Roman des Jahres Deutscher Buchpreis für Leipziger Autorin Hefter

Jenny Tobien und Lisa Forster (dpa)
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Von Jenny Tobien und Lisa Forster (dpa)
| 14.10.2024 18:46 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Für „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ ist die Leipziger Autorin Martina Hefter mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden. Foto: Andreas Arnold/dpa
Für „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ ist die Leipziger Autorin Martina Hefter mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden. Foto: Andreas Arnold/dpa
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Mit „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ ist Martina Hefter ein klug choreografierter Roman über Sehnsüchte und Ungerechtigkeit gelungen. Dafür wurde sie jetzt mit dem Deutschen Buchpreis geehrt.

Es ist ein Roman über digitale Kommunikation, über Selbstverwirklichung und Kunst. Und es ist ein Buch, das nachhallt und zugleich leichtfüßig daher kommt. Für „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ ist die Leipziger Autorin Martina Hefter nun mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden.

Die 59-Jährige reagiert regelrecht ungläubig, als sie bei der Preisverleihung im Frankfurter Rathaus Römer als Gewinnerin verkündet wird. Sie sei wirklich überwältigt und freue sich riesig, sagt Hefter. 

„Ein klug choreografiertes Buch“ 

Es handle sich um ein klug choreografiertes Buch, das „eine ganz eigene Anziehungskraft ausübt“, heißt es in der Begründung der Jury. „Auf faszinierende Weise verbindet der Roman zermürbenden Alltag mit mythologischen Figuren und kosmischen Dimensionen, er navigiert zwischen Melancholie und Euphorie, reflektiert über Vertrauen und Täuschung.“

Hefter - die auch Lyrikerin und Performance-Künstlerin ist - ist ein kunstvolles Werk gelungen, das autobiografische Züge trägt und so gegenwärtig wie poetisch ist. Erzählt wird von der Mittfünfzigerin Juno, einer Künstlerin, die mit ihrem schwer kranken Mann Jupiter, einem Schriftsteller, in Leipzig wohnt. Jupiter hat Multiple Sklerose und kann die Wohnung ohne Junos Hilfe nicht verlassen.

Juno lebt in zwei Welten. Tagsüber pflegt sie ihren Mann, nachts taucht sie ab ins Internet. Dort chattet sie mit sogenannten Love-Scammern: Dabei handelt es sich um Internetbetrüger, die mittels Fake-Profilen Kontakt zu Liebessuchenden aufnehmen und diese finanziell ausbeuten wollen. Doch statt darauf hereinzufallen, werden genau diese Männer zu einer Form von Freiheit für Juno.

Wer beutet hier wen aus?

Juno nutzt diese Chats als Ablenkung, wenn sie nachts nicht schlafen kann. Sie versteckt ihre wahre Identität und testet, wie viel Unsinn sie fantasieren kann, bis die Betrüger ihr nicht mehr schreiben. Man fragt sich irgendwann, wer hier wen betrügt in der falschen Welt der Gefühle. Nachdem sie einen bestimmten Liebesbetrüger überführt hat, beginnt Juno, unverbindlich mit diesem Mann weiter zu chatten. Er heißt Benu, ist deutlich jünger als sie und lebt in Nigeria. Trotz der Entfernung entsteht zwischen beiden eine Verbindung. 

Es geht in diesem Roman um große Themen: um das Altern, um globale Ungleichgewichte, um Sehnsüchte, Freundschaft und um Liebe. Von ihnen erzählt Hefter lakonisch und zart. So ist ihr mit „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ ein Werk gelungen, das sich kurzweilig liest, aber auch nachhallt. Sie wolle gar keine politische Rede halten, sagte Hefter in ihrer Dankesrede. Dennoch schlug sie mahnende Worte an. Die Arbeit an diesem Roman sei mit Leuten zustande gekommen, die sie begleitet hätten - „darunter sind auch Menschen, die nach dem Willen einer Partei, deren Namen ich heute echt nicht in den Mund nehmen möchte an diesem schönen Abend, aber nach dem Willen dieser Partei sollen diese Leute nicht so unbedingt in der Mitte der Gesellschaft stehen oder gar nicht hier sein. Weil sie vielleicht die falsche Hautfarbe haben oder eine Behinderung haben oder sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen.“ Sie wisse, dass man das in diesem Saal gar nicht sagen müsse: „Aber ich sage es trotzdem, dass wir wachsam sind und dass wir auch laut sein dürfen.“

Buchpreis zum 20. Mal vergeben

Der Deutsche Buchpreis gilt als eine der wichtigsten Auszeichnungen der Branche und wurde am Montag zum 20. Mal verliehen. Die siebenköpfige Jury hat dafür insgesamt 197 Romane aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gesichtet. 

Der Preis wird in einem mehrstufigen Verfahren vergeben: Erst wird eine Liste mit 20 Titeln veröffentlicht (Longlist), die später auf sechs verkürzt wird (Shortlist). In der Endrunde standen neben Hefter noch Maren Kames („Hasenprosa“), Clemens Meyer („Die Projektoren“), Ronya Othmann („Vierundsiebzig“), Markus Thielemann („Von Norden rollt ein Donner“) und Iris Wolff („Lichtungen“). 

Vergeben wird der Buchpreis von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. „Seit 20 Jahren gibt der Deutsche Buchpreis Orientierung, weckt Leselust und spiegelt aktuelle und aufkommende Themen und Trends. Damals wie heute fördert er die Buchbegeisterung und schafft Aufmerksamkeit für das Medium Buch“, erklärte Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins laut Mitteilung. „Die größte Entwicklung in den letzten zwei Jahrzehnten bietet die Literatur selbst, die Perspektiven und Stimmen, die durch sie sichtbar werden.“

Der Preis ist mit insgesamt 37.500 Euro dotiert: Der Sieger erhält 25.000 Euro, die übrigen Autoren der Shortlist jeweils 2.500 Euro. Im vergangenen Jahr gewann der Österreicher Tonio Schachinger mit seinem Roman „Echtzeitalter“.

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