Michael Tsokos im Interview Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner über Moorleichen und seine Arbeit

| | 17.09.2024 19:32 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Prof. Michael Tsokos ist Rechtsmediziner hat ein neues Buch veröffentlicht. Foto: Linnea Tsokos
Prof. Michael Tsokos ist Rechtsmediziner hat ein neues Buch veröffentlicht. Foto: Linnea Tsokos
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Prof. Michael Tsokos, ehemaliger Leiter der Rechtsmedizin der Charité, spricht über seine Faszination für den Beruf, seine Bestseller und welchen historischen Mordfall er gerne aufklären würde.

Ostfriesland - Prof. Michael Tsokos (57) ist einer der bekanntesten Rechtsmediziner Deutschlands. Er leitete von 2007 bis 2023 das Institut für Rechtsmedizin der Charité in Berlin. Seit 2008 steht Tsokos zudem medial in der Öffentlichkeit. Er hat bis Stand heute (September 2024) 636.000 Fans auf Instagram. Mit seinen YouTube-Videos erreicht er Hundertausende. Er ist zudem regelmäßig als Experte im In- und Ausland tätig, beispielsweise für das Bundeskriminalamt und hilft etwa bei der Identifizierung der Opfer von Terrorangriffen. Tsokos ist Bestsellerautor. Sein aktuelles Buch „Mit kaltem Kalkül“ steht aktuell auf Platz 1 der Bestsellerlisten. Mit seinem Bühnenprogramm, bei dem allerdings einigen Gästen regelmäßig übel wird, füllt er inzwischen bundesweit die großen Arenen. Im Interview mit dieser Zeitung plaudert Tsokos über seinen Beruf und verrät, welchen historischen Mordfall er gerne aufklären würde.

Lieber Prof. Tsokos wo sind sie eigentlich lieber – im Obduktionssaal oder auf der Bühne?

Prof. Michael Tsokos: Der Mix aus beidem macht es. Ich liebe meinen Beruf als Rechtsmediziner, ich könnte mir nicht vorstellen, beruflich etwas Anderes zu machen. Ich lerne, auch nach knapp dreißig Jahren im Sektionssaal fast jeden Tag noch etwas dazu. Spannender geht es nicht … Auf der Bühne bin ich ebenfalls gerne. Zu spüren, dass das Publikum mitgeht, fasziniert ist von dem, was ich vermittle, ist ein tolles Gefühl. Und sicherlich auch ein Ausgleich zu den Schattenseiten, die ich jeden Tag im Sektionssaal mitbekomme.

Sie sind vermutlich gemeinsam mit der Fiktionsfigur Prof. Boerne aus der Münsteraner Tatortreihe der bekannteste Rechtsmediziner Deutschlands. Beschreiben Sie doch mal in drei Sätzen die Faszination für Ihren Beruf?

Tsokos: Erstens, du weißt morgens nicht, was dich im Laufe des Tages erwartet. Zweitens, du schaust in Abgründe, aber bist Teil derer, die diese Abgründe wissenschaftlich untersuchen. Drittens, der menschliche Körper ist ein Wunderwerk und kaum jemand bekommt so tiefe Einblicke in ihn, wie wir Rechtsmediziner.

In Ostfriesland ist vor allem die Moorleiche „Bernie“ sehr bekannt. Mit Moorleichen hatten Sie ja auch schon zu tun…

Tsokos: Moorleichen haben mich schon als Kind fasziniert. Im Schloss Gottorf bei Schleswig. Ich glaube, das war frühkindliche Prägung, diese Ausflüge mit meiner Familie zwischen meinem fünften und zehnten Lebensjahr immer wieder zu den Moorleichen im Schloss Gottorf.

Lesen Sie eigentlich Todesanzeigen anders als der Durchschnittsleser?

Tsokos: Wahrscheinlich fällt mir auf, wie jedem in meinem Alter, wenn ich die Geburtsdaten der Verstorbenen lese, dass die Einschläge näher kommen …

Sie füllen mit ihrem Programm ganze Hallen, bei uns zuletzt die Nordseehalle in Emden. Ihre Vorträge sind so authentisch, dass einigen Gästen regelmäßig übel wird. Gib es überhaupt noch etwas, das Ihnen auf den Magen schlägt?

