Ein Landfrauenporträt Diese Ostfriesin wird von ihrem Wissensdurst angetrieben
Geziena Scholtalbers ist Gästeführerin, bei den Landfrauen aktiv und organisiert Pilgertouren. „Wir sind mehr als die Kuchenbäcker der Nation“, sagt die Rheiderländerin. Viel mehr.
Weener - Die Altstadt von Weener ist für ihre historischen Gebäude bekannt. Geziena Scholtalbers weiß über fast jedes von ihnen etwas zu erzählen. „Was die Reeperbahn für Hamburg ist, ist bei uns der Seilerweg.“ Ein Rotlichtviertel sucht man hier aber vergebens. Hier stellten früher die Seiler, die auch Reeper genannt wurden, Tampen, Schiffstaue und Seile her. Die Möhlenwarferin ist seit 2011 als Gäste- und Museumsführerin in Weener und Bunde unterwegs. „Man selber lernt immer wieder etwas Neues über die Heimatgeschichte dazu. Das ist spannend und macht einfach Riesenspaß“, sagt die 69-Jährige, die sich nicht nur gerne Wissen aneignet. Sie gibt es ebenso gerne und begeistert weiter.
Wäre Geziena Scholtalbers ein Mann, wäre „Hans Dampf in allen Gassen“ ein passender Begriff, so groß und weit gefächert ist ihr ehrenamtliches Engagement. Im Sommer wurde sie dafür vom Landkreis Leer mit dem Blinkfüür ausgezeichnet und wurde wie viele andere Preisträger aus dem Landkreis Leer für den Deutschen Engagementpreis vorgeschlagen.
Lebenslanges Lernen
Angetrieben wird Geziena Scholtalbers von einem schier unerschöpflichen Wissensdrang. Die Ausbildung zur Bauzeichnerin hatte sie längst absolviert, da beschloss sie, im Alter von 30 Jahren ihr Abitur nachzuholen. Vielleicht hat sich die wissbegierige Frau ja den Ratschlag ihres Vaters zu Herzen genommen. „Er hat immer gesagt, man lernt so lange, bis alle Finger gleich lang sind“, erzählt sie und blickt auf ihre Hände: „Ich werde wohl lebenslang lernen.“ Und Geziena Scholtalbers hat viele Interessen und Fähigkeiten.
Sie hat bereits drei Kochbücher geschrieben, gibt bei der Aktion „Nachbars Garten“ Tipps zur Gestaltung oder wie man Gemüse aus eigenem Anbau einkochen kann. Scholtalbers mag es allerdings nicht, wenn Landfrauen allzu sehr auf das traditionelle Rollenbild reduziert werden. „Wir sind mehr als die Kuchenbäcker der Nation“, stellt sie klar. Bei den Landfrauen gehe es mehr um den Zusammenhalt der Frauen im ländlichen Raum und um Bildung.
Pilgertouren im Rheiderland
Der Kontakt zu den Landfrauen sei durch die Stöberstube in der Ditzumer Mühle entstanden. „Ich wollte dort Handarbeiten verkaufen, musste dafür aber Mitglied bei den Landfrauen werden.“ Und so kam es auch. 2012 wurde sie als Kassenwartin in den Vorstand der Kreislandfrauen gewählt. Sechs Jahre später übernahm sie den Vorsitz. „Man ist unter Gleichgesinnten, unternimmt gemeinsam Ausflüge und besucht Vorträge“, erzählt sie.
Bei den Landfrauen habe sie viele Freundinnen gefunden und viele Projekte angestoßen: die Gründung der jungen Landfrauengruppe „Landwichter“ oder „Kochen mit Kindern“. „Durch die Corona-Pandemie ist leider vieles eingeschlafen“, bedauert sie. Doch Geziena Scholtalbers findet immer wieder neue Impulse und Steckenpferde. So zum Beispiel das Pilgern im Rheiderland.
Gebürtige Niederländerin fühlt sich als Rheiderländerin
„Die Grundidee stammt aus der Corona-Zeit“, blickt sie zurück. Damals fanden Andachten im Freien statt. „Zum Abschluss gab es einen Tütchen mit Blumensamen oder eine Streichholzschachtel mit einem Sinnspruch, über den man auf dem Heimweg nachdenken konnte.“ Diese kirchlichen Outdoor-Aktivitäten waren Inspiration der Pilgertouren von Kirchturm zu Kirchturm. Bei den etwa zweistündigen Spaziergängen wird abwechselnd geschnackt und geschwiegen und die Teilnehmer erfahren viel über Land und Leute. Am Ziel lädt die jeweilige Kirchengemeinde die Pilger zum Frühstück ein. Viermal im Jahr wird gepilgert. Und das Angebot, das es seit 2022 gibt, kommt offenbar an. „Wir haben sogar Teilnehmer aus der Krummhörn.“
Obwohl sie gebürtig aus den Niederlanden stammt, fühlt sich Geziena Scholtalbers als Rheiderländerin. Schon als Kind ist sie mit ihren Eltern nach Bunderhee gezogen und mit der plattdeutschen Sprache großgeworden. Von ihren niederländischen Wurzeln profitiert sie aber bei einem anderen Projekt. Der Austausch von Landfrauen geht inzwischen weit über die Grenzen Ostfrieslands hinaus, auch in die Niederlande. Beim Interfriesischen Frauentreffen, das die Möhlenwarferin mit organisiert, kommen Frauen aus Nord-, Ost- und Westfriesland zu einem Austausch zusammen, um sich neue Kontakte zu knüpfen und die Kultur und Besonderheiten der jeweiligen Region kennenzulernen. „Da kommt man ganz schon rum und lernt viel Neues“, sagt sie. Lebenslanges Lernen bleibt eben ihre große Leidenschaft.