Typisierungsaktion geplant Tannenhausener braucht eine Stammzellspende
Fábio Ribeiro ist an aplastischer Anämie erkrankt. Für den Rotorblattfertiger planen Freunde und Vereine nun eine Typisierungsaktion. Tannenhausen hat zuvor schon mehrere Spender hervorgebracht.
Aurich - Ein Tannenhausener braucht Hilfe: Fábio Ribeiro ist an aplastischer Anämie erkrankt. Bei dieser Krankheit stellt das Knochenmark die Produktion neuer Blutbestandteile ein. Bei dem 35-Jährigen sind alle drei Blutbestandteile betroffen, die Folgen entsprechend gravierend. Patienten leiden bei aplastischer Anämie an Erschöpfung, Atemnot, blauen Flecken. Das Immunsystem ist stark geschwächt und jede Verletzung und jede Infektion werden zur Lebensgefahr.
Fábio Ribeiro nimmt bereits seit einigen Monaten starke Medikamente. Anfangs, nach der Diagnose Ende 2023, habe er diese außerordentlich gut vertragen, sagt er. Er sei deshalb sogar von den Ärzten in Bremen beobachtet worden. Aber das wichtigste Medikament habe dann seine Leber stark angegriffen, sodass die Ärzte die Therapie gestoppt hätten, so der 35-Jährige. Seine einzige Chance auf Genesung sei nun eine Stammzellspende.
Seine Nachbarn aus der Tannenstraße in Tannenhausen sind deshalb aktiv geworden und wollen eine große Typisierungsaktion zusammen mit dem Verein Leukin organisieren. Jeder, der dazu beitragen kann, dass Menschen sich typisieren lassen und dass Spenden für die damit verbundenen Laborkosten zusammenkommen, ist herzlich bei der Vorbereitung willkommen.
Typisierung am 2. März von 11 bis 16 Uhr
Einen Monat haben die Tannenhausener noch Zeit, bis das Programm stehen muss. Für Sonntag, 2. März, von 11 bis 16 Uhr ist die Typisierungsaktion im Feuerwehrhaus geplant. Am Dienstag trafen sich Vertreter der ansässigen Vereine, um sich ein buntes Programm für den Tag zu überlegen.
Fábio Ribeiro lebt seit 2013 in Aurich. Geboren wurde er in Aveiro in Portugal, einer schönen Stadt am Meer, die wegen der Kanäle auch als Venedig Portugals bezeichnet werde, wie er erzählt. Als Verfahrensmechaniker für Rotorblätter wurde er dort auf eine Annonce aufmerksam, mit der eine Leiharbeitsfirma um Arbeitskräfte für Aurich warb. So kam der damalige Mittzwanziger im August 2013 zur Kunststofftechnologie Aurich (KTA) nach Sandhorst, wo er nach eigener Aussage viereinhalb Jahre als Leiharbeiter eingesetzt war. Ein Jahr lang sei er dann noch festangestellter Teamleiter gewesen, bevor der Auricher Windkraftkonzern Enercon begann, Arbeitsplätze bei seinen Zulieferern abzubauen. Die KTA wurde geschlossen, Fábio Ribeiro verlor seine Arbeit.
Er habe dann drei Jahre lang in der Gastronomie gearbeitet. Inzwischen sei er wieder in seinem Beruf beschäftigt, bei einer Firma in Lübeck, für die er Reparaturarbeiten an Rotorblättern in ganz Deutschland und auch im Ausland ausgeführt habe. Wenn er seine Erkrankung überwunden habe, solle er aller Voraussetzung nach in Bremen eingesetzt werden.
Derzeit wohnt der 35-Jährige mit seiner Frau in Walle, will aber nach Tannenhausen zurückkehren.
Beliebter Nachbar
Früher, bis zu einer Verletzung, hat er beim MTV Aurich Handball gespielt und auch eine Nachwuchsmannschaft trainiert. Mit einigen Kollegen aus Portugal spielte er zudem Fußball. Nun sei er in der Männerkochgruppe „Kochen und Klönen“ der Kirchengemeinde Walle, sagt er. Generell koche er gerne, gehe gerne spazieren. Seine Nachbarn beschreiben ihn als hilfsbereiten, positiv gestimmten und geselligen Menschen, der immer viel Wert darauf gelegt habe, alleine klarzukommen. Nun brauche er aber Hilfe.
