So kommt die Landesbühne nach Ostfriesland Tootsie – große Show auf teils ganz schön kleinen Bühnen

| | 23.08.2024 12:51 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Glitzer, Muster, Schulterpolster: Das Musical Tootsie wird ein Augenschmaus für Fans der Achtziger. Mittendrin ist Hauptdarsteller Fehmi Göklü. Foto: Volker Beinhorn
Glitzer, Muster, Schulterpolster: Das Musical Tootsie wird ein Augenschmaus für Fans der Achtziger. Mittendrin ist Hauptdarsteller Fehmi Göklü. Foto: Volker Beinhorn
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Schräge Fummel, coole Musik: Das Musical Tootsie bringt die Achtziger zurück. Bevor die Produktion auf Ostfriesland-Reise geht, gibt’s den Stresstest – warum es dafür die „Wittmund-Probe“ braucht.

Wilhelmshaven/Ostfriesland - Unzählige schillernde Kostüme, anspruchsvolle Gesangs- und Tanzparts und eine rührende Geschichte – mit dem Musical Tootsie schickt die Landesbühne Niedersachsen Nord einmal mehr die ganz große Shownummer ins Rennen. So zumindest fasst es Intendant Olaf Strieb zusammen. Der führt bei der Produktion der Travestie-Komödie Regie – wie zuletzt bei der Inszenierung der skurrilen Familiensaga Addams Family. Es wird ein Riesen-Spektakel mit mehr als 50 Kostümen, Tanzchoreografien und Live-Band, verspricht er in einem Pressegespräch im Stadttheater Wilhelmshaven, der Heimstätte des Ensembles: „Wir fahren ganz, ganz groß auf“.

Intendant Olaf Strieb (Regie, von oben), Cornelia Brey (Bühnen- und Kostümbild) und Dr. Marcel Krohn (Dramaturgie) im Bühnenbild des Musicals Tootsie, das verschiedene Hochhäuser New Yorks zeigt. Foto: Ullrich
Intendant Olaf Strieb (Regie, von oben), Cornelia Brey (Bühnen- und Kostümbild) und Dr. Marcel Krohn (Dramaturgie) im Bühnenbild des Musicals Tootsie, das verschiedene Hochhäuser New Yorks zeigt. Foto: Ullrich

Und nicht weniger erwartet das Publikum im gesamten Spielgebiet von den fulminanten Musicals der Landesbühne. Das aber ist mit Herausforderungen verbunden: Neben der Logistik spielt dabei die Größe der Bühne in den insgesamt zwölf Spielstätten eine wichtige Rolle. Keine ist wie die andere. Das Nadelöhr ist Wittmund: Was dort passt, passe überall, sagt Bühnenmeister Thore Petersen am Rande der von Strieb als neuralgisch beschriebenen „Wittmund-Probe“, bei der diesmal ausnahmsweise die Redaktion dabei sein darf. Denn erst hier zeigt sich, ob ein Stück bereit für die Reise nach Ostfriesland ist. Zum Vergleich: Die Bühne der Aula der KGS in Wittmund ist mit sechseinhalb mal neun Metern deutlich kleiner als die im Stadttheater Wilhelmshaven, wo die Inszenierung zum Leben erweckt wird. Packt man ein Drittel der Wittmunder Fläche drauf, hat man die Probenbühne.

Die Landesbühne – ein Wanderzirkus

Premiere feiert das Stück am Sonnabend, 24. August 2024, in Wilhelmshaven. Die Termine für die weiteren Spielorte Ostfrieslands – Norden, Emden, Leer und Aurich – sind im Spielplan der Landesbühne aufgeführt. Nächster Halt der Tootsie-Tour ist Esens am Dienstag, 27. August. Auch in der Theodor-Thomas-Halle ist die Spielfläche nur wenig größer als die in Wittmund. Die Herausforderungen sind vielseitig, führt Petersen aus. Die Garderoben seien oft sehr eng fürs vergleichsweise große Ensemble, verrät eine Schauspielerin. Auch sonst mangle es an Platz. In Wittmund sei die Technik in einem Klassenzimmer untergebracht. Vielerorts ist es beengt – doch nirgendwo wird das so deutlich wie auf, neben und hinter der Bühne. Abläufe müssten angepasst, die Auf- und Abgänge der Schauspieler teils sehr spontan und flexibel gehandhabt werden. Auch die Frage, wo Requisiten positioniert werden können, stelle sich an jedem Spielort neu.

Tootsie ist eine wahre Kostümschlacht. Für die Wechsel haben die Schauspieler und Tänzer nur wenig Zeit. Jedes Kostüm hat daher seinen festen Platz hinter der Bühne. Foto: Ullrich
Tootsie ist eine wahre Kostümschlacht. Für die Wechsel haben die Schauspieler und Tänzer nur wenig Zeit. Jedes Kostüm hat daher seinen festen Platz hinter der Bühne. Foto: Ullrich

Flexibilität ist ohnehin ein Dreh- und Angelpunkt dieses Theaters für die Fläche, erläutert Petersen: Immerhin muss jedes Bühnenbild jederzeit in den Lkw verladen und zu einer anderen Spielstätte gebracht werden können. Manchmal mit der Fähre, denn auch Norderney wird regelmäßig angesteuert: Hier ist Tootsie am Freitag, 25. Oktober 2024, zu sehen. Der Bühnenmeister und sein Team wüssten das und seien von Beginn der Planung für die Kulisse mit im Boot: „Bevor wir anfangen, irgendwas zu bauen.“ Immerhin dauere es gut drei Monate, bis so ein Bühnenbild wie das für Tootsie fertig ist – kurzfristige Änderungen sind da kaum möglich.

Lenke Lemke hat die Show choreografiert. Sie war bereits mehrfach für die Landesbühne im Einsatz, unter anderem für die Addams Family. Foto: Volker Beinhorn
Lenke Lemke hat die Show choreografiert. Sie war bereits mehrfach für die Landesbühne im Einsatz, unter anderem für die Addams Family. Foto: Volker Beinhorn

Der Stresstest unter Realbedingungen

Um Tootsie zum ostfriesischen Publikum zu bringen, ist einiges an Logistik nötig: Um die 40 Akteure reisen zu den jeweiligen Spielorten: zehn Schauspielerinnen und Schauspieler, vier Tänzerinnen und Tänzer, dazu die Band, Bühnentechnik, Licht und Ton, Maske und Schneiderei, Souffleuse und Fahrer. „Musical ist definitiv die größte Produktion, die wir im Jahr haben“, stellt Petersen klar. Wenige Tage vor der Premiere gilt es nun, im Probenprozess auch die Realbedingungen im Spielgebiet herzustellen.

Bühnenmeister Thore Petersen bereitet die "Wittmund-Probe" vor: Er verkleinert die Bühne unter anderem mit dieser Holzleiste, die die Begrenzung in der Wittmunder Aula darstellt. Foto: Ullrich
Bühnenmeister Thore Petersen bereitet die "Wittmund-Probe" vor: Er verkleinert die Bühne unter anderem mit dieser Holzleiste, die die Begrenzung in der Wittmunder Aula darstellt. Foto: Ullrich

Für die „Wittmund-Probe“ wird die Bühne des Stadttheaters massiv verkleinert. Eineinhalb Meter vor der vorderen Bühnenkante hat Thore Petersen eine Holzleiste auf den Boden geschraubt. Die signalisiert: Hier ist Ende. Auch an der Seite herrschen beengte Zustände: Vorhänge zeigen, wo Schluss ist. „Es wird sportlich“, stellt Olaf Strieb angesichts der Tanzeinlagen fest. „Es ist sehr, sehr eng.“ Die „Wittmund-Probe“ ist kein Üben im herkömmlichen Sinne: Die Übergänge stehen im Fokus, nicht so sehr Schauspiel, Gesang und Tanz. Wer steht wo? Und nicht zuletzt: Passt die Choreografie der ganz großen Shownummer auch wirklich auf die kleine Bühne, ohne dass sich die Tanzenden gegenseitig auf die Füße treten? Am Ende wird das, was nicht passt, passend gemacht.

Olaf Strieb (vorn) gibt seinem Team letzte Hinweise, dann beginnt die "Wittmund-Probe". Foto: Ullrich
Olaf Strieb (vorn) gibt seinem Team letzte Hinweise, dann beginnt die "Wittmund-Probe". Foto: Ullrich

Ein Mann in Frauenkleidern

Was unbestritten passt, ist Hauptdarsteller Fehmi Göklü in seiner Rolle als Michael Dorsey beziehungsweise Dorothy Michaels. Er verzaubert mit seiner „charmanten Weiblichkeit“, schwärmt Olaf Strieb. Der holte den Musicaldarsteller extra für diese Inszenierung nach Wilhelmshaven – weil er auch die anspruchsvollen Gesangsparts meistern könne. Göklü ist in dieser Rolle immer wieder auch als Frau zu sehen – und auch seine Lieder gehen in für Männer teils schwindelerregende Höhen. Er trifft auch diese Töne meisterhaft und macht darüber hinaus auf hohen Hacken und im glitzernden Abendkleid eine gute Figur. Im Musical entschließt sich der abgehalfterte Schauspieler Michael Dorsey zu dieser Weiblichkeit, weil er dringend ein neues Engagement am New Yorker Broadway sucht. Nachdem er seinen Ruf ruiniert hat, will ihn nämlich niemand mehr engagieren.

In seiner Rolle als Dorothy Michaels verliebt sich Michael Dorsey (Fehmi Göklü) in seine Schauspielkollegin Julie Nichols (Steffi Baur). Natürlich wird es jetzt erst so richtig kompliziert. Foto: Volker Beinhorn
In seiner Rolle als Dorothy Michaels verliebt sich Michael Dorsey (Fehmi Göklü) in seine Schauspielkollegin Julie Nichols (Steffi Baur). Natürlich wird es jetzt erst so richtig kompliziert. Foto: Volker Beinhorn

Als Frau ergattert er die Rolle seines Lebens – und verliebt sich. Natürlich gibt es Komplikationen. Der Musicalstoff von Tootsie basiert auf dem gleichnamigen Film aus dem Jahr 1982 mit Dustin Hoffmann in der Hauptrolle. Mit feinsinnigem Humor wird ein Schlaglicht auf Rollenklischees, Beziehungen und das Showbusiness geworfen. Unterhaltsamer Stoff, der optisch ansprechend verpackt auf die Bühne kommt. „Eine Kostümschlacht“ verspricht der Intendant. Glitzer, grafische Muster und breite Schultern – es wird eine bunte Zeitreise in die Achtziger und ein garantiert kurzweiliger Abend.

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