Drogen Wie ein ICE durchs Gehirn - Der rasche Aufstieg von Crack
Crack gilt als besonders gefährlich und breitet sich schnell in Deutschland aus. Das macht sich vor allem in den Großstädten bemerkbar. Wie konnte es dazu kommen - und was sind mögliche Lösungen?
Crack ist in den deutschen Großstädten angekommen. Mit den neuen Herausforderungen für Konsumierende, Kommunen und die Drogenhilfen beschäftigt sich Experten auf einer Fachtagung in Frankfurt. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was ist Crack überhaupt und warum ist die Droge so gefährlich?
Crack wird auf Kokainbasis, oft vermischt mit Backpulver, hergestellt. Die weiß-gelblichen Kristalle werden erhitzt, bevor sie meist mit einer Pfeife geraucht werden. Der Name Crack bezieht sich auf das knackende Geräusch, das dabei zu hören ist. „Es ist eine Potenzierung des Kokainrausches. Die Droge hat ein enormes Suchtpotenzial - und das macht sie so gefährlich“, sagt Drogenexperte Heino Stöver von der Frankfurt University of Applied Sciences. Man erfahre viel stärker als bei Kokain eine enorme Euphorie, die aber nur Minuten andauere und dann in eine Dysphorie zurückfalle - die in etwa das Gegenteil ist. Die Euphorie würden viele als „einen ICE-Zug durchs Gehirn“ beschreiben und das sei etwas, was sie schnell wiederholen wollten.
Wie verbreitet ist Crack in deutschen Städten?
Crack hat sich in den vergangenen Jahren massiv verbreitet. „Man kann sagen, dass Crack in fast jeder größeren Großstadt in Deutschland angekommen ist. Und das ist sehr besorgniserregend“, sagt Stöver. Bis vor einigen Jahren habe es eigentlich nur in Hamburg, Frankfurt und Hannover eine Szene gegeben. „Doch seit sieben, acht Jahren merken wir in vielen anderen Städten, dass der Crack-Konsum dort Einzug gehalten hat, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität“ - sei es in Köln, Düsseldorf, Dortmund, Bremen oder München.
Auch Raphael Schubert von der Drogenhilfe Fixpunkt Berlin beobachtet einen enormen Anstieg von Crack-Konsum in der Hauptstadt. Ein Beispiel: In einem Konsumraum im Stadtteil Kreuzberg lag der Anteil von Crack an allen dort eingenommen Drogen im Jahr 2020 bei 12 Prozent, wie er berichtet. Im vergangenen Jahr waren es dagegen knapp 60 Prozent.
Gibt es Ursachen für die rasche Verbreitung?
Das hat auch mit dem riesigen Angebot zu tun. Laut Bundeskriminalamt wurden 2023 rund 43 Tonnen Kokain sichergestellt, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einer „Kokainschwemme“. Und Frankfurts Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) betont: „Die Straßen in unseren Städten werden gerade mit Drogen geschwemmt. Crack breitet sich rasend schnell in ganz Europa aus.“
Und wie wirkt sich diese Entwicklung auf die Städte aus?
„Es bilden sich wieder offene Szenen mit großen Verelendungserscheinungen. Das ist vielerorts nicht mehr zu übersehen“, sagt Stöver. „Was wir bisher eigentlich nur so massiv aus den USA in den 90er Jahren kannten, hat jetzt hier Einzug gehalten.“ Der hohe Suchtdruck von Crack bestimme schnell den Alltag, sagt auch der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD). „Die Betroffenen vernachlässigen schnell ihre Grundbedürfnisse, verwahrlosen in kürzester Zeit und verlieren vielfach ihre Wohnung.“
Zu sehen ist das etwa im Frankfurter Bahnhofviertel. Dort ist Crack längst die dominierende Droge. „Mit massiven Auswirkungen: Während Heroin eher beruhigt, putscht Crack innerhalb weniger Sekunden auf und macht mitunter sogar aggressiv“, sagt Voitl. Und die Drogenhilfe habe es wiederum mit einer ganz veränderten Situation zu tun, „mit völlig ruhelosen und aufgeputschten Klienten, die eben eine ganz neue Ansprache und sehr niedrigschwellige Hilfe brauchen.“ Nicht zuletzt löse der Konsum ganz neue offene Szenen aus, die unsere Städte veränderten und die auch immer mehr Konflikte im öffentlichen Raum provozierten.
Wie sieht die typische Nutzergruppe aus?
„Crack ist und bleibt erst mal eine Straßendroge“, sagt Wissenschaftler Stöver. Im Gegensatz zum Kokain sei sie nicht in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen. Nach seiner Einschätzung konsumieren Crack größtenteils Männer - überwiegend im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt, „die bereits in der Drogenszene unterwegs waren und dann auf Crack kamen“. Die Deutsche Aidshilfe weist darauf hin, dass die Crack-Szene in Berlin und anderen Städten von Migranten geprägt sei, die mitunter erst kürzere Zeit in Deutschland seien.
Was sind mögliche Auswege?
Ein klassischer Entzug ist schwer, da es keine pharmakologische Antwort auf Crack gibt. „Etwas Vergleichbares zu Methadon, das Heroinabhängigen als Ersatzmittel verabreicht wird, haben wir hier nicht“, sagt Stöver. Schubert vom Fixpunkt Berlin betont jedoch, dass viele Abhängige neben Crack auch Heroin konsumieren würden. Somit könne Methadon zumindest zur Stabilisierung beitragen.
Und was kann noch getan werden?
Bei Suchterkrankungen müssten Beratung und Hilfe genauso sichergestellt werden wie bei einem Knochenbruch oder bei einer Krebsbehandlung, betont der Drogenbeauftragte Blienert. „Drogenkonsumräume, Straßensozialarbeit, Drugchecking - all das ist dringend erforderlich, um in der Crackproblematik in unseren Städten auch adäquat Antworten zu geben.“ Doch leider würden mancherorts ideologische Blockaden einer wirkungsvollen Hilfe im Weg stehen, das betreffe besonders die Konsumräume. „Es ist nach wie vor für mich ein Unding, dass manche Länder sich dieser Maßnahme und diesem Weg weiterhin versperren.“
Wie steht es aktuell um die Drogenkonsumräume?
Die Hilfsangebote sind sehr ungleich über Deutschland verteilt. Laut Bundesregierung gibt es etwa 30 Konsumräume in 17 Städten, die 8 Bundesländer umfassen. Das heißt: Die Hälfte aller Länder - wie beispielsweise Bayern - hat keine dieser Einrichtungen. In Frankfurt, wo es bereits vier Räume gibt, ist eine weitere Einrichtung in Planung, die speziell auf die Bedürfnisse von Crack-Abhängigen ausgerichtet werden soll.
Doch Dezernentin Voitl betont auch: „Alleine können wir Kommunen das Problem nicht bewältigen.“ Und: „Wir brauchen Geld.“ In der Mainmetropole sorgt schon länger für Diskussionen, dass laut einer Erhebung die Hälfte der Konsumenten in den Einrichtungen gar nicht aus Frankfurt stammen. „Die kommen aus anderen hessischen Kommunen, die kommen sogar aus anderen Bundesländern, besonders aus Bayern“, betont Voitl. Manche kämen sogar aus dem Ausland. „Wir werden in Frankfurt auf Dauer diese Hilfe nicht stellvertretend für das ganze Land stemmen können, das ist völlig klar.“