EU-Kurs Prowestliche Präsidentin siegt in Moldau - EU erleichtert
In dem zwischen Russland und dem Westen hin- und hergerissenen Land Moldau wird die prowestliche Präsidentin Sandu im Amt bestätigt - zur Freude von EU-Politikern. Aber leicht wird es nicht für sie.
Nach ihrem Sieg bei der Präsidentenwahl in der Republik Moldau will die prowestliche Staatschefin Maia Sandu das unter russischem Einfluss stehende Land weiter mit Reformen in die EU führen. „Wir brauchen Zusammenhalt“, sagte die 52-Jährige in der Hauptstadt Chisinau auch auf Russisch nach ihrem Sieg in der Stichwahl. Mit Blick auf das starke Abschneiden ihres Herausforderers Alexandr Stoianoglo erklärte sie, eine Präsidentin für alle sein zu wollen.
Sandu hatte dank der Hunderttausenden Moldauer im Ausland – vor allem in der EU – gewonnen. Im Land selbst vereinte der frühere Generalstaatsanwalt Stoianoglo, der sich für wirtschaftliche Beziehungen zu Moskau einsetzt, die Mehrheit der Stimmen auf sich.
Sandu von der proeuropäischen Partei Aktion und Solidarität (PAS) kam auf 55,35 Prozent der Stimmen, wie die Wahlleitung in Chisinau nach Auszählung aller Wahlzettel mitteilte. Der 57 Jahre alte Stoianoglo, der seine Anhänger zur Ruhe aufrief, unterlag laut vorläufigem amtlichem Endergebnis demnach mit 44,65 Prozent der Stimmen.
Das zwischen dem Westen und Russland hin- und hergerissene Nachbarland von EU-Mitglied Rumänien müsse Hass und Spaltung überwinden, mahnte er. „Moldau braucht Stabilität und keinen künstlichen Konflikt.“ Stoianoglo kam im Land selbst auf die Mehrheit mit 51,19 Prozent der Stimmen. In seiner Heimatregion Gagausien, einem autonomen Gebiet, kam er sogar auf 97,04 Prozent. Gegner werfen Stoianoglo vor, er sei eine Marionette korrupter Oligarchen und ein Kandidat Moskaus.
Das verarmte Agrarland Moldau hat rund 2,5 Millionen Einwohner und ist wie die benachbarte Ukraine EU-Beitrittskandidat. Die Wahlbeteiligung lag mit über 54 Prozent höher als in der ersten Runde am 20. Oktober.
Gratulationen aus aller Welt
Sandu erhielt Gratulationen nicht nur aus den Nachbarländern Ukraine und Rumänien. Auch die Bundesregierung, die EU, China und viele weitere Staaten beglückwünschten sie. Aus Russland kam keine Gratulation, nachdem der Kreml Vorwürfe der Wahleinmischung scharf zurückgewiesen und Beweise gefordert hatte.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilte auf der Plattform X mit, Sandu habe die Republik Moldau sicher durch schwere Zeiten gesteuert und den europäischen Kurs ihres Landes gesetzt. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf der Plattform: „Die Menschen in Moldau haben entschieden: Die Mehrheit von ihnen will den Weg in die EU entschlossen weitergehen.“
Sandu sei erfolgreich gewesen trotz „beispielloser Einmischung durch Russland, einschließlich Stimmenkauf und Desinformationskampagnen“, teilten die EU-Kommission und der Außenbeauftragte Josep Borrell mit. Die EU werde das Land weiter auf seinem Weg begleiten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lobte Sandus Durchsetzungsfähigkeit. „Es erfordert eine seltene Art von Stärke, die Herausforderungen zu meistern“, schrieb von der Leyen auf X.
Sandu vor nächster Herausforderung: Parlamentswahl
Dabei gilt die im Sommer bevorstehende Parlamentswahl als nächste große politische Herausforderung. Denn Sandu kann die Veränderungen nur angehen, wenn sie die bisherige Mehrheit in der Volksversammlung verteidigt.
