Rheinländer und Ostfriesen zusammen Diese jüdische Musik geht unter die Haut

Karin Eden
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Von Karin Eden
| 28.06.2024 18:07 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Die Klezmer ist eine instrumentale Festmusik, der einst in den jüdischen Gemeinschaften Osteuropa. Einen Workshop dazu gab es in Leer. Foto: Schutt/dpa
Die Klezmer ist eine instrumentale Festmusik, der einst in den jüdischen Gemeinschaften Osteuropa. Einen Workshop dazu gab es in Leer. Foto: Schutt/dpa
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Was ist Klezmer? Diese Frage stellte sich eine Reporterin und besuchte einen Workshop in Leer. Sie ging tief beeindruckt, denn es ging nicht nur um Musik, sondern auch um die Lage in Israel.

Leer - Samstagvormittag vor ein paar Wochen, kurz vor elf. Im Gemeindehaus der reformierten Kirche in Loga lauter fremde Gesichter. Musiker stimmen ihre Instrumente und los geht es. Zu Gast in Loga waren Musikbegeisterte aus Mönchengladbach. Das Angebot: Ein Workshop, um gemeinsam jiddische Lieder zu spielen. „Shpil, Klezmer, shpil!“ heißt das Instrumentalensemble, das mit Klarinetten, Saxophon, Violine, Gitarre, Bass, Akkordeon und Percussion angereist war, um gemeinsam mit dem „ShalomChor“ an einem Klezmer-Workshop unter der Leitung von Horst Couson teilzunehmen. Klezmer ist die Musik der osteuropäischen Juden, man spricht es „Klesmer“ aus.

Die Klezmer ist eine instrumentale Festmusik, die einst in den jüdischen Gemeinschaften Osteuropas zur Begleitung von Hochzeiten oder fröhlichen religiösen Festen, wie dem Purim-Fest, der Tora-Feier (Simhat Torah) oder auch der Synagogen-Einweihung, gespielt wurde.

Couson leitet beide Gruppen in Mönchengladbach. Er kam zur Klezmer-Musik durch Giora Feidmann. Als Musiklehrer nahm er an einem Lehrgang bei dem berühmten Klezmer-Klarinettisten teil und trug dann seine Begeisterung für diese Musik in den Chor, den er seit 1975 leitet.

Musiker aus dem Rheinland und Ostfriesland

Der Workshop war offen für alle Interessierten und so gesellten sich zu den eingespielten Rheinländern auch ein paar Ostfriesen. Der Logaer Pastor Ingo Brookmann bereichert die jiddischen Lieder mit Geige und Gesang, Ulrike Groeneveld aus Bunde begleitet am E-Piano, Edeltraud Bode aus Leer setzt musikalische Akzente mit der Querflöte, Birgit Rohrbach mit der Klarinette. Auch im Chor wirkten ein paar Ostfriesen mit und Couson lobte, dass alle gemeinsam noch besser klängen, als ohne die Leeraner Verstärkung. Als Reporterin für diese Zeitung begleite auch ich den Chor bei diesem Workshop.

Einen Tag lang wurde in Leer geprobt. Foto: Eden
Einen Tag lang wurde in Leer geprobt. Foto: Eden

Als der letzte Ton verklungen ist, heißt Couson auch die fremden Teilnehmer willkommen: „Das war unser Begrüßungsstück“, sagte er, und ich spüre, dass ich hier zwischen ein eingespieltes Team geraten bin, in dem die versierten ostfriesischen Musiker gleich ihren Platz fanden. „Wir brauchen offene Ohren und ein offenes Herz für die Klezmer-Musik“, sagt Couson, der den Chor und das Ensemble in Mönchengladbach leitet. Bei einer Studienreise für Gruppenleiter in Israel lernte er Ingo Brookmann kennen, der seit Jahren Reisen nach Israel organisiert. Die beiden teilen die Liebe zur Musik und schätzen einander, darum lud Brookmann die Rheinländer nach Loga ein.

Kann man noch unbeschwert singen?

Ein Frage, die mich dabei umtreibt: Kann man Klezmer-Musik, die Musik der osteuropäischen Juden, unbefangen singen und spielen, ohne dabei an die aktuelle Situation in Israel zu denken? Couson hatte wohl ähnliche Gedanken. Er kritisiert die „aktuelle, verfehlte Politik der sehr rechten Regierung unter Netanjahu, die im aktuellen Gaza-Krieg eskaliert ist“. Die Lage im Nahen Osten bewegt ihn sehr.

„Wir haben kein anderes Land als dieses“, heißt es in einem der hebräischen Lieder. Ingo Brookmann übersetzt ins Deutsche. Geübte Sänger waren zum Workshop eingeladen, damit fühlte ich mich durchaus gemeint. Denn ich singe seit einigen Jahren in Leer im Chor „Together“ unter der Leitung von Joachim Robbe afrikanische Spirituals und Gospel. Früher war ich Alt, jetzt bin ich Tenor. Also setzte ich mich auch im Workshop zu den Tenören: Neben mir sitzt Silke Janssen, die im Kirchenchor der reformierten Gemeinde Loga singt. Zum Glück taucht aber auch noch ein Tenor aus Mönchengladbach auf. Denn die Rheinländer kennen die Lieder bereits, für uns Ostfriesen sind sie völlig neu. Das macht die Sache nicht so ganz leicht: Die fremde Sprache, die unbekannten Melodien und vom Blatt singen kann ich leider nicht. Silke und ich orientieren uns am „ShalomChor“-Tenor, ein paar Einzeldurchgänge wären allerdings hilfreich gewesen.

Berührende Erfahrung

Ungewohnt ist es auch, mit einem so großen Instrumentalensemble zu singen. Zur Stammbesetzung zählen elektrisch verstärkte Akustikgitarre, E-Bass, Klarinette, Saxophon, Violine, Akkordeon und Percussion. Dazu kamen Geige, E-Piano und Querflöte sowie Klarinette. Da wurde es schon mal ganz schön laut. Auf jeden Fall klingt es immer wunderschön und die ostfriesische Verstärkung war eine Bereicherung für das Ensemble aus Mönchengladbach, darüber waren sich alle einig.

„Wenn ich so groß hier zucke, dann stimmt etwas nicht, das ist keine Epilepsie“, Couson führte humorvoll und locker durch den Workshop, korrigiert, wo nötig, lobt aber auch aus vollem Herzen. Das Ergebnis konnte dann im Gottesdienst, der auch fürs Netz aufgezeichnet wurde, gehört werden. Das gemeinsame Singen und Musizieren war harmonisch und berührend, ging unter die Haut.