freiwilliger lässt sie regelmäßig rattern. Das zieht Besucher an.
Westgroßefehn - Wenn die Männer von der Gattersäge in Aktion sind, entgeht das niemandem auf dem „Eiland“ von Westgroßefehn. Dann nämlich rattert die imposante Säge meist lautstark. Die brummenden und tosenden Motoren, dazu das Ritsche-Ratsche des Sägeblattes – viele Besucher des Museums und der Teestube folgen zwangsläufig diesen ungewöhnlichen Klängen. Sie sind neugierig und wollen wissen, was es mit diesem Lärm auf sich hat – und stehen irgendwann vor Karl-Heinz Weber, Manfred Dieling und ihren Mitstreitern. Eine kleine Gruppe von Freiwilligen kümmert sich im „Fehnmuseum Eiland“ um die Gattersäge. Gerade haben sie gemeinsam einen dicken Eichenstamm auf dem Schlitten in Position gebracht. Der nimmt jetzt Kurs auf das Sägeblatt.
Mit flotten, regelmäßigen Bewegungen schneidet das Sägeblatt durch den harten Stamm des Baumes. Angetrieben wird der von einem alten Siemensmotor. Dank einer bewährten Mechanik und des Zusammenspiels aus Riemen, Zahnrädern, Laufkatze und Schlitten funktioniert das Sägen fast von allein. Es dauert nur wenige Minuten, dann hält Weber eine prächtige Eichenbohle in den Händen. Die Sägeblätter sind scharf. Sie sind das einzig Neue an der sonst historischen Maschine. Er lasse die Sägeblätter regelmäßig bei einem anderen Gattersägen-Verein schärfen, erklärt Weber. Insgesamt hat der Verein sieben Exemplare. So gibt es stets Nachschub. Denn die Männer von der Gattersäge sind fleißige Handwerker: Sie sägen gegen Spende auf Bestellung zu und stellen Bohlen und Pfosten für den Verkauf an Besucher her. Selbst kunsthandwerklich betätigen sie sich. Weber: „Jeder Euro, der hier reinkommt, geht an den Verein.“
Begeistert von Handwerk und Technik
Zuweilen nutzen sich die Sägeblätter erstaunlich schnell ab und werden stumpf. Gerade Eiche hat ein sehr hartes Holz, was dem Material zusetzt. Vor allem aber resultiert der Verschleiß aus all dem, was die Männer zusätzlich in den Bäumen entdecken, beispielsweise Nägel oder Munition. „Der erste Balken, den wir hier geschliffen haben, da war ein Weidezaun drin“, erinnert sich Weber. Und in einem 1,20 Meter dicken Stamm sei einmal eine Leiter eingenagelt gewesen. Weber besorgt das Holz, was auf der Gattersäge weiterverarbeitet wird. „Alles Spenden“, erzählt er. Die Gruppe kommt regelmäßig zusammen. Wie er sind alle Teilnehmer überaus technikaffin. Das Gros der Männer ist anders als Karl-Heinz Weber bereits in Rente.
Wann immer etwas an dem historischen Sägewerk repariert, instand gesetzt oder überarbeitet werden muss, kann sich das „Fehnmuseum Eiland“ auf seine Fachleute verlassen. „Die sind handwerklich fit“, bescheinigt die Vorsitzende Kerstin Buss dem Team. Zuletzt hätten sie die Wände der Gattersäge erneuert und den gesamten Bereich neu gepflastert. Regelmäßig, meist sonntags, können Besucher die Männer von der Gattersäge in Aktion erleben. Die Termine gibt das Museum über seine Internetseite www.fehnmuseumeiland.de bekannt. Am Pfingstmontag, 20. Mai, rattert das Sägegatter. Dann veranstalten die Mitglieder der Geschichtswerkstatt des Museums zudem einen Bücherflohmarkt und organisieren eine „Lüttje Utstellung“ mit der Vorstellung des Ortsteiles Akelsbarg sowie mit Bildern des jungen Künstlers Nico Jakobs aus Akelsbarg. „Auf einem größeren Bildschirm werden wir Videos von den Festen 200 und 222 Jahre Akelsbarg vorstellen“, berichtet Helmut von Aswege. Er und seine Mitstreiter nehmen zu diesem Anlass zudem ältere Fotos aus Akelsbarg von den Besuchern entgegen und scannen diese ein. Daraus soll im Nachgang ein Bildband entstehen, kündigt er an.
Die Geschichte des Eilands
Das Eiland ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Art Insel: Wenn im Winter die Niederungen rings um die aufgeschüttete Erhebung unter Wasser standen, ragte am heutigen Rande Westgroßefehns nur das Eiland heraus. Ursprünglich stand hier eine Sägemühle. Heinrich Tebbenhoff zufolge wurde diese im Jahr 1792 erbaut. In „Großefehn – seine Geschichte“ beschreibt er, Johann Hermann Rhoden – in anderen Quellen auch Roden geschrieben – habe 1776 vom Zimmermann Tönjes Janssen ein rund 17.500 Quadratmeter großes Stück Moorland gekauft. Zunächst erbaute er auf dem „Eilande“ ein Wohnhaus mit Hausgarten sowie einen Schuppen für seinen Holzhandel, hat Tebbenhoff herausgefunden.
Im Alter von nur 36 Jahren verstarb der Müller, und seine Frau führte fortan den Betrieb. Die Witwe Arendje Janßen Rhoden, Gattin des verstorbenen Kaufmanns Johann Hermann Rhoden, habe schließlich eine Konzession für eine Holz-, Säge- und Barkmühle mit Windantrieb gemeinsam mit ihrem Sohn Johann Wilhelm beantragt – und diese auch 1792 von König Friedrich Wilhelm II erhalten: „Auf dieser Mühle darf Holz aller Art gesägt und Bark gemahlen werden. Es ist der Besitzerin aber verboten, Graupengrütze zu mahlen und Graupengrütze zu pelden.“ Kurzum: Hier durfte nur Holz, keinesfalls aber durften Lebensmittel verarbeitet werden. Die Bark, also die Rinde von Bäumen, wurde zerkleinert und als Farbstoff genutzt.
Holzhandel und -verarbeitung sowie eine Schiffswerft
Auf die Verarbeitung von Getreide hingegen war die benachbarte Mühle spezialisiert. Heyo Onken ist der heutige Besitzer des 250 Jahre alten Kulturgutes. Darüber hinaus ist Onken Vorstandsmitglied im Fehnmuseum. Rhodens hatten vor ihrem Umzug nach Westgroßefehn in der Norderstraße in Aurich einen Betrieb, den sie verkauften. Onken meint, sie hätten das Eiland aufgrund der verkehrsgünstigen Lage am Fehntjer Tief mit seiner Verbindung nach Emden gewählt. Nach dem Tod des Müllers aber gingen die Geschäfte schlecht für dessen Familie: Schon 1797, also nur fünf Jahre nach dem Bau der Mühle, belastete Tebbenhoff zufolge eine Hypothek das Handwerksunternehmen. Im Laufe der kommenden Jahre kamen weitere Hypotheken dazu – doch es half nichts. Im Jahr 1810 gab es ein Konkursverfahren. Ihr Schwiegersohn Jan(n) Frerichs kaufte die Sägemühle 1811; Onken zufolge gemeinsam mit Partnern.
Nun begann offenbar der wirtschaftliche Aufschwung. Tebbenhoff zufolge entstanden zwei neue Wohnhäuser auf dem Eiland. Dazu wurde an der anderen Seite des Kanals die Schiffswerft „Zeldenrüst“ gegründet. Auf der Werft entstanden Tjalken und Schoner, die entlang der Küste und aufs offene Meer hinaus segeln sollten. „Schmucke Zweimaster“, die die europäischen Meere und weltweit die Ozeane durchkreuzten. In den Jahren 1852 und 1858 brannte die Mühle zweimal nieder, wurde aber zügig wieder aufgebaut.
Mühle brennt zum dritten Mal nieder
Die Mühle auf dem Eiland gehörte drei Generationen lang der Familie Frerichs. Tebbenhoff schreibt darum von der „Frerichs′schen Sägemühle“ westlich der „Onken′schen Kornmühle“. 1894 ging das Eiland in den Besitz der Familie Schlömer über. Die Schiffszimmerleute betrieben eine Werft in Lübbertsfehn und wollten expandieren. Schon 1903 aber verkauften sie den Besitz weiter, an die Familie Dannholz aus Timmel. Deren Freude an der Sägemühle war von kurzer Dauer: Die Mühle wurde 1905 aus ungeklärter Ursache ein drittes Mal Raub der Flammen. Sie wurde nicht wieder in ihrer ursprünglichen Form aufgebaut. Statt mit Wind wurde das Sägegatter fortan mit einer Dampfmaschine angetrieben und später dann auf Elektromotor umgestellt. Sägemeister Schoon und dessen Sohn betrieben es.
Der Holzhandel wurde mehrfach weiterveräußert. Auch die Werft wechselte den Besitzer und stellte schließlich den Betrieb ein. 1912 kaufte der Schmied Hinrich Brunken das Areal. Fortan wurde auf dem Sägegatter Material für den Bau von landwirtschaftlichen Maschinen wie Dreschmaschinen oder Bauernmühlen hergestellt. Onken zufolge erwuchs hieraus eine umfangreiche Produktion, die dann aber im Laufe der Jahre der Industrialisierung zum Opfer fiel: Wie überall im Land stach die Massenproduktion die Handarbeit der Schmiede aus. Im Jahr 1965 schloss der damalige Besitzer Follrich Onneken die Sägerei endgültig. Die Gemeinde Großefehn erwarb das Grundstück 1986 und ließ das Sägewerk durch Mitarbeiter des Bauhofes restaurieren. Seit 2008 kümmern sich die Ehrenamtlichen des Vereins um das Eiland.