Aufkleber und Flyer Rechtsextreme Propaganda in Aurich
In Aurich tauchen rechtsextreme Aufkleber auf, die auf den Instagram-Account „Aurich verteidigen“ hinweisen. Das sagen die Experten von der Mobilen Beratung.
Aurich - Die Aktivitäten des extrem rechten Instagram-Accounts „Aurich verteidigen“ beschränken sich offenbar nicht nur auf die Online-Welt. In den vergangenen Tagen sind rund um die ehemalige Blücher-Kaserne in Aurich Aufkleber mit rechtem Inhalt aufgetaucht. In der ehemaligen Kaserne sind zum Teil Geflüchtete untergebracht.
Auf den Aufklebern ist teilweise Werbung für den Instagram-Account zu sehen, andere Hinterlassenschaften machen Werbung für die AfD oder die „Jungen Nationalisten“ (JN), die Jugendorganisation der Partei „Die Heimat“ (ehemals NPD). Andere Aufkleber wiederum nehmen direkten Bezug auf das Dritte Reich.
Rechtsextreme Aufkleber in Aurich: Reichsadler und durchgestrichene Regenbogenfahne
Auf einem Ortseingangsschild von Aurich prangte zum Beispiel der Reichsadler, wie er im Dritten Reich genutzt wurde. Zwar ohne Hakenkreuz, dafür aber mit der Aufschrift „Deutschland - Rechte Jugend voran“. Über dem Reichsadler ist eine durchgestrichene Regenbogenfahne zu sehen. Auf einem anderen Aufkleber steht „Gebiet der Deutschen Jugend“, darunter ein Kreis mit den Initialen „DJ“.
Das hier verwendete „Deutsche Jugend“-Logo hat starke Ähnlichkeiten mit dem des „Deutschen Jungvolks“, kurz ebenfalls DJ. Das Deutsche Jungvolk war eine Jugendorganisation der Hitlerjugend. „Das Logo enthält im Original noch die ‚S‘-Rune und ein Hakenkreuz, welches beides hier weggelassen wurde“, so die Einschätzung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus für Demokratie aus Oldenburg. Der Begriff „deutsche Jugend“ werde von zahlreichen Akteurinnen und Akteuren der extremen Rechten genutzt und auch als Motiv vertrieben. „Dass es eine eigenständige Gruppierung dieses Namens geben sollte, ist uns nicht bekannt“, so die Mobile Beratung weiter. Vielmehr gehen die Expertinnen und Experten davon aus, „dass die Schöpfer dieses Motivs hier eher eine nationalsozialistisch indoktrinierte JN-Zugehörigkeit ausdrücken wollen“.
Junge Nationalisten: Neue Öffentlichkeitsstrategie
Doch wie kommt es dazu, dass der Instagram-Account und die Aufkleber plötzlich von einer rechtsgetriebenen Aktivität im Jugendbereich zeugen? Während die Polizei bei einer vorherigen Anfrage dieser Zeitung nicht von einer konzertierten und vor allem verbundenen Aktion ausging, hat die Mobile Beratung einen anderen Erklärungsansatz: Seit rund zwei Jahre versuchen es demnach die „Jungen Nationalisten“ mit einer neuen Öffentlichkeitsstrategie. Hierbei präsentieren sich als „Stützpunkte“ bezeichnete Ortsgruppen verstärkt in sozialen Medien. „Hier geht es vor allem um Aktivismus und ein kämpferisches Auftreten, mit dem man anschlussfähig für Jugendliche und junge Erwachsene sein möchte.“ Die Zugehörigkeit zur JN werde dabei oft zunächst verschleiert. „Aus diesem Grund, und weil es eine größere Anziehungskraft durch kämpferisch-popkulturelles Auftreten gibt, werden die Social Media Accounts beispielsweise ‚HermannsHeide‘, ‚Braunschweig verteidigen‘, ‚Oskars_Osna‘ oder ‚Weserems Aktion‘ genannt“, so die Mobile Beratung.
Zusätzlich versuche die JN-Bundesspitze mit der Kampagne „Inferno Deutschland“ eine „Vorfeldstruktur zur JN zu schaffen“. Die Aktion „Inferno Deutschland“ findet sich auch im Verfassungsschutzbericht 2023 des Landes Niedersachsen wieder. In diesem Kontext stehe nach Einschätzung der Mobilen Beratung auch „Aurich verteidigen“: „Hierbei handelt es sich unserer Einschätzung nach nicht um eine straff organisierte und fest an den Landes- und Bundesverband angebundene JN-Ortsgruppe, aber eine Vorstufe davon“.
Ehemalige NPD kaum noch kampagnenfähig
Den Umstand, dass die Unbekannten Flugblatt- und Aufkleberverteiler auch Werbung für die AfD machen, schätzt die Mobile Beratung derweil so ein: Zwar sei an den Inhalten eine „Nähe zur JN“ deutlich zu erkennen, allerdings noch keine gezielte politische Schulung. „Vermutlich stehen dahinter eine oder mehrere jüngere Einzelpersonen, die den Drang zum Aktivismus haben und extrem rechte Propaganda verteilen möchten.“ Es sei unklar, ob diese bereits ein gefestigtes extrem rechtes Weltbild besitzen. „Aber eine starke Radikalisierung scheint bereits vorhanden.“
Ausgehend von der Einschätzung des Niedersächsischen Verfassungsschutzes könnte hinter der Offenheit in Richtung AfD aber auch wiederum eine Strategie stecken: Die Partei „Die Heimat“ befindet sich auch in Niedersachsen in einer für sie schwierigen Situation. „Zwischen der AfD auf der einen Seite und den weltanschaulich stärker akzentuierten, von Neonazis geprägten Parteien ‚Die Rechte‘ und ‚Der III. Weg‘ (in Niedersachsen nur Einzelpersonen) auf der anderen Seite fällt es ihr schwer, sich am rechten Rand des politischen Spektrums zu positionieren“, so der Verfassungsschutz. Zudem habe die Partei ihre Kampagnenfähigkeit eingebüßt, auch wenn zwischendurch durch Aktionen noch Akzente gesetzt werden können. In Ostfriesland spielt die NPD/Die Heimat seit Jahren keine besondere Rolle mehr. Von daher könnte es sein, dass man bewusst versucht, möglichst breit im rechten Spektrum anschlussfähig zu sein.