US-Wahl Amerikas Schicksalswahl: Wer zieht ins Weiße Haus ein?

Theresa Münch, Julia Naua, Magdalena Tröndle und Benno Schwinghammer, dpa
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Von Theresa Münch, Julia Naua, Magdalena Tröndle und Benno Schwinghammer, dpa
| 05.11.2024 01:39 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Bei der US-Wahl geht es um mehr als nur den Platz im Weißen Haus. Foto: Dirk Shadd/Tampa Bay Times/ZUMA Press Wire/dpa
Bei der US-Wahl geht es um mehr als nur den Platz im Weißen Haus. Foto: Dirk Shadd/Tampa Bay Times/ZUMA Press Wire/dpa
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Die Wahl in den USA könnte die Weltpolitik noch mehr aus dem Gleichgewicht bringen. An diesem Mittwoch deutscher Zeit könnte ein Sieger feststehen - doch es könnte auch noch Tage dauern.

Bei der Wahl steht viel auf dem Spiel: Die innenpolitische Stabilität der USA sowie das ohnehin wackelige Gleichgewicht der Weltpolitik. Millionen Amerikaner stimmten am Dienstag ab, um einen neuen Präsidenten, das Repräsentantenhaus und etwa ein Drittel der Sitze im US-Senat zu wählen.

Frühestens an diesem Mittwoch wird feststehen, wer nach Präsident Joe Biden ins Weiße Haus einziehen wird. Wird es mit der Demokratin Kamala Harris erstmals eine Frau sein? Oder schafft es erneut der Republikaner Donald Trump? Bidens 60-jährige Vizepräsidentin steht inhaltlich eher für Kontinuität und für eine stabile Außenpolitik der Weltmacht. Der 78-jährige Ex-Präsident hingegen ist stolz auf seinen unberechenbaren und aggressiven Kurs. 

Wie lange es nach Schließung der Wahllokale dauern würde, bis ein Sieger ausgerufen wird, war zu Beginn der Abstimmung unklar. Unter anderem die vielen Briefwahlstimmen können in den USA die Auszählung verzögern - dazu kommt, dass die Wahllokale in unterschiedlichen Zeitzonen liegen und nicht gleichzeitig schließen. Anders als in Deutschland gibt es auch keine Prognose zum Wahlsieger oder Hochrechnungen während der Auszählung.

2020 wurde Biden erst am Samstag zum Sieger erklärt, also vier Tage nach der Wahl. Von Trumps Sieg 2016 hatten viele US-Amerikaner dagegen schon beim Aufstehen am Morgen nach der Abstimmung erfahren. 

Die magische Zahl 270

Der US-Präsident wird nicht direkt vom Volk gewählt. Die Stimmen der Wählerinnen und Wähler entscheiden über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums, das im Dezember dann den Präsidenten wählt. Jeder Bundesstaat hat eine bestimmte Stimmenanzahl, die sich in etwa nach der Einwohnerzahl richtet.

Bei der Wahl gilt in fast allen Bundesstaaten das Prinzip „the winner takes it all“: Der Kandidat, der dort gewinnt, erhält die Stimmen aller Wahlleute des Bundesstaats. Für den Einzug ins Weiße Haus braucht ein Kandidat letztlich also nicht absolut die meisten Stimmen („popular vote“), sondern die Mehrheit der 538 Wahlleute - also mindestens 270.

Erstes Ergebnis: Gleichstand in Dixville Notch

Die erste Entscheidung fiel am Wahltag bereits um Mitternacht (Ortszeit). Im kleinen Dörfchen Dixville Notch im Bundesstaat New Hampshire stimmten nur sechs Wähler ab - entsprechend schnell ging die Auszählung. Auf einer handbeschriebenen Tafel wurde ein Patt verkündet: Je drei Stimmen für Harris und für Trump. 

Das erste Ergebnis steht schon fest: In einem kleinen Dort wählten die Menschen unentschieden zwischen Harris und Trump. Foto: Charles Krupa/AP/dpa
Das erste Ergebnis steht schon fest: In einem kleinen Dort wählten die Menschen unentschieden zwischen Harris und Trump. Foto: Charles Krupa/AP/dpa

Bei der Wahl 2020 hatte US-Präsident Joe Biden in Dixville Notch ohne Gegenstimme gewonnen, Trump ging leer aus. Und auch wenn die Resultate in dem kleinen Skiort längst nicht immer spiegeln, wer am Ende Präsident wird, könnte man das Ergebnis als Sinnbild für das enge politische Rennen in dem gespaltenen Land sehen. 

Eine historische Wahl

Umfragen deuteten auf einen extrem knappen Wahlausgang hin, weswegen das Ergebnis nicht abzusehen war. Dabei könnte das Ergebnis nicht nur die innenpolitische Stabilität der USA maßgeblich gefährden, sondern auch ihre zukünftige Rolle in internationalen Bündnissen und die transatlantische Zusammenarbeit auf den Kopf stellen. Die Verflechtungen Deutschlands und Europas mit den Vereinigten Staaten sind im wirtschaftlichen Bereich riesig und haben im Verteidigungsbereich sogar existenzielle Dimensionen.