Derzeit sind seine Aktivitäten nur eingeschränkt möglich. An vielen Tagen sei er wegen der Erschöpfung auf den Rollstuhl angewiesen, erzählt Fábio Ribeiro. Er müsse wegen der Ansteckungsgefahr Menschenmassen meiden. Manchmal bekomme er zwei Bluttransfusionen pro Woche, wenn die Blutwerte komplett im Keller seien.
Seine Verwandten haben sich bereits typisieren lassen, allerdings ohne Treffer. Deshalb hoffen seine Nachbarn, Ortsbürgermeisterin Gerda Küsel und immer mehr Tannenhausener, dass bei einer Typisierungsaktion für ihn oder auch andere Erkrankte passende Spender ermittelt werden können.
Leukin koordiniert die Aktion
Mit im Boot ist der Verein Leukin, dessen zweite Vorsitzende Christa Lindenberg und dessen Kassenwart Horst Morgenstern am Dienstag die ersten Fragen der Tannenhausener Vereinsvertreter beantworteten. In der DKMS sind mehr als 12,5 Millionen potenzielle Spenderinnen und Spender registriert, bis heute hat die Organisation nach eigenen Angaben mehr als 120.000 Stammzellspenden vermittelt. Allein der Verein Leukin, der im Nordwesten Deutschlands sehr aktiv ist, hat laut Lindenberg bisher schon fast 100.000 potenzielle Stammzellspender registriert und mitgeholfen, dass 1130 Menschen ein neues Leben anfangen konnten. Alle zwölf Minuten erkranke in Deutschland ein Mensch an Blutkrebs, sagte die Rhauderfehntjerin. Ostfriesland sei schon sehr weit typisiert, nämlich zu 22 Prozent. Andernorts liege die Quote bei acht bis neun Prozent. Deshalb habe Ostfriesland auch schon viele Spender gestellt.
Ein Spender aus Tannenhausen berichtet
Bereits mehrere Tannenhausener haben Stammzellen gespendet, beispielsweise nach Skandinavien. Tilo Schütte berichtete den Vereinsvertretern am Dienstag von seinen Erfahrungen. Der heute 19-Jährige nahm vor zwei Jahren an einer Typisierungsaktion an seiner Schule teil. Anderthalb Jahre später sei dann der Anruf gekommen: Er komme als Spender für einen etwa 30-jährigen US-Amerikaner infrage. „Dann war man natürlich aufgeregt“, sagte Schütte, der nur Positives über die Spende berichten konnte. Er habe zunächst einen Fragebogen zu Vorerkrankungen ausgefüllt und Blut beim Arzt abgegeben, das zur genaueren Untersuchung zur DKMS geschickt worden sei. Er und der Spendensucher hätten volle Übereinstimmung gehabt. In einer Klinik in Düsseldorf – den Standort habe er sich aussuchen dürfen – habe dann eine Voruntersuchung stattgefunden. Nach mehreren Telefonaten mit dem Spendenteam und Fragen, ob er wirklich bereit sei, habe er sich dann fünf Tage lang eine Spritzen geben müssen. Mit körperlichen Anstrengungen habe er sich in dieser Zeit zurückgehalten. Dann sei er mit seiner Mutter als Begleitperson nach Düsseldorf gefahren. Dort sei ihnen ein gutes Hotel gestellt worden. Zur Spende sei er dann an beiden Armen angeklemmt worden. Rund zwei Stunden lang sei das Blut abgezapft, die Stammzellen ausgewaschen und dann in den anderen Arm zurückgepumpt worden. „Das war so ähnlich wie bei einer Dialyse“, sagte Schütte. Dann sei untersucht worden, wie gut die Probe schon sei. Für 20 Minuten sei dann noch einmal angeschlossen worden. Meist dauere so eine Spende insgesamt vier bis fünf Stunden. Nach der Spende sei ihm etwas schwindelig gewesen. Weitere Nachwirkungen habe er nicht verspürt. Christa Lindenberg von Leukin sagte, dass viele Spender anfangs grippeähnliche Symptome hätten und sich schlapp fühlten. Schütte berichtete von einer „sehr positiven Euphorie“ im vergangenen August. „Wann hat man schon die Chance, ein Menschenleben zu retten?“ Er habe angegeben, dass er gerne wissen wolle, wer seine Spende bekommen hat und ob sie geholfen habe. Letzteres werde er bald erfahren. Eine Reaktion vom Spendenempfänger sei – sofern dieser das wolle – erst nach zwei Jahren vorgesehen.
