Analyse zu Kinderrechten Politischer Kindesmissbrauch – das ist bei der AfD Programm
Die AfD kämpft dagegen, dass 16-Jährige wählen dürfen – weil es an geistiger Reife fehle. Gleichzeitig will sie 12-Jährige für strafmündig erklären. Die AfD missbraucht Kinder. Politisch.
Berlin/Osnabrück - Wenn es gegen den Islam geht, schwingt sich die AfD zur Kinderrechtspartei auf: „Das Kinderkopftuch gleicht einer Zwangsjacke“, wetterte die AfD-Abgeordnete Mariana Harder-Kühnel am 29. Mai 2020 im Bundestag. „Es ist für die kleinen Mädchen nichts anderes als eine andauernde körperliche und psychische Disziplinierung in einem prägenden Alter.“
Derweil setzt die AfD selbst auf die Disziplinierung von Kindern. Sie fordert in ihrem Grundsatzprogramm, dass Lehrkräften „geeignete Maßnahmen“ zur Durchsetzung von Disziplin „zur Verfügung stehen und deren Durchsetzung nicht ständig hinterfragt wird“. Die Brandenburger AfD gab in ihrem Landtagswahlprogramm 2019 die Parole aus: „Wir wollen die Autorität unserer Lehrer und Schulleiter stärken.“ Lehrer müssten deshalb „eine vorbehaltlose Rückendeckung von Seiten der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden erhalten“. Die sächsische AfD verlangte in ihrem Wahlprogramm 2019 gar nach einer Art Führer-Prinzip für den Klassen-Kampf: „Die Autorität des Lehrers darf nicht in Frage gestellt werden.“
Terres des Hommes: AfD-Positionen gefährden Kinderrechte und Kindswohl
Die Kinderrechtsorganisation „Terre des Hommes“ aus Osnabrück hat am 28. Oktober 2024 sprichwörtlich Alarm geschlagen: „Wir starten eine Informationskampagne, um auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die die Positionen der AfD für das Wohl und die Rechte von Kindern mit sich bringen“, sagte Vorstandssprecher Joshua Hofert per Pressemitteilung. „Dass Kinder von der AfD für politische Zwecke instrumentalisiert werden, lässt sich an ihren Forderungen ablesen“, so Terre des Hommes – und dabei geht es ausdrücklich auch um deutsche Kinder und Jugendliche: „So setzt sich die AfD dafür ein, bereits 12-jährige Kinder strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, wendet sich aber gleichzeitig gegen die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre.“ Die niedersächsische AfD verlangte in ihrem Landtagswahlprogramm 2022: „Die Resozialisierung von Jugendlichen darf auf keinen Fall mit Erlebnispädagogik verbunden werden.“
Die AfD nutzt Kinder als politischen Spielball. So gibt sie Kindern aus eingewanderten Familien die Schuld, Bildungsdefizite in Deutschland zu verursachen. Die AfD-Bundestagsfraktion forderte am 18. März 2024 per Pressemitteilung, dass der „Zuzug weiterer bildungsferner Migranten sofort gestoppt werden“ müsse, „damit sich unser Bildungssystem regenerieren kann“. Nicole Höchst, bildungspolitische Sprecherin der AfD, giftete am 13. Dezember 2023 im Bundestag gegen Ausländerkinder: „Ohne Migrationswende keine Bildungswende, meine Damen und Herren! Sie können die Nichtleister nicht mehr in den Regelschulklassen verstecken, auch nicht hinter einer verschenkten deutschen Staatsbürgerschaft.“
Die AfD schürt Angst vor Ausländerkindern
Mehr noch: Die Partei schürt die Angst, dass von Ausländerkindern Terrorismus- und Gesundheitsgefahren ausgehen könnten. Die Thüringer AfD widmete sich in ihrem Landtagswahlprogramm 2019 direkt hintereinander der „Abwehr von Gesundheitsgefahren in Kindergärten und Schulen“, der „Altersfeststellung von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen“ und der „Gefahrenabwehr für Mediziner infolge der unkontrollierten illegalen Einwanderung“.
In ihrem Europawahlprogramm setzte sich die AfD mit „europaweit begangenen Terroranschlägen“ und der „Wahrscheinlichkeit neuer Attentate“ auseinander. Damit verband sie die Behauptung: „Die ideologische Radikalisierung von Kindern ist zu einem wichtigen sicherheitsrelevanten Geschehen in der EU geworden. Dabei unterliegen vor allem Kinder aus muslimisch-fundamentalistischen Elternhäusern dem Zugriff radikaler Ideologen.“
AfD macht humanitäre Hilfe von der Kassenlage abhängig
Die AfD will die Familienzusammenführung zum Nachteil von geflüchteten Kindern erschweren. Außerdem soll es ihnen erschwert werden, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen.
