Interview mit Bernd Flessner „Surfe die Welle deines Lebens“ – Von Norderney zur Weltspitze und zurück

Doris Zuidema
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Von Doris Zuidema
| 26.06.2024 18:18 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Norderney und die benachbarten Inseln sind das Lieblingsrevier von Bernd Flessner. „Da kenne ich jede Sandbank“, sagt er. Foto: Flessner
Norderney und die benachbarten Inseln sind das Lieblingsrevier von Bernd Flessner. „Da kenne ich jede Sandbank“, sagt er. Foto: Flessner
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Um berühmt zu werden, müssen Norderneyer ihre Insel verlassen. So hat es auch Bernd Flessner gemacht. Doch der 16-fache Deutsche Meister und dreimalige Weltmeister im Windsurfen ist zurückgekehrt.

Norderney - Er hat Wellen auf der ganzen Welt bezwungen: in Tokio, San Francisco, Kapstadt, auf Hawaii, Sylt und auf den Kapverden. 16 Mal war er Deutscher Meister in der Gesamtwertung, dreimal Weltmeister. Der Norderneyer Bernd Flessner ist – trotz der ganzen Orte, die er gesehen hat, trotz der vielen Reisen, die er unternommen hat – immer noch ein Norderneyer. Oder gerade deswegen? Der 55-Jährige hat seinen ersten Wohnsitz auf der Insel und lebt in einem kleinen, modernen, spartanisch eingerichteten Appartement in einem Haus mit seiner Schwester und deren Familie. Dort habe ich ihn besucht.

Auch zehn Jahre nach dem Ende seiner Profikarriere und mit 55 Jahren ist Bernd Flessner gut durchtrainiert. Rund 40 Mal im Jahr surft er mal eben kurz von Norderney nach Juist, um Seehunden zu begegnen. Foto: Flessner
Auch zehn Jahre nach dem Ende seiner Profikarriere und mit 55 Jahren ist Bernd Flessner gut durchtrainiert. Rund 40 Mal im Jahr surft er mal eben kurz von Norderney nach Juist, um Seehunden zu begegnen. Foto: Flessner

Moin, Bernd, sind das deine Pokale?

Bernd Flessner: Ja, ein paar. Die restlichen 700 liegen in meinem Surfcontainer.

Hat einer eine besondere Bedeutung für dich?

Ja, der hier. Ein Weltmeisterpokal.

Der erste?

Nee. Der dritte Weltmeister-Titel im Jahr 2011 ist für mich etwas Besonderes. Ich war nicht gut drauf, habe mir ausgerechnet, höchstens unter die ersten zehn zu kommen. Und dann habe ich sie alle rasiert (grinst) und sieben von elf Rennen gewonnen.

Wie wird man Profisportler?

Spaß, Talent und Ehrgeiz. Aber das Wichtigste ist der Spaß an der Sache. Wenn du den nicht hast, kannst du noch so viel trainieren, du wirst niemals erfolgreich sein.

Eine Hingucker-Sportart für Menschen mit Kraft, Ausdauer und einem guten Gleichgewichtssinn. Bernd Flessner freut sich, dass er so groß und schwer ist: „Windsurfen ist Physik. Wäre ich einen Kopf kleiner gewesen, hätte ich nicht einen solchen Erfolg gehabt.“ Foto: Flessner
Eine Hingucker-Sportart für Menschen mit Kraft, Ausdauer und einem guten Gleichgewichtssinn. Bernd Flessner freut sich, dass er so groß und schwer ist: „Windsurfen ist Physik. Wäre ich einen Kopf kleiner gewesen, hätte ich nicht einen solchen Erfolg gehabt.“ Foto: Flessner

Wie bist du überhaupt ans Surfen gekommen?

Ich war schon im- mer sportlich, habe als Kind Fußball gespielt. Der Schwiegersohn unserer Nachbarn hat das erste Surfbrett auf die Insel gebracht und mich als kleinen siebenjährigen Jungen mit zum Windsurfen genommen. Später habe ich das Material von älteren Freunden ausgeliehen. Dadurch bin ich spielerisch zum Windsurfen gekommen. Die Sportart war damals noch neu. Wir hatten Riesenbretter aus Holzgabelbäumen und große, schwere Dreieckssegel. Trainer gab es noch keine.

Wie hast du dich dann übweiterentwickeln können?

Ich habe mir Videos angesehen und mir ganz viel von anderen Windsurfern abgeschaut. Anfangs habe ich mir meine Ausrüstung von Freunden geliehen. Von meinem Konfirmationsgeld habe ich mir mein erstes eigenes Brett gekauft.

Und dann wurdest du berühmt?

Es hat sich unter Wassersportlern herumgesprochen, dass ich gut bin. Erste Sponsoren wurden auf mich aufmerksam. 1987 wurde ich von einem großen Ausrüster bei einer Regatta auf Lanzarote entdeckt. Und dann ging es Schlag auf Schlag. 1988 fuhr ich meine erste ganze Saison durch. 1989 nahm ich zum ersten Mal am Worldcup auf Sylt teil und wurde Vollprofi.

Von 1995 bis 2011 warst du durchgehend Deutscher Meister im Windsurfen . . .

