Frau am Freitag Die alltägliche Seifenoper
Daily Soaps und das ständige Drama sind unrealistisch? Mitnichten, sagt die Kolumnistin und stellt sich die Frage: Ist der Alltagstrubel normal oder selbst gewählter Lebensstil?
Als „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ 1992 ins Fernsehen kam, war ich gerade Teenager. Ich war begeistert. Von den ersten Folgen verpasste ich keine einzige, der Vorabend hatte in meiner Welt ein festes Programm: Liebe, Intrigen, Überraschungen und Probleme, so viele Probleme. Irgendwann verlor ich dann die Lust am Zuschauen. „Das ist doch total unrealistisch, dass dauernd was passiert“, beschwerte ich mich. Das würde man im echten Leben doch niemals aushalten können. Ich hatte ja keine Ahnung.
Gut dreißig Jahre später kann ich ein Lied davon singen, dass ständig etwas „passiert“, manchmal sogar mehrmals am Tag. Irgendwas ist immer. Läuft es im Job mit, hakt es privat irgendwo oder das Autoradio ist kaputt. Glaubt man gerade, alles unter Kontrolle zu haben, ändert ein krankes Kind den eng gestrickten Wochenplan. Immerhin: Ich bin nicht allein mit dieser Erfahrung. Kürzlich fragte mich eine Kollegin, ob ich diese Tage kenne, an denen man das Gefühl hat, dass die täglichen To-dos kaum noch planbar sind. Ja, das kenne ich.
Die erfolgreichste deutsche Serie ihres Genres
Manchmal frage ich mich, ob das dauernde „Passieren“ von Dingen zum Leben mit Kindern dazugehört. Oder ist es Teil eines Lebensstils? Mit leeren Zeitfenstern konnte ich schließlich noch nie etwas anfangen. Es dauert dann nicht lange, bis ich anfange, Schubladen auszuräumen. Auch Journalistin wird man eher nicht, wenn man den ruhigen Alltag sucht.
Laut Wikipedia ist „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ die „erfolgreichste deutsche Fernsehserie ihres Genres“. Das macht Hoffnung. Und Alltagstrubel würde ich dem Stillstand jederzeit vorziehen. Zum Glück passieren mittendrin auch jede Menge schöne Dinge. Und Tage, an denen mal nichts passiert, verschwinden oft einfach in der Vergangenheit. Ereignisse bleiben dafür haften und sagen, mal mehr, mal weniger freundlich: Juhu, ich lebe! Es lohnt sich also, das tapfer Bleiben.