Lindenberg erläuterte noch einmal das Prozedere. Jede Typisierung erfolgt durch einen Abstrich an der Mundschleimhaut. Spender werden dürfen alle 17- bis 61-Jährigen. Typisiert werden jedoch nur 17- bis 55-Jährige. Wer chronisch erkrankt ist, kann vielleicht nicht spenden. Das werde in einem Vorgespräch bei der Typisierung abgeklärt. Der Verein Leukin sei mit etlichen erfahrenen Kräften an dem Tag vor Ort. Es würden aber auch noch etwa 15 Helfer gebraucht, die beim Erfassen der Daten unterstützen, sagte Lindenberg.
So läuft eine Spende ab
Wer in der Kartei stehe und als Spender für eine erkrankte Person infrage komme, werde dann gefragt, ob er wirklich zu einer Spende bereit sei und bei einer Zusage zu einer Voruntersuchung eingeladen. Anschließend erfolgt die Spende der Stammzellen. Zu 90 Prozent über eine Blutentnahme, ähnlich wie bei der Dialyse. Nur selten müssten die Stammzellen unter Vollnarkose aus dem Beckenkamm entnommen werden. Aus dem Rückenmark würden keine Stammzellen entnommen, betonte Lindenberg.
Für den 2. März werden soll nun ein buntes Rahmenprogramm entwickelt werden, um möglichst viele Menschen zur Registrierung anzulocken. Neben Tee und Kuchen sowie Gegrilltem soll es Aktionen für Familien geben. Ein Hüpfburg sei bereits bestellt. Außerdem werden an mehreren Firmen und Treffpunkten im Ort Spendendosen von Leukin aufgestellt, denn die Auswertung jeder Probe im Labor kostet den Verein 50 Euro. Auch Firmen sollen für Spenden und als Multiplikatoren angesprochen werden. Einige Tage vor der Typisierung werden zudem Plakate verteilt. „Es ist auch immer eine gute Idee, sich die Din-A-4-Plakate ins Auto zu hängen“, rät Christa Lindenberg. Am Dienstag, 11. Februar, treffen sich die Vereine und alle, die zur Typisierung beitragen wollen, um 19.30 Uhr wieder im Boßlerheim am Mehrzweckgelände in Tannenhausen, um das Programm zusammenzustellen.
Ein Fest für die Dorfgemeinschaft
Initiatorin der Aktion ist Sabine Friedrich-Cornelius mit ihrer Familie, Freunden und Nachbarn. Sie hat noch ein anderes Anliegen. Fábio und seiner Frau sei vermittelt worden, dass die Ostfriesen eigentlich keinen Kontakt zu ihnen wollten. Sie müssten sich also gar nicht aufdrängen. So habe es zwei Jahre gedauert, bis ihre Nachbarn - völlig ohne Kontakte in der neuen Heimat - geklingelt und sie zum Essen eingeladen hätten. Das habe sie schockiert, sagte die Tannenhausenerin. Seitdem sei das Paar Teil der Nachbarschaft. Und neue Nachbarn würden immer begrüßt. Sie kenne aber auch andere Zugezogene, die schwer Kontakt fänden. „Ich glaube, es ist Zeit, alle mal an einen Tisch zu holen und zusammen ein Stück Kuchen zu essen.“ So soll die Typisierung also nicht nur eine Rettung, sondern auch eine große Dorffeier werden.