Mehr als 80 Millionen US-Bürger warteten nicht zum Wahltag 

Viele Wähler gaben schon vor dem Wahltag ihre Stimme ab. Nach Angaben des „Election Lab“ der Universität Florida stimmten rund 83 Millionen US-Bürger per Brief oder in vorab geöffneten Wahllokalen ab. Das entspricht mehr als der Hälfte der 2020 bei der Präsidentenwahl insgesamt abgegebenen Stimmen. 

Trotzdem bildeten sich an einigen Wahllokalen auch am Wahltag noch lange Schlangen. Trump ermahnte seine Anhänger, Geduld zu haben. „Ihr müsst eure Stimme abgeben, egal, wie lange es dauert. Bleibt in der Schlange!“ In seinem Post auf X behauptete er zugleich, die Demokraten wollten die Stimmabgabe verhindern. „Die radikalen kommunistischen Demokraten wollen, dass ihr eure Sachen packt und nach Hause geht“, warnte er.

Harris wiederum forderte die Menschen in mehreren Posts auf der Plattform X auf, wählen zu gehen. „Heute stimmen wir über eine bessere Zukunft ab“, schrieb sie.

Trumps Vizekandidat J.D. Vance gab seine Stimme in einem Wahllokal in Cincinnati im Bundesstaat Ohio ab. „Ich habe natürlich für Donald Trump und mich selbst gestimmt. Meine Frau hat das auch getan“, sagte er danach Reportern. „Ich habe ein gutes Gefühl bei diesem Rennen.“

Große Shows zum Wahlkampfabschluss

Harris und Trump hatten mit großen Schlusskundgebungen bis zum letzten Moment versucht, unentschiedene Wähler zu überzeugen. Die Demokratin gab sich in einer mit Stars besetzten Veranstaltung in Philadelphia im „Swing State“ Pennsylvania siegessicher. Vor den Stufen des Philadelphia Museum of Art, der Kulisse aus dem Kultfilm „Rocky“, sagte die 60-Jährige: „Heute Abend beenden wir es so, wie wir es begonnen haben, mit Optimismus, mit Energie und mit Freude.“ Trumps Namen erwähnte sie nicht - ihre Rede dauerte nicht mal eine halbe Stunde.

Nur wenig später setzte Trump zu einem länglichen, wütenden Monolog mit Angriffen auf seine politischen Gegner vor einer aufgepeitschten Menge in Grand Rapids im „Swing State“ Michigan an. Über Harris sagte der 78-Jährige: „Sie hat einen sehr niedrigen IQ, und wir brauchen keine Person mit niedrigem IQ. Das haben wir seit vier Jahren. Und unser Land geht den Bach runter.“ 

Den Wünschen seiner Berater, sich mehr an seine Redemanuskripte zu halten, folgte Trump nicht. Harris sei „eine linksradikale Verrückte“, schimpfte er. Vance wiederum beleidigte Harris mit drastischen Worten: „Wir werden den Müll in Washington D.C. rausbringen, und der Müll heißt Kamala Harris“, sagte er. 

Es ist kein Zufall, dass Harris und Trump ihre finalen Kundgebungen in Pennsylvania und Michigan abhielten. Pennsylvania gilt als potenziell wahlentscheidend - hier gibt es 19 Stimmen von Wahlleuten zu holen, mehr als in jedem anderen „Swing State“. So bezeichnet man die wenigen Bundesstaaten, in denen nicht absehbar ist, welche Partei sich den Sieg sichern wird. In den meisten Staaten ist das vorher mehr oder weniger klar, oft gewinnt wird dort schon seit Jahrzehnten immer die gleiche Partei. 

Angst vor Gewalt

Der Ausgang der Wahl wurde nicht nur mit Spannung, sondern auch mit Sorge vor Ausschreitungen oder Gewalt erwartet. In der Hauptstadt Washington verbarrikadierten einige Geschäftsleute im Zentrum ihre Schaufenster mit Holzplatten. 

Trump hatte in den Tagen vor der Wahl wiederholt Zweifel an der Integrität der Abstimmung gesät und den Demokraten Betrug vorgeworfen. Seine Wahlniederlage 2020 gegen Joe Biden hat er nie eingeräumt. Auch in diesem Jahr scheint er ein ähnliches Narrativ vorzubereiten und behauptet, nur Betrug könne ihn um den Sieg bringen. Zwei Verbände von Wahlaufsehern dagegen sicherten eine regelkonforme Wahl zu. „Die Amerikaner können darauf vertrauen, dass die Wahl sicher ist und die Ergebnisse korrekt ausgezählt werden“, erklärten sie.

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