Humanitäre Hilfe soll ausweislich des AfD-Europawahlprogramms von der Kassenlage abhängig gemacht werden. Demnach unterstützt die Partei eine „freiwillige und ausschließlich temporäre Aufnahme einer souverän bestimmten Zahl vorab ausgewählter besonders Schutzbedürftiger, beispielsweise im Zuge der medizinischen Versorgung von Kindern“. Solche „humanitär motivierten Aufnahmen“ werden aber „nur dann von uns befürwortet“, wenn sich „die massiv überspannten finanziellen, materiellen und kulturellen Aufnahmekapazitäten Deutschlands wieder erholt haben“.
Terre des Hommes sieht AfD-Verstöße gegen UN-Kinderrechtskonvention
Die Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes kommt in einer Analyse zu dem Ergebnis, „dass die Kinder-, Familien- und Bildungspolitik der AfD und von Teilen ihrer Landesverbände der UN-Kinderrechtskonvention in wesentlichen Punkten entgegensteht“. Ein Beispiel: „Die AfD lehnt jegliche Familienzusammenführungen, also auch bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, in Deutschland ab. Das widerspricht der Genfer Flüchtlingskonvention und den Rechten aus der UN-Kinderrechtskonvention.“
Auch deutsche Kinder sind für die AfD Mittel zum politischen Zweck – sie sollen den Volkserhalt sicherstellen: Mit diesem Ziel will die AfD Familien verschiedentlich finanziell unterstützen, Abtreibungen verhindern, Adoptionsverfahren vereinfachen. Kinder sollen perspektivisch – statt Zuwanderer*innen – den Fachkräftemangel in Deutschland beheben. Im AfD-Grundsatzprogramm wird steht: „Dass die Geburtenrate unter Migranten mit mehr als 1,8 Kindern deutlich höher liegt als unter deutschstämmigen Frauen, verstärkt den ethnisch-kulturellen Wandel der Bevölkerungsstruktur.“
Die AfD kämpft gegen die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz
Auf Kinderrechte, also die Rechte deutscher Kinder, pocht die AfD allenfalls so lange, wie sie die Elternrechte nicht beschränkt sieht. So kämpft die AfD gegen eine Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz, weil das angeblich die Elternrechte beschneiden würde. „Die AfD stellt sich klar gegen die populistische Forderung, ,Kinderrechte‘ ins Grundgesetz aufzunehmen“, so der niedersächsische Landesverband der Partei in seinem Wahlprogramm 2022. „Hinter diesem Begriff verbirgt sich in Wahrheit ein Angriff gegen Eltern, Kinder und Familien, denn durch diese Änderung würde sich der Staat ein unangemessenes Eingriffsrecht in die Kindeserziehung erzwingen.“
Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen, helfe dabei, „Kinder bestmöglich zu schützen“, argumentiert Terre des Hommes in einer Broschüre zur „kritischen Auseinandersetzung mit der Kinderpolitik der AfD“. Kinder seien in Deutschland zwar wie Erwachsene bereits jetzt Träger aller Grundrechte: „Kinder haben aber darüber hinaus ganz besondere Bedarfe, was bisher nicht ausdrücklich im Grundgesetz verankert ist.“ Deshalb ist aus Sicht von Terre des Hommes „die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung auf der Grundlage der UN-Kinderrechtskonvention von großer Bedeutung“.
Das Recht auf Niederlagen – die Kinderrechtsverständnis der AfD
Das Verständnis von Kinder- und Jugendrechten der AfD wird noch an anderer Stelle offenkundig. Die Partei fordert in ihrem Grundsatzprogramm, dass in Schulen „uneingeschränkt“ das „Leistungsprinzip“ gilt: „Schüler haben ein Recht darauf, in einem nach oben und unten durchlässigen Schulsystem Erfolge und Niederlagen zu erfahren.“
Die AfD-Bundestagsabgeordnete Mariana Harder-Kühnel sieht im Kinderkopftuch „ein Symbol des politischen Kindesmissbrauchs“. Die AfD braucht dazu kein Kopftuch. Sie instrumentalisiert Kinder mannigfaltig für die Durchsetzung ihrer Partei-Ziele. Die AfD betreibt politischen Kindesmissbrauch.