Serie „Fehntjer Geschichte(n)“ Zwei Männer, eine Leidenschaft – die Fehntjer Feuerwehr
Klaus de Wall und Ernst Hemmen kennen die Ortswehr West-Mittegroßefehn/Ulbargen noch ganz anders. Sie vereinen 124 Jahre geballte Feuerwehrkompetenz. Ein Blick auf ihre Anfänge.
Mittegroßefehn - Jahrzehnte voller Einsätze haben sie miterlebt. Jetzt aber lassen sie lieber die Jüngeren ran: Ernst Hemmen und Klaus de Wall sind in der Altersabteilung der Ortswehr West-Mittegroßefehn/Ulbargen angekommen – und fühlen sich dort auch wohl. Jeden Montagabend kommen sie zusammen und tauschen sich mit den Aktiven aus. „Uns interessiert das noch sehr, was die Jungen machen“, stellt Klaus de Wall klar. Er ist mit seinen 89 Jahren der älteste Kamerad in den Reihen der Mitglieder. Ernst Hemmen ist mit seinen 65 Jahren hier fast noch ein Jungspund. Und doch bringen es beide zusammen auf stolze 124 Jahre Feuerwehrzugehörigkeit. Hemmen ist seit 1971 dabei, de Wall offiziell seit dem 1. Februar 1953. „Ich war schon ein Jahr vorher dabei, aber inoffiziell. Wir mussten erst 18 sein.“
Aber es waren eben andere Zeiten damals. In den Jahren nach den Weltkriegen wurde auch in der Brandbekämpfung jede helfende Hand gebraucht. „Nach dem Krieg war unsere Feuerwehr bis auf ein Minimum runtergekommen. Es waren nur alte Herren.“ Der Zweite Weltkrieg hatte schwere Narben hinterlassen – und die Reihen der Feuerwehren gelichtet. „Mein Vater war auch lange bei der Feuerwehr, von 1934 bis zu seinem Tod 1986“, erzählt Klaus de Wall. Und wenn es brannte, dann stürmten beide los. Der Junior ging bereits im Alter von 17 Jahren mit in den Einsatz. „So viele Einsätze gab es damals auch nicht.“ Vielleicht ein oder zwei Brände pro Jahr. Heute seien es durchschnittlich 50, darunter viele Hilfeleistungen. Die und auch Verkehrsunfälle habe es in den 1950er Jahren kaum oder gar nicht gegeben.
Im Einsatz mit Vaters Uniformjacke
Die Bauweise der frühen Fehnhäuser mit einem Herdfeuer oder Ofen unter dem Schornstein habe immer wieder Schornsteinbrände verursacht. „Wenn ordentlich Wind war, fing der Ruß an zu brennen“, skizziert de Wall die Gründe, aus denen es in seinen frühen Feuerwehrjahren immer wieder zu verheerenden Bränden gekommen war. Eine eigene Uniform, die er anziehen konnte, habe de Wall lange nicht besessen. Ohne Schutz musste der Jugendliche dennoch nicht in den Einsatz ziehen. „Vaters Uniformjacke habe ich bekommen.“ Die sei aus festem Stoff gewesen. „Der war brandunempfindlich.“
Jeder kam mehr oder weniger in dem, was er besaß oder ohnehin gerade bei der Arbeit getragen hatte, zum Einsatz. „Wir hatten ja Landwirtschaft – da ging man so weg.“ Wer eine brandfeste Jacke besaß, trug diese. „Einige waren auch ohne Feuerwehrkleider. Hauptsache war, wir konnten helfen.“ Bis Klaus de Wall eine eigene Uniformjacke besaß, sollten noch etwa zehn Jahre vergehen. „Nach dem Krieg gab es nichts.“ Im Juni 1948 hatte in Deutschland die Währungsreform stattgefunden. „Das war eine armselige Zeit.“
70-jährige Mitgliedschaft ist selten
Im Jahr 1954 besuchte Klaus de Wall den Grundlehrgang in Loy. Auch in Großefehn wurde an der Ausbildung der Einsatzkräfte gefeilt: „Schnelligkeitsübungen“ hätten schon da regelmäßig stattgefunden. Und auch bei den Feuerwehrfesten sei stets auf Wettkampf gesetzt worden. Lehrgänge in Loy gibt es noch heute, anderes ist längst passé. Beispielsweise die Aufführungen der Theatergruppe der Feuerwehr. „Eine Zeit, in der sich in der Feuerwehr Grundlegendes verändert hat“, stellte Ortsbrandmeister Hans-Jürgen Schütz anlässlich der Ehrung zu de Walls 70-jähriger Mitgliedschaft fest.
Sieben Jahrzehnte Mitgliedschaft – eine Seltenheit. Lediglich Johann Brunken habe zuvor die 70 Jahre in der Ortswehr geschafft. Eine absolute Rarität ist auch der Bundesverdienstorden am Bande, mit dem Ernst Hemmen jüngst für seine Verdienste um die Wehr ausgezeichnet wurde. Auch er kann wohl mit Fug und Recht als Urgestein der Fehntjer Wehr bezeichnet werden. Auch seine Zugehörigkeit war bereits familiär vorgebahnt. Im Alter von zwölf Jahren kam er 1971 zur Jugendfeuerwehr. Dass Ernst Hemmen wie sein Vater zur Freiwilligen Feuerwehr West-/Mittegroßefehn und Ulbargen kam, daran hatte er nie Zweifel: „Ich hatte immer Interesse.“
Faszination Feuerwehr
Schon früh war er fasziniert vom Einsatzgeschehen: „Wenn nachts die Sirenen gingen und mein Vater musste los – das fand ich immer spannend.“ So viel Auswahl an Freizeitaktivitäten habe es vor Jahrzehnten natürlich auch nicht gegeben, lenkt er ein. „Wenn die mit dem Feuerwehrauto losgefahren sind, mit Blaulicht und Martinshorn“ – da habe er stets mitgefiebert. Schon damals sei die Jugendfeuerwehr mit dem eigenen Bulli unterwegs gewesen. An besonderen Tagen aber durfte der Nachwuchs auf den Holzbänken des alten Löschfahrzeugs, dem Opel LF 8, Platz nehmen. „Da durften wir mitfahren.“
Im Juli 1975 dann wechselte der damals gerade 16-Jährige rüber zu den Aktiven. Klaus de Wall erinnert sich lachend daran, wie motiviert Ernst Hemmen war, wenn er zum Feuerwehrhaus losrannte: „Er war so schnell, den konnte man fast nicht sehen.“ Hemmens erster Einsatz, erinnert er sich, sei ein Gebäudebrand bei Schapp am Hauptkanal von Mittegroßefehn gewesen. Hemmen fuhr mit dem Rad hin. „Man hat es schon von Weitem gesehen.“ Noch in den 1970er Jahren hätten die Bewohner eines Hauses gemeinsam mit den Nachbarn all das aus dem brennenden Haus gerettet, was zu retten war. „Das Bild, als wir ankamen, war damals noch ein anderes.“ Rund ums brennende Haus habe der Rasen vollgelegen. „Das darf man heute nicht mehr.“
Helfen war nicht immer möglich
Nachbarschaftshilfe war auch nach einem Brand gefragt. Oft brannte der Stall ab. Meist konnten die Tiere gerettet werden, doch die Ernte wurde ein Raub der Flammen. „Damals gab es kein Silo“, erläutert Hemmen. „Die Futtervorräte waren alle weg.“ Die Tiere aber sollten nicht hungern. Die Fehntjer lösten dies stets ganz pragmatisch: „Die Bauern haben Futter gesammelt.“ Einmal hätten die Männer eine Stallwand zerstören müssen, um die Kälber zu retten, erinnern sich die erfahrenen Männer. Seite an Seite mit anderen Kameraden haben beide einiges erlebt. Einmal, so erzählen sie, hätten sie auf dem Weg zu einem Einsatzort schon die Gasflaschen explodieren sehen.
Nicht jeder Einsatz endete gut. Ernst Hemmen war erst 17 Jahre alt, als er zu einem schweren Unfall gerufen wurde. „Vorher hatte ich noch nie einen Toten gesehen.“ Klaus de Wall gibt zu, dass er einige Fälle bis heute deutlich vor Augen hat. Sein erstes Brandopfer in den 1970ern beispielsweise. „Das lässt mich nicht mehr los.“ Es sei zu wenig Wasser im Kanal gewesen, was den Löschangriff verkompliziert habe. Zu tun gab es immer: Brände, Unfälle – oder die Kuh, die aus dem Güllekeller geborgen werden musste. „Die Aufgaben waren damals schon vielfältig“, weiß Hemmen.
Die Ostfriesen, ein eigenes Völkchen
Hemmen besuchte 1980 einen Grundlehrgang in Loy. Danach folgten viele weitere. Sein erstes Amt in den Reihen der Wehr war ab 1984 Jugendwart. Von 1990 bis 2008 war Hemmen Ortsbrandmeister. „Da ist man immer dabei.“ In den Augen seines Mitstreiters de Wall hat er seinen Job gut gemacht: „Er hat immer versucht, die Jungs zusammenzuhalten.“ Es folgten weitere Posten, beispielsweise von 1996 bis 2008 als stellvertretender Gemeindebrandmeister von Großefehn. „Ich habe überall reingeschnuppert.“
Von 2008 bis 2014 war Hemmen Kreisbrandmeister, anschließend bis 2020 Regierungsbrandmeister. „Da wurde es richtig spannend“, sagt er. Es galt, erfolgreich zu netzwerken und die Belange der Wehr überregional erfolgreich zu vertreten – im Landesfeuerwehrverband ebenso wie im Bundesinnenministerium oder sogar im Deutschen Bundestag. Die Ostfriesen, die seien ein eigenes Völkchen, findet Hemmen: „Aber wir machen was. Wir reden nicht nur.“ Die Arbeit von 170 Feuerwehren fiel in seine Zuständigkeit. Ein wichtiger Punkt für diese Aufgabe sei für ihn der Kontakt zur Basis gewesen: „Man vertritt die Meinung der Feuerwehren der Region. Das kann man nur, wenn man den Kontakt hält.“
Jetzt sind andere dran
Auch an seiner eigenen Ortswehr war Hemmen nah dran, bestätigt de Wall: „Trotz seiner vielen Ämter: Er kam montagabends noch immer zum Dienst – wenn es auch kurz war.“ Ernst Hemmen hat viel bewegt in dieser Zeit. „Du hast den Freiwilligen Feuerwehren in Ostfriesland deinen Stempel aufgedrückt“, stellte Aurichs Landrat Olaf Meinen (parteilos) im Juni 2024 anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande fest. Eine weitere Auszeichnung für Hemmen in einer langen Reihe. „Du hast unermüdlich daran gearbeitet, unsere Feuerwehr zu stärken, den Nachwuchs zu fördern und für die Zukunft zu rüsten. Dafür danken wir Dir von Herzen.“
Ernst Hemmen sagt über diese aufregende Zeit an der Spitze der Wehren im Bezirk Weser-Ems: „Jeder Tag war spannend. Ich war jeden Tag unterwegs.“ Jetzt aber sei er sehr zufrieden damit, „die jungen Leute“ ranzulassen. Er hadere nicht mit dem Ausstieg aus dem aktiven Dienst und dem Übergang in die Altersabteilung: „Ich bin auch froh, dass ich keine Entscheidungen mehr treffen muss.“