Der prominente moldauische Journalist und Politologe Vladimir Solovyov sagte Medien in Chisinau zufolge, dass es Sandu schwer haben werde, weil sie im Land selbst keine Mehrheit habe. „Die Ergebnisse der zweiten Runde sind kein Sieg“, sagte er mit Blick auf die große Unzufriedenheit der Menschen mit der wirtschaftlichen und sozialen Lage. „Im Land verlieren und im Allgemeinen nur dank der Diaspora gewinnen, das ist keine Alarmglocke, sondern eine heulende Sirene.“
Die Parlamentswahl werde noch wesentlich härter, weil Sandu auch die Menschen auf dem Land erreichen müsse, sagte die Expertin Brigitta Triebel von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Chisinau der Deutschen Presse-Agentur. Wichtig sei die Justizreform, um das Land widerstandsfähiger gegen externe Wahlbeeinflussung zu machen. Die Überwindung der Spaltung zwischen prowestlichen Kräften in der Hauptstadt und im Ausland und den unter russischem Einfluss stehenden Regionen Gagausien und Transnistrien sei eine Generationenaufgabe.
Die Partei der Sozialisten des prorussischen Ex-Präsidenten Igor Dodon, für die Stoianoglo angetreten war, erkannte das Ergebnis – wie das früherer Wahlen - nicht an. Stoianoglo sei mit den meisten Stimmen im Land der Präsident des Volkes, teilten die Sozialisten in der Hauptstadt Chisinau mit. Die Partei stört sich traditionell daran, dass Wahlen immer wieder von Moldauern im Ausland entschieden werden. Die Entscheidung wird aus Sicht von politischen Beobachtern zunächst ohne Folgen bleiben. Stoianoglo selbst hatte das Ergebnis anerkannt und zur Ruhe aufgerufen.
Die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) bewerteten die Wahl als überwiegend positiv. Allerdings habe sie gezeigt, wie gespalten das Land sei.
Chisinau wirft Moskau massive Wahleinmischung vor
Begleitet wurde die Stichwahl wie schon die erste Runde von Manipulationsvorwürfen. Sandus nationaler Sicherheitsberater Stanislav Secrieru warf Russland massive Wahleinmischung vor. Die Behörden seien alarmiert. In der von Moldau abtrünnigen Region Transnistrien, wo russische Truppen stationiert sind, gebe es organisierte Wählertransporte zu den Abstimmungen; das sei illegal, sagte er.
Der Vertraute von Sandu veröffentlichte auch Berichte über organisierte Transporte von Russland aus mit Bussen und Charterflügen, die Wähler in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku, in die türkische Metropole Istanbul und in die belarussische Hauptstadt Minsk flögen.
Sicherheitsbehörden in Chisinau deckten schon im Vorfeld Desinformation und Wählerkauf durch prorussische Kräfte auf. In dem Land waren mehrere russischsprachige Fernsehkanäle und Internetplattformen blockiert worden. Auch am Wahltag selbst berichteten Menschen in Chisinau im Gespräch mit dpa-Reportern, sie hätten in der vergangenen Woche Anrufe erhalten mit der Bitte, für Stoianoglo zu stimmen. Einige sagten auch, dass ihnen dafür Geld angeboten worden sei.
Sandu hatte nach der ersten Abstimmungsrunde ebenfalls von Wählerkauf gesprochen. Sie hatte vor zwei Wochen zudem parallel ein Referendum angesetzt über die Verankerung des EU-Kurses in der Verfassung des Landes. Die Befürworter setzten sich mit hauchdünnem Vorsprung durch, das Verfassungsgericht bestätigte die Gültigkeit des Ergebnisses. Russland hingegen will das Land, das wegen seiner landwirtschaftlichen Produkte wie Äpfel, Pflaumen, Weintrauben und Nüssen gefragt ist, in seinem Einflussbereich halten.
Das russische Außenministerium bezeichnete die Abstimmung indes als die undemokratischste seit der Unabhängigkeit des Landes vor mehr als 30 Jahren. In Moskau seien nur zwei Wahllokale von den moldauischen Behörden zugelassen worden - für geschätzt 500.000 Bürger des Landes, während für die gleiche Zahl in Westeuropa und in den USA 200 Wahllokale eingerichtet worden seien, hieß es.