Sebastian Krumbiegel im Interview Die Prinzen – nach 33 Jahren noch mit Spaß auf der Bühne
Sebastian Krumbiegel ist ein Mann mit vielen Talenten und einer klaren Botschaft: Für seine Band Die Prinzen singt und textet er. Auch als Krokodil machte er zuletzt eine recht gute Figur.
Wiesmoor - Die Prinzen geben seit mehr als 30 Jahren im deutschen Musikbusiness mit den Ton an. Mehr als sechs Millionen verkaufte Alben gehen auf ihr Konto – dank Hits wie „Alles nur geklaut“ oder „Millionär“. Ob die Prinzen noch immer getreu ihrem 2021 erschienenen Album die „Krone der Schöpfung“ sind, können die Zuhörer in Wiesmoor am Freitag, 21. Juni 2024, beim „Sommer Open Air“ auf der Freilichtbühne selbst entscheiden. Warum Sebastian Krumbiegel den Norden mag, unterhaltsame Musik auch in einem gewissen Grad politisch sein darf und er „Küssen verboten“ noch immer gern singt, das erzählt der Frontmann und Texter vieler Prinzen-Hits vorab im Interview:
Auf dem zuletzt erschienenen Album der Prinzen „Krone der Schöpfung“ singst du von einer Reise übern Tellerrand. Sie führt euch nun auch nach Ostfriesland. Was glaubst du, erwartet euch?
Sebastian Krumbiegel: Das ist eine andere Welt. Und es ist ja schön, in andere Welten zu reisen. Ich bin viel lieber im Norden der Republik als im Süden. Ich bin viel lieber irgendwo an der See als in den Bergen. Ich mag die Weite des Horizonts. Das habe ich nicht, wenn ich in den Bergen bin. Ich fühle mich da immer ein bisschen eingesperrt. Als Kind bin ich viel an der Ostsee gewesen, das hat mich geprägt. Ich mag die Sonnenuntergänge, ich mag die Weite – ich mag das Meer.
Ostfriesland ist toll, aber leider nicht gerade für gutes und somit Open-Air-taugliches Wetter bekannt. Fürchtet ihr das Ostfriesenwetter?
Krumbiegel: Wir sind da höchst wetterunabhängig. Wenn wir auf eine Bühne gehen, ist es so, als würdest du einen Schalter umlegen. Das Phänomen, zusammen zu singen – und vor allem zusammen mit den Leuten zu singen –, ist immer ein Garant dafür, dass wir uns wohlfühlen. Wir mögen, was wir tun. Wir spielen für die Leute, die da sind. Und freuen uns, wo immer wir hinkommen, einen Haufen Sympathisantinnen und Sympathisanten zu haben, die auf unsere Musik abfahren. Die einfach den besten Musikgeschmack der Welt haben.
Was sind Lieder, die an so einem Konzertabend fürs Publikum keinesfalls fehlen dürfen? Und gibt es darunter Stücke, auf die Die Prinzen vielleicht manchmal auch verzichten könnten?
Krumbiegel: Eigentlich nicht. Wir haben das große Glück, dass wir in den letzten 30 Jahren mit einem Haufen Hits gesegnet sind und richtig viele Songs haben, die richtig viele Leute kennen. Und am Ende ist das wunderbar. Wenn du „Küssen verboten“, „Millionär“, „Alles nur geklaut“, „Schwein sein“, „Mann im Mond“, „Deutschland“ – diese ganzen Hits – singst, dann sind natürlich die Hände oben und dann freuen sich die Leute. Und wir freuen uns auch. Ich finde das immer ein bisschen unangenehm, wenn irgendwelche Bands sagen: ‚Wir können das nicht mehr hören.‘ Die sollen froh sein, dass sie Songs haben, die die Republik kennt.
Und eure Songs kennt die Republik.
Krumbiegel: Ich werde, egal wo ich hinkomme, auf diese Lieder angesprochen, die mittlerweile 25, 30 Jahre alt sind. Das zieht sich durch alle Generationen. Ich finde es immer phänomenal, wenn wir fünfjährige Kinder auf den Schultern ihrer Väter haben, die voller Inbrunst die alten Songs mitsingen. Ein Lied, das fünf- oder sechsmal so alt ist wie er oder sie – dann hast du nicht allzu viel falsch gemacht. Wir singen definitiv alle Songs, weil wir Spaß dran haben. Und wir erhalten uns den Spaß, indem wie die Songs immer ein bisschen anders arrangieren.
Sorgen TV-Formate wie beispielsweise „The Masked Singer“ dafür, dass diese neue Generation heranwächst? Oder ist das die zweite Fangeneration?