Tsokos: Um ehrlich zu sein, im Beruflichen nicht. Da sehe ich alles durch die professionelle Brille des Rechtsmediziners mit der nötigen Distanz und Objektivität.

Sie haben mehr als 630.000 Fans auf Instagram, haben den doch sicherlich gut dotierten Job bei der Berliner Charité Ende 2023 aufgegeben. Macht Showbiz mehr Spaß als Vorlesungen?

Tsokos: Es ist auf jeden Fall dankbarer, vor ein paar tausend Menschen, die mitgehen und teilweise hunderte Kilometer Fahrt auf sich nehmen, in einer riesigen Halle zu stehen, als in einem Hörsaal mit zwanzig verschlafenen Studenten, die Rechtsmedizin als Pflichtfach im Studium haben.

Sie sagten einmal, Sie hätten bislang an die 200.000 (!) Leichen gesehen. Welche Leiche werden oder können Sie nicht vergessen?

Tsokos: Da sind diverse Prominente aus Film, Fernsehen und Showbiz, deren Namen ich aus Gründen der Schweigepflicht nicht nennen kann, die mich mein ganzes Leben irgendwie in Fernsehen und Presse quasi „begleitet“ haben, die irgendwann vor mir auf dem Sektionstisch lagen und die ich obduziert habe.

Ihre Expertise können inzwischen auch Nicht-Pathologen nachlesen. Sie haben Anfang September ihren neuen Roman „Mit kaltem Kalkül“ herausgegeben. Ohne zu spoilern… machen Sie mir doch in drei Sätzen Appetit auf das Buch.

Tsokos: Rechtsmedizinerin Sabine Yao und Kommissarin Monica Monti: Frauenpower im Doppelpack. Leidenschaftliche Ermittlungsarbeit, gepaart mit absoluter Professionalität und Fachwissen. Ein Rechtsmedizin-Thriller mit viel Tempo und Spannung.

„Mit kaltem Kalkül“

Der neue Bestseller „Mit kaltem Kalkül“ ist aus der Feder von Prof. Michael Tsokos.
Der neue Bestseller „Mit kaltem Kalkül“ ist aus der Feder von Prof. Michael Tsokos.

Im aktuellen Buch „Mit kaltem Kalkül“ von Prof. Michael Tsokos ermittelt zum zweiten Mal die Rechtsmedizinerin Dr. Sabine Yao. Es geht um eine Berliner Schattengesellschaft, um vermisste Kinder und jordanische Geheimdiensttätigkeiten. Der Rechtsmedizin-Thriller ist bei Knaur erschienen und kostet 16,99 Euro.

Worin unterscheidet sie das Schreiben eines Buches von einer Obduktion? Oder gibt es bei der Herangehensweise Gemeinsamkeiten?

Tsokos: Eine Obduktion läuft standardisiert nach den Vorgaben der Deutschen Strafprozessordnung ab, da ist alles haarklein geregelt. Beim Schreiben eines Buches darf auch mal mehr oder weniger organisiertes Chaos herrschen.

Bekanntester Rechtsmediziner, Bestseller-Autor… was streben Sie als Nächstes an?

Tsokos: Eine Lost Places Tour nach Frankreich. Meine liebste Freizeitbeschäftigung neben meiner Familie.

Wenn ich Sie in meinen Video-Podcast „Ein Glas mit Lars“ einlade. Muss ich dann Brechtüten verteilen oder eine Gesundheitswarnung vor dem Hören/Sehen aussprechen?

Tsokos: Das haben allein Sie in der Hand … Je nach Frage das Eine oder das Andere.

Letzte Frage: Welchen historischen Mordfall würden Sie gerne aufklären?

Tsokos: Den Tod von Ludwig II. von Bayern 1886 … Sie sehen an meiner Antwort, ich halte die Theorien von Suizid oder Unfall für nicht zutreffend.

Weitere Informationen und Tickets gibt es hier.

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