Das nur die halbe Wahrheit. Das Windsurfen besteht aus mehreren Disziplinen: Wellenreiten, Slalom, Kursrennen und Freestyle. Der Beste aus allen Disziplinen bekommt den Titel Deutscher Meister Overall. In den Einzeldisziplinen habe ich zusammen 39 Deutsche Meistertitel.

Auch neue Windsurf-Arten probiert Bernd Flessner gerne mal aus, wie hier das Wingfoilen. Foto: Flessner
Auch neue Windsurf-Arten probiert Bernd Flessner gerne mal aus, wie hier das Wingfoilen. Foto: Flessner

Wie würdest du dein Leben damals beschreiben?

Anfangs war ich jung und auf der Überholspur. Ich habe sechs Tage die Woche dreimal täglich trainiert – Kraft, Ausdauer, Gleichgewicht. An einem Tag fuhr ich an der Golden Gate Bridge in San Francisco vorbei und dachte „wow!“, einen Tag später startete ich in Omaezaki in Japan. Das war schon Wahnsinn.

Das hört sich aber auch anstrengend an . . .

Ja, das war es auch. Im Gegensatz zu Fußballprofis haben wir Windsurfer keine Trainer, Manager, Physiotherapeuten, Zeugwarte dabei, die uns begleiten. Ich habe meine Flüge und Unterkünfte selbst gebucht, mein Equipment auf- und wieder abgebaut, es getestet und gegebenenfalls repariert, habe mich selber auf Medienauftritte im Fernsehen oder auf Messen vorbereitet, und, und, und. Und ich wusste immer ganz genau: Fahre ich nicht gut, verdiene ich kein Geld mehr.

Das macht Druck, oder?

Ja, zumal ich ja auch mit Niederlagen fertig werden musste. Keiner ist immer gut drauf. Mal hast du Heimweh, mal Liebeskummer. Und wenn ich in der Fremde krank wurde, wusste ich ganz genau: Jetzt freuen sich 63 Konkurrenten über meine Schwäche. Und dann diese ewigen Langstreckenflüge. Ich bin froh, dass ich seit zwölf Jahren auf keinen Langstreckenflug mehr musste.

Nach 26 Jahren als Profi und deiner 25. Teilnahme am World Cup Sylt hat du deine Profikarriere im Herbst 2013 im Alter von 45 Jahren beendet.

Schon als ich auf die 40 zuging, habe ich gemerkt, dass ich mental an meine Grenzen stoße. Junge Talente wuchsen nach. Die waren auch ehrgeizig und hungrig. Eine Zeitlang konnte ich mit meiner Erfahrung und Technik gegenhalten. Aber es wurde Zeit, aufzuhören, und der 25. World Cup auf Sylt, dort, wo meine Karriere begonnen hatte, war dafür ein guter Ort und der richtige Zeitpunkt.

Seither arbeitest du als Markenbotschafter für große Unternehmen wie Mercedes und dem Robinson-Club, und hältst Vorträge.

Ich war all die Jahre als Profi beständig erfolgreich und habe immer die gleichen Sponsoren gehabt. Mein Name steht für Ausdauer, Zuverlässigkeit, Professionalität und Loyalität. Damit kann man gut werben. Dem Autobauer Mercedes mit seiner V-Klasse habe ich quasi die Tür zur Welt der Wassersportler geöffnet. Für Robinson gebe ich Surf-Camps und berate sie in vielen Fragen zum Thema Wassersport. Sehr großen Spaß bereiten mir meine Vorträge. Darin gebe ich viele spannende Erfahrungen aus meiner langen Karriere an meine Zuhörer weiter.

Das Windsurfen kann Bernd Flessner jetzt richtig genießen: „Ich muss nicht mehr der Schnellste sein.“ Foto: Flessner
Das Windsurfen kann Bernd Flessner jetzt richtig genießen: „Ich muss nicht mehr der Schnellste sein.“ Foto: Flessner

Worum geht es darin?

Es geht um Erfolg, und es geht um Glück, und wie man beides erreichen kann. Der Grat dazwischen ist nämlich ganz schmal. Und man muss sich eben auch immer wieder neu motivieren. Jeder Mensch hat Träume. Aber sie können sich nur erfüllen, wenn der Mensch sie auch aktiv umsetzt und dafür etwas zu tun bereit ist. Ich ermuntere meine Zuhörer immer: „Surfe die Welle deines Lebens.“

Und was gibst du deinen Kindern mit auf den Weg?

Paul ist jetzt elf und ein talentierter Fußballer. Ich sage ihm immer: Gewinnen ist leicht. Der Erfolg macht dich glücklich, und alle haben dich lieb. Aber verlieren können und weitermachen: das ist die Kunst.

Windsurfst du noch?

Oh ja, ich fahre bestimmt 40 Mal im Jahr nach Juist. Ich liebe es, zwischen den Inseln surfen zu gehen und die vielen Seehunde und Kegelrobben, die es dort gibt, zu sehen. Durch meine Surf-Camps und Sponsoren verbringe ich noch sehr viel Zeit auf dem Wasser. Einziger Unterschied zu früher: ich muss nicht mehr der Schnellste sein (lächelt).

Wie lange brauchst du bei guten Bedingungen von Norderney bis Norddeich?

Das schaffe ich in sechseinhalb Minuten.

Wo surfst du am liebsten?

Auf Norderney, da kenne ich jede Sandbank, und dort schlafe ich im eigenen Bett. Und in Kapstadt, das viele Jahre meine zweite Heimat war.

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