Krumbiegel: Ich glaube, sowohl als auch. Es sind ja nicht nur die Kinder, es sind ja auch die Kinder der Kinder. Es ist wirklich so, dass wir alle Generationen im Konzert haben. Bei der ersten Platte „Das Leben ist grausam“ hatten wir eher ein studentisches Publikum. Dann kamen auf einmal mit „Küssen verboten“ die Kids an. Was wir damals erstmal doof fanden – weil es nicht so cool war. Aber im Nachhinein muss ich ehrlich sagen: Wenn du die Kinder kriegst, dann hast du zeitlose Musik geschaffen. Kinder sind das härteste Publikum. Weil die nicht aus Höflichkeit klatschen. Die drehen sich einfach um und gehen. Aber wenn du die Kinder gekriegt hast, dann hast du sie ein Leben lang.
Für die Unterhaltungsshow „The Masked Singer“ bist du in das Kostüm des Krokodils geschlüpft und hast dich unter der Maske quasi unerkannt bis ins Finale gesungen.
Krumbiegel: Es gibt einige Formate, bei denen du live im Fernsehen singen kannst, und das ist schon der Hammer. Das habe ich sehr, sehr genossen. Aber es war auch eine extrem spezielle Erfahrung: Es war sehr anders, weil ich auch andere Songs und auf Englisch gesungen habe. Weil ich in diesem schweren Kostüm gesungen habe. Unter der Maske kriegst du kaum Luft. Du hast einen Adrenalinflash, der noch besser ist als der auf der Bühne. Es hat tierischen Spaß gemacht.
Jetzt aber stehst du wieder mit Unterstützung der Prinzen auf der Bühne.
Krumbiegel: Seit 33 Jahren. Wir konnten wegen der Pandemie unsere 30-Jahre-Feierlichkeiten nicht machen, was uns total genervt hat. Letztes Jahr haben wir eine große Tour nachgeholt: 30 Städte. Das war der Hammer. Wir haben gemerkt, wie selbstverständlich uns das vorher alles vorkam. Wir konnten während der Pandemie plötzlich das, wofür wir eigentlich leben, nicht mehr tun. Was uns wirklich gefehlt hat, waren die Konzerte. Wir haben wieder eine Art Demut vor dem, was wir machen. Wir wissen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass überall, wo du hinkommst, ein paar Tausend Leute deine Songs singen.
Aber das war ja nicht immer so, oder?
Krumbiegel: Wir haben viel Glück gehabt. Wir haben so viele Leute getroffen in unserem Leben, die uns Türen geöffnet haben, durch die wir gehen konnten. Das ist uns wieder richtig klar geworden. Wir haben als A-cappella-Band angefangen, zu viert als „Herzbuben“. Wir haben teilweise ohne Mikro und in kleinen Clubs gesungen. Dann haben wir 1991 Tobias dazu genommen und haben irgendwann das große Glück gehabt, Annette Humpe zu treffen. Die hat uns davon überzeugt, dass wir einen Schlagzeuger dazunehmen. Und 1994 folgerichtig auch einen Bassisten, weil wir Popmusik gemacht haben. Seitdem sind wir in unveränderter Besetzung unterwegs, was ein Gütesiegel ist. Aber auch nicht immer leicht. Du kennst dich halt genau. Es ist wie eine Ehe oder eine langjährige Beziehung.
Und die Liebe bleibt frisch, indem ihr auch mal getrennter Wege geht?
Krumbiegel: Das machen wir ganz bewusst. Wir lassen uns nach den Touren gegenseitig in Ruhe. Ich mache mit vielen anderen Leuten zusammen Musik. Für mich ist es wichtig, solche Dinge zu tun. Damit du nicht irgendwann denkst, du stehst am Fließband. Alles kann normal werden. Du musst dich drum kümmern, dass du andere Sachen erlebst und nicht deine eigene Oldie-Band wirst. Mit unserem letzten Album sind wir sehr glücklich, weil da ganz coole Songs drauf sind – und mit denen wir sozusagen uns selbst und den Leuten zeigen, dass wir ʼne lebendige Band sind. Wir sind noch kreativ.
Braucht es in unserem Land nicht gerade jetzt Musik wie die der Prinzen: Musik, die auch mal den Finger in die Wunde legt und auf humorvolle Weise Missstände thematisiert?
Krumbiegel: Ich weiß es nicht. Für mich persönlich ist es wichtig, meine Bühne für Dinge zu nutzen, die mir wichtig sind. Aber in erster Linie sind wir Entertainer. Das ist eine Gradwanderung. Ich will nicht missionieren. Wir sind eher die, die zwischen den Zeilen erzählen. Man kann mit Humor sehr viel mehr Transportieren als mit Verbissenheit.
Ich glaube, dass Kunst immer politisch ist. Andere sehen das anders. Gerade die letzten Wahlen haben mich schockiert, obwohl es nicht überraschend war. Es gehen schon ein paar gruselige Dinge ab. Aber das ist meine persönliche Meinung. Ich bin nicht dafür angetreten, um andere Leute zu überzeugen. Aber ich bin dafür angetreten, meine Meinung immer wieder zu sagen. Weil ich nicht daneben stehen will und nichts sagen will, wenn Scheiße passiert.