Leer/Aurich 103.124 Namen stehen für den Holocaust

80 Jahre ist die Befreiung des Vernichtungslagers in Auschwitz her. Auch in Leer, Aurich und Westerbork wurde der Opfer des Nationalsozialismus gedacht.
Leer / Westerbork / Aurich/ LE/NI - Zur Erinnerung an die Befreiung des Vernichtungslagers in Auschwitz vor 80 Jahren und zum Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus hat es dieser Tage viele Veranstaltungen gegeben. Neben Überlebenden, Angehörigen, Zeitzeugen und Regierungsvertretern haben daran auch viele junge Menschen teilgenommen.
Als ein bewegendes Erlebnis beschreiben sechs Schülerinnen des Teletta-Groß-Gymnasiums in Leer das Verlesen hunderter Namen von Holocaust-Opfern auf dem Gelände des ehemaligen Durchgangslagers Westerbork in den Niederlanden. Gemeinsam mit Schülern der Sekundarschule RSG De Borgen aus Leek taten sie dies am vergangenen Freitag beim alle fünf Jahre stattfindenden „NamenLezen“.
Die Leeraner Schülerinnen trugen die Altersangaben der Opfer in der für sie fremden Sprache Niederländisch vor.
Sechs Tage und fünf Nächte „Namenlezen“
Das „NamenLezen“ auf dem Lagergelände dauert jeweils sechs Tage und fünf Nächte. Diesmal wurden 103.124 Namen von Verfolgten und Deportierten verlesen, darunter viele jüdischen Flüchtlinge aus Deutschland, wie die der Familie Aussen aus Leer. Das Durchgangslager Westerbork war während des Zweiten Weltkriegs der zentrale Ort in den Niederlanden, von dem aus die meisten Juden in den Osten deportiert wurden.

Kellner: „Stunde Null nicht genutzt“
Wolfgang Kellner sprach bei einer Gedenkfeier im Auricher Güterschuppen. Statt Verantwortung und Scham für die Gräueltaten der Nazischergen zu zeigen, habe man die Vergangenheit einfach ignoriert und sich selbst immer mehr in einer Opferrolle gesehen, sagte der Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Leer: „Die Stunde Null wurde von der deutschen Gesellschaft nicht als Chance für einen Neubeginn genutzt.“ Es habe keinen Bruch gegeben. Die Kontinuität im nationalsozialistischen Denken bestehe bis heute, betonte Kellner.
Auricher Schüler beteiligten sich mit Kurzfilmen
Der Gedenktag zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 ist in Aurich fest etabliert. Jedes Jahr wird ein neuer Aspekt der NS-Zeit thematisiert. Die Erinnerungskultur wird von etlichen Institutionen, Vereinen, Verbänden und Initiativen getragen. So beteiligte sich diesmal der Geschichtskursus der 12. Klasse des Auricher Gymnasiums mit drei selbst gedrehten Kurzfilmen. Musikalisch umrahmt wurde der Abend von den Klarinettistinnen Emma Blesene und Anja Lütke-Notarp.

Leeraner Schüler reinigten Stolpersteine
Auch in Leer wurde an den Holocaust erinnert. So suchte der Jahrgang 12 des Leeraner Gymnasiums der Berufsbildenden Schulen I die Stolpersteine vor der Heisfelder Straße 14 auf. Die BBS I hat 2024 die Patenschaft für die bronzenen Gedenksteine übernommen, die auf Ida, Ernst und Moritz Vorzanger verweisen. Die Schülerinnen und Schüler reinigten die Steine und legten Blumen nieder.
Zwei Jugendliche trugen die Biografie der Familie Vorzanger vor und führten den Anwesenden das Schicksal der Leeraner Juden vor Augen. Sie richteten den eindringlicher Appell an alle, die Vergangenheit nicht zu vergessen und die Lehren daraus in die Zukunft zu tragen.