Serie „Fehntjer Geschichte(n)“ Die Anfänge der Feuerwehr – von Feuerhorn und Handdruckspritze
Wenn ein Haus in Flammen stand, wurde anfangs mit einer Menschenkette und Löscheimern Wasser aus dem Kanal geholt. Ab 1883 gab es eine erste Handdruckspritze. Ihre Mannschaft kam rum.
Großefehn - Es ist ein rauer Herbsttag vor ungefähr 150 Jahren. Ein Unwetter zieht über das Fehn hinweg. Der eisige Wind ist in den Schornstein eines kleinen, einfach gebauten Hauses am Kanal von Westgroßefehn gefahren und hat in der offenen Feuerstelle für ordentlich Funkenflug gesorgt. Vielleicht hat auch der Blitz eingeschlagen und das Dach aus Stroh oder Reith in Brand gesetzt. Fakt ist: Es brennt – und das Feuer greift schnell um sich. Die ganze Nachbarschaft ist schon auf den Beinen. Alle wissen um die Notsituation: Jemand hat mit dem Fürhorn, dem Feuerhorn aus Messing, Alarm geschlagen.
Jedes Haus hat einen Löscheimer. Der Besitz dieses meist aus Leder gearbeiteten Eimers ist Pflicht, seit die Gemeindeversammlung es so festgelegt hat. Eine Menschenkette hat sich von der nächstgelegenen Wasserquelle bis zum Unglücksort gebildet. Eimer für Eimer wird vom Kanal in Richtung Haus durchgereicht. Alle helfen mit. Jetzt heißt es, schnell sein. Was noch zu retten ist, bevor die Flammen sich auf das gesamte Gehöft ausdehnen, wurde bereits aus dem Haus getragen. Die Rinder und Schweine wurden mit Hilfe des Brandhakens aus dem Stall befreit. Man trieb sie ins Freie, nachdem Teile der Mauer mithilfe des Stiels mit Spitze und Haken zum Einsturz gebracht werden konnten. Auch der Brandhaken war seinerzeit ein unverzichtbares Utensil – es wurde für jeden zugänglich aufbewahrt.
Ein Haus war bei Feuer meist nicht zu retten
Trotz des Einsatzes vieler Helfer wird das Haus bei diesem fiktiven Brand, der sich so oder ähnlich zugetragen haben mag, nicht zu retten sein. So war es damals fast immer: Aufgrund der simplen Bauweise war ein Haus nach dem Feuer meist ein Totalverlust. Die Brandbekämpfung war mühsam und oft ein Rennen gegen die Zeit, das man nur verlieren konnte. Dennoch war es wichtig, dass umgehend gehandelt wurde: Nur so konnte ein Übergreifen auf umliegende Gebäude verhindert werden.
Die Fehntjer wollten nicht untätig zusehen, wie immer wieder Teile ihres Hab und Gutes in der Asche vergingen. In einer Versammlung 1882 wurde eine Kommission gebildet, die sich über die Anschaffung eines modernen Löschgerätes kundig machen sollte. Darüber hinaus wurde eine Summe von 450 Mark zum Bau eines Spritzenhauses festgelegt. Das stand neben dem Compagniehaus von Westgroßefehn (hier geht‘s zum Serienteil über die Kindheitserinnerungen der letzten Bewohnerin dieses Hauses). Dort befand sich bis etwa 1958 eine Gastwirtschaft, zuletzt geführt von Martha und Hans Kortmann. Im Jahr 1965 wurde das Compagniehaus abgerissen. Das geschah nach einem damals so typischen Schornsteinbrand. Der lief zwar glimpflich ab – offenbarte aber eklatante Mängel beim Brandschutz. Die Brandkasse wollte das Gebäude nicht mehr versichern und es musste weichen.
Die Handdruckspritze und ihre Mannschaft
In dem Spritzenhaus fand eine Handdruckspritze ihren Platz. Ihre Anschaffung war im Jahr 1883 zugleich die Geburtsstunde der heutigen Freiwilligen Feuerwehr West-Mittegroßefehn/Ulbargen. Sie ist mittlerweile eine von insgesamt acht Ortsfeuerwehren in der Gemeinde Großefehn. Ortsbrandmeister Hans-Jürgen Schütz hat die Historie seiner Wehr anhand zahlreicher Quellen wie Chroniken und Festschriften aufgearbeitet. 60 Jahre lang sollte die Handdruckspritze im Einsatz sein und den Fehntjern gute Dienste leisten. „Die Spritze war 60 Jahre modernes Löschgerät“, stellt Ernst Hemmen klar. Seit mehr als 50 Jahren ist er Mitglied der Ortswehr – und hat darüber hinaus als Regierungsbrandmeister alle Ostfriesischen Wehren geprägt. Jetzt gehört er der Altersabteilung an. Die hegt und pflegt das historische Löschgerät bis heute.
In der Gemeindeversammlung wurde ab 1883 eine Spritzenmannschaft zunächst ganz pragmatisch gewählt, trug Schütz zusammen: „Die Feuerwehrmänner der ersten Stunde waren Männer, die am wenigsten ortsabwesend waren.“ Erster Brandmeister war Hinrich Loets. Ganz wichtig war aber auch der Fuhrmann: ein Landwirt, der seine Arbeitspferde vor die Handdruckspritze spannte und das Gerät alsdann an den Einsatzort brachte. Die historischen Aufzeichnungen verdeutlichen, dass die ersten Feuerwehrleute zwar nur zu einer Handvoll Einsätze pro Jahr ausrückten – doch die hatten es in sich. Immerhin fehlte es damals auch an Training und Ausrüstung.
Löscheimer versus organisierte Brandbekämpfung
Der Weg zum Einsatz war oft beschwerlich. Anders als heute waren die Straßen nicht befestigt. Kam der Fuhrmann mit der Spritze am Einsatzort an, hatten die Flammen meist schon um sich gegriffen. Doch erst nachdem er die Pferde ausgespannt und in Sicherheit gebracht hatte, gesellte er sich zu den anderen Feuerwehrleuten und begann den Löschangriff. Und auch sonst gab es simple, aber strenge Regeln, die zur Sicherheit aller Kameraden aufgestellt und eingehalten wurden: Einmal im Jahr gab es ein Manöver an der Spritze – und dafür hatte jeder Haushalt einen Mann zu stellen. Wer fehlte, zahlte Strafe.
Bei einem Brand mussten dann ausnahmslos alle ran. Geld gab es dafür nicht – wenn das Feuer innerhalb der eigenen Gemeinde ausgebrochen war. Die Anfänge der Freiwilligen Feuerwehr auf dem Fehn waren also alles andere als freiwillig. Diese frühe Form einer Pflichtwehr endete erst 1934. Bezahlt wurden die Feuerwehrkräfte auch nur für ihre Einsätze außerhalb der eigenen Heimatgemeinde. Der Löschbezirk der Westgroßefehntjer aber war den alten Aufzeichnungen zufolge groß: Lediglich in Westgroßefehn war um 1900 bereits in eine Handdruckspritze samt Mannschaft investiert worden, überall angrenzend wurden scheinbar ausschließlich Löscheimer vorgehalten.
Das machte die Spritzenmannschaft im Notfall zu gefragten Männern: Für die ersten Jahre 1883 bis 1933 sind Löscharbeiten unter anderem in Bagband, Timmel, Holtrop, Schirum oder auch Jheringsfehn in den Einsatzbüchern notiert. Nicht immer waren nur Wohnhäuser und Stallungen von den Flammen bedroht. Im Dezember 1894 brannte es in der Pastorei in Timmel, ein Jahr darauf in der Schule in Holtrop.