Am Ihler Meer 17 Heerlager lassen das Mittelalter aufleben
17 Heerlager lassen an diesem Wochenende am Ihler Meer das Mittelalter aufleben. Ritter, Wikinger und Landsknechte sind dort unterwegs. Doch wird das Mittelalter nicht viel zu positiv dargestellt?
Ihlowerfehn - Bunte Zelte aller Formen verleihen dem Ihler Meer an diesem Wochenende eine magische Kulisse. 17 Heerlager aus dem gesamten norddeutschen Raum haben sich versammelt, um die diesjährige Saison ausklingen zu lassen.
Wie eine Glocke hängt das schwülwarme Wetter am Sonnabendmittag über dem Gelände mit seiner Schmiede, der Taverne, der Braterey und dem Lebzelter, einem Honigverarbeiter. In den Heerlagern der Ritter, Wikinger und Landsknechte wird geplauscht, gedöst oder es werden Waren wie Marmeladen, kleine Puppen und Taschen feilgeboten. Bratwurstduft zieht in die Nase. Der Schmied entfacht sein Feuer. Ein kleines Mädchen bettelt neben einer Brücke. Holzschemel stehen um Feuerstellen, Kessel und Kannen baumeln darüber an starken Ketten. Zwei Bogenschützen üben den gezielten Schuss mit dem Recurve-Bogen auf eine geflochtene Zielscheibe. Ihre Pfeile treffen beinahe die Mitte.
„Kinder tranken Bier, weil es sauberer war als Wasser“
Eigentlich war doch das Mittelalter gar nicht so idyllisch – oder? Der Emder Organisator Jens Hieronimus kennt die damaligen Lebensbedingungen genau. „Kinder tranken Bier, weil es sauberer war als Wasser, arme Bauern mussten unter Bäumen schlafen, die Menschen wurden nicht alt“, gibt er einige Beispiele für die miserablen Zustände von früher. Trotzdem: „Wir versuchen, es so gut wie möglich darzustellen“, sagt er. In die Umstände jener Zeit hat er sich eingehend eingelesen.
Hieronimus′ Lager stellt die Tempelritter des Conrebbi-Clans in der Zeit um 1350 dar. Das auffällige Zelt – das prachtvollste des ganzen Lagers – hat er bei eBay-Kleinanzeigen gefunden und einem Großefehntjer Hotelier abgekauft. „Er hat das Zelt als Filmrequisite vom Norddeutschen Rundfunk bekommen“, erzählt Hieronimus. Die komfortable Behausung seines Clans hat also eine illustre Vergangenheit. Der Emder schildert, wie kompliziert das Prunkstück aufzubauen ist: „Der Dachhimmel wiegt 120 Kilo und wird mit sechs Mann aufgezogen. Da darf kein Wind sein, sonst kriegen wir das nicht hoch.“
Die Tempelritter erfanden das Bankensystem
Welche Rolle spielen die Besucher in dem selbstgenügsam anmutenden Mittelalter-Kosmos? Für Hieronimus haben sie einen extrem hohen Status. „Wir leben von ihnen. Wir erzählen ihnen gerne die Geschichte der Tempelritter. Deshalb muss man sich gut auskennen“, sagt er und legt los. Dass die Templer das Bankensystem erfunden und erstmals Kredite ausgegeben hätten. Dass sie die Wege der Kreuzritter beschützt und alle Nichtchristen ermordet hätten. „Wir sind deshalb als Tempelritter nicht so gerne gesehen, aber ich finde ihre Geschichte sehr interessant“, sagt er mit Begeisterung in seinen Augen. Am schönsten ist für ihn die abendliche Atmosphäre ab 19 Uhr, wenn die Lämpchen angezündet werden und die Feuer brennen – „dann sitzen wir einfach zusammen, machen Blödsinn und erzählen Geschichten“.
Eine Radgruppe aus Emstek hat haltgemacht und ist über das Gelände gebummelt. Die Reaktionen der Männer sind unterschiedlich. Von „interessant“ bis „muss man mögen, ich kann dafür kein Verständnis aufbringen“, reichen ihre Äußerungen im Gespräch mit der Redaktion. Norbert Holtvogt präzisiert das. „Früher war es nicht so gut, wie es heute dargestellt wird. Es war ja armselig“, meint er, bevor er sich wieder auf sein Rad schwingt.
Was meint der Organisator dazu? Hieronimus räumt ein, bei dem Heerlagertreffen handle es sich um eine romantisierende Fassung des Mittelalters. „Rein authentisch wollen wir nicht, sonst haben wir keinen Spaß“, gibt er zu. Auch für seine vierjährige Enkelin Merle, sie trägt ein weinrotes Kleid und zieht einen ausgestopften Stoffdrachen unter ihrem Arm hervor, findet er den Aufenthalt auf dem Heerlagertreffen ideal: „Wir sind eine riesengroße Familie und alle kennen die Kinder, die von Lager zu Lager ziehen. Jeder passt auf, dass nichts passiert.“