Ostfriesland Drei Frauen tischlerten um den Kammersieg

| 14.09.2024 05:30 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Judith Cramer fertigte für ihre Gesellinnenprüfung einen Schmuckschrank aus Nussbaum. Der ist im Betrieb von Frank Flügge ausgestellt. Foto: Scherzer
Judith Cramer fertigte für ihre Gesellinnenprüfung einen Schmuckschrank aus Nussbaum. Der ist im Betrieb von Frank Flügge ausgestellt. Foto: Scherzer
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Ostfrieslands beste Tischlerin kommt dieses Jahr aus Ostrhauderfehn. Die 19-jährige Judith Cramer hat die erste Hürde zur Deutschen Meisterschaft genommen.

Ostfriesland / CSC - Schon als Kind hat Judith Cramer aus Ostrhauderfehn gerne gebastelt. Später half sie ihrem Onkel bei der Sanierung seines Hauses. Diese Leidenschaft fürs Handwerk prägte auch ihre Berufswahl. 2022 begann die jetzt 19-Jährige ihre Ausbildung zur Tischlerin bei der Tischlerei Flügge in Idafehn. Die schloss sie kürzlich mit Auszeichnung ab.

Jetzt ist Judith Cramer im Berufsbildungszentrum (BBZ) in Aurich zur besten Gesellin des diesjährigen Jahrgangs im Bezirk der Handwerkskammer für Ostfriesland gekürt worden. Sie trat gegen Emma Dirks (21) von der Tischlerei Otto Müller in Aurich und Miriam Schomerus (22) von der Bau- und Möbeltischlerei Weerts in Emden an. Beide Frauen stammen aus Ihlow.

Emma Dirks (von links), Judith Cramer und Miriam Schomerus traten beim Kammerwettbewerb an. Foto: privat
Emma Dirks (von links), Judith Cramer und Miriam Schomerus traten beim Kammerwettbewerb an. Foto: privat

„Alle drei haben wirklich eine tolle Leistung abgeliefert und Nervenstärke gezeigt“, erklärte Prüfer und Lehrwerksmeister Uwe Herzich. Die Aufgabe gestaltete die Jury extra kniffelig, um die Teilnehmerinnen auf das Niveau des Landeswettbewerbs vorzubereiten. Innerhalb von acht Stunden mussten die Tischlergesellinnen eine Puppenwiege herstellen. „Alle waren gleich stark. Kleine, aber feine Unterschiede gab es in der Sauberkeit der Verarbeitung, und da lag Judith Cramer vorne“, sagte Uwe Herzich.

Emma Dirks wurde Zweite, Miriam Schomerus belegte den dritten Platz. Mit ihrem Sieg darf die Ostrhauderfehnerin nun auf Niedersachsenebene um die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft kämpfen.

Lösungen, die stimmen

Wie sauber und kleinteilig sie arbeiten kann, hat die zierliche Frau mit ihrem Gesellenstück, ein Schmuckschrank aus amerikanischem Nussbaum mit Koffertüren und vielen nützlichen Details, bewiesen. Das Prachtstück ist momentan in ihrem Ausbildungsbetrieb ausgestellt.

Bereits während ihrer Ausbildung fiel Judith Cramer mit ihrer erstaunlichen Beobachtungsgabe und guten Lösungen auf. „Sie kann sehr gut und genau beobachten, bevor es los geht. Stößt sie auf Fehler, zieht sie sich zurück, überlegt für sich selber und kommt mit einer Lösung an, die stimmt,“ sagt Tischlerei-Inhaber Frank Flügge.

Fabrik-Fehler entdeckt

Besonders beeindruck habe sie ihn im Fall von gelieferten Türbändern, von denen zwei nicht passten. Auch hier habe sie die Ursache entdeckt. „Es war ein Werksfehler, deswegen konnten einige Türen nicht so eingepasst werden. Es ist etwas Außergewöhnliches, wenn man das erkennt“, erläuterte der Tischlermeister die Begabung seiner Auszubildenden.

„Das gute am Handwerk ist, dass man am Ende des Tages sieht, was man geschafft hat. Büro kam für mich nicht in Frage. Das ist im Prinzip immer dasselbe. Das ist mir zu eintönig“, erklärt Judith Cramer. Mit ihrer Leidenschaft fürs handwerkliche Arbeiten stellt sie als Frau auch heute noch eine Ausnahme dar. In ihrer Berufsschulklasse gab es lediglich zwei weitere weibliche Auszubildende.

Mit Bravour bestanden

Für ihre Abschlussprüfung musste die 19-Jährige ihr Gesellinnenstück innerhalb von zwei Wochen eigenständig planen, entwerfen und bauen. Dabei sollten bestimmte Kriterien erfüllt werden. So wurden die handwerklichen Verbindungen, die Oberflächenbehandlung und die Beschlagarten benotet. Cramer erfüllte weit mehr als die Mindestvorgaben, bestand mit Bravour und wurde bei der Freisprechung in Leer als eine von zwei Prüfungsbesten ausgezeichnet.

Bislang habe er immer gute Auszubildende gehabt, aber Judith Cramer steche besonders hervor, erklärt Frank Flügge: „Das ist natürlich auch für uns eine tolle Sache. Ich habe viele Kunden, die fragten, ob sie ihre Prüfung bestanden hat. Das ist auch schön zu erzählen.“

Bewerbung für Messe steht

Wohin ihre berufliche Reise geht, weiß die Ostrhauderfehnerin noch nicht. „Vielleicht mache ich meinen Meister. Das muss man sich aber gut überlegen“, sagt sie. Zunächst könne sie noch in ihrem Ausbildungsbetrieb arbeiten. „Sie muss aber irgendwann eine Entscheidung treffen. Es wäre sehr schade, wenn es für sie zukünftig in eine andere Richtung geht und das Handwerk so jemanden wie sie verlieren würde“, betont Flügge.

Im Oktober möchte Judith Cramer mit ihrem Schmuckschrank am Landeswettbewerb „Gute Form“ auf der Erlebnis- und Einkaufsmesse Infa in Hannover teilnehmen. Ihr Bewerbungsvideo hat sie bereits